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Bad Kissingen
Energiekrise: Der Landkreis Bad Kissingen will mit straffen Strukturen und einem Notfall-Programm kontern
Alle sprechen über die Energiekrise. Eng damit verbunden ist in solchen Diskussionen die Dringlichkeit, regenerative Energien auszubauen. Was der Landkreis plant.
Die Wertschöpfung der gesamten Verwertungskette vor Ort zu halten, ist das Ziel des Landkreises in Bezug auf Windkraftanlagen und Photovoltaik-Felder.
Foto: Archiv Markus Drossel | Die Wertschöpfung der gesamten Verwertungskette vor Ort zu halten, ist das Ziel des Landkreises in Bezug auf Windkraftanlagen und Photovoltaik-Felder.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:01 Uhr

Bund und Länder wollen den Ausbau von erneuerbaren Energien jetzt zügig vorantreiben und haben dazu dieses Jahr Gesetzesinitiativen verabschiedet. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und die damit einhergehenden drohenden Energie-Engpässe verschärften die Lage. Auch auf Landkreisebene will man handeln und feste Strukturen schaffen, um zügig voranzukommen. Das Gas wird vielleicht knapp, aber keiner weiß genau, was kommt, sagte Landrat Thomas Bold im Wirtschafts- und Umweltausschuss am Montag.

Deshalb wurden innerhalb der Kreisverwaltung jetzt sieben Arbeitsgruppen geschaffen, die Regierungsdirektor Thomas Schoenwald in der Sitzung zunächst vorstellte. Seinen Angaben zufolge sind künftig bestimmte Strukturen notwendig, um Anfragen zum Beispiel von Bürgerinnen und Bürgern oder von Unternehmen gezielt hin zu den zuständigen Sachgebieten zu lenken.

Die Arbeitsgruppen im Überblick:

1. Externe Beratung zu Energieeinsparmöglichkeiten und zum Wechseln von Energieträgern

In den Sachgebieten Umweltschutz, Baurecht und Klima-Management sollen künftig Fragen aus der Bevölkerung zum Einsparen von Energie in Bezug auf Wärme, Strom und Mobilität bearbeitet werden. Zudem werden in diesen Ressorts die Genehmigungsverfahren beim sogenannten "Fuel Switch", dem Wechsel von einem zum anderen Energieträger, koordiniert. Denn, wie im Ausschuss zu hören war, stellen derzeit einige Gewerbe-Betriebe vorübergehend wieder von der Gas- auf Ölversorgung um.

Nach Angaben von Dieter Fuchs, Energieberater des Landkreises, haben die Anfragen zum Thema Energie schon seit Beginn des Jahres deutlich zugenommen. Vor allem ältere Bürgerinnen und Bürger kämen zu ihm, sagte er in der Sitzung.  Fuchs ging unter anderem auf die Novellierung der Bundesimmissionsschutzverordnung für kleine und mittlere Feuerungsanlagen ein, die Anfang 2022 in Kraft trat. Dieser zufolge dürfen nun bereits stillgelegte Feuerungsanlagen, beispielsweise Ölheizungen, unter bestimmten Bedingungen wieder in Betrieb genommen werden. Es seien hierzu keine langwierigen Genehmigungsverfahren notwendig, sagte Fuchs. Dies gelte auch für Firmen.

2. Landkreisinterne Organisation der Energieeinsparung und -umstellung

Der Landkreis will zudem prüfen, wie man in den vom Kreis betriebenen, beziehungsweise genutzten Schulen, Gebäuden und Anlagen Energie einsparen kann. Hinzu kommt die Erstellung eines Notfallplans für das Landratsamt. Diesbezüglich sind die Sachgebiete Liegenschaftsverwaltung, Hochbau, die zentrale Verwaltung und das Klima-Management eingebunden. Katrin Schallenkammer von der Liegenschaftsverwaltung im Landkreis gab in der Sitzung hierzu einen Überblick.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am gesamten Stromverbrauch bis 2030 von derzeit knapp unter 50 auf mindestens 80 Prozent steigen.
Foto: dpa/Patrick Pleul | Nach dem Willen der Bundesregierung soll der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am gesamten Stromverbrauch bis 2030 von derzeit knapp unter 50 auf mindestens 80 Prozent steigen.

Wie sich dabei herausstellte, spielt Gas in fast allen kreiseigenen Gebäuden eine mehr oder weniger große Rolle (oft im Verbund mit anderen Energieträgern), was die Heizungsanlagen angeht. In manchen Häusern wäre die Umstellung von dort vorhandenen Gasbrennwertkesseln auf Flüssiggas möglich (zum Beispiel im Haus der Schwarzen Berge oder im Gymnasium Münnerstadt). In anderen Objekten des Kreises ist eine Umstellung der Heizanlage technisch nicht möglich (zum Beispiel in der Saaletalschule Bad Kissingen). In weiteren Gebäuden des Kreises will man, was die Brennstoffe angeht, eine Umstellung prüfen (zum Beispiel im Gymnasium und in der Realschule Hammelburg oder in der Berufsschule Bad Kissingen).

Andreas Fuchs: Nicht jedes Dach ist für Solarmodule geeignet

Was die Stromerzeugung angeht, wurde klar, dass man in den meisten kreiseigenen Gebäuden mit einer Photovoltaikanlage (falls noch nicht vorhanden) aufrüsten könnte. Andreas Fuchs von der Bauabteilung gab zu bedenken, dass nicht auf jedem Gebäude die Dachkonstruktion so geschaffen ist, dass man ohne Weiteres Solarmodule anbringen könnte. Interessant ist in diesem Zusammenhang: Der Landkreis durfte in der Vergangenheit nur soviel Strom erzeugen, wie er selbst verbrauchte. Das hat sich nun geändert, sagte Landrat Bold. Der Kreis kann sich jetzt in gewissem Sinn bei der Vermarktung von Energie einbringen, worauf das jüngst angekündigte Regionalwerk abzielt.

3. Krisen- und Notlagen-Management

Das Sachgebiet Öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die Führungsgruppe Katastrophenschutz sind damit betraut, im Rahmen der öffentlichen Sicherheit Notfall-Szenarien durchzuspielen und Antworten darauf vorzubereiten. Denn die Sicherheitsbehörde am Landratsamt ist, so hieß es in der Sitzung, zwischen den entsprechenden Stellen von Bund und Land sowie den Kommunen vermittelnd angesiedelt. Im Landratsamt will man sich jetzt zu diesem Thema eng mit den Städten und Gemeinden abstimmen.

Nach Angaben von Sachgebietsleiter Peter Nietsch gab es bereits erste Sondierungsgespräche zur Energieversorgung mit den drei Stadtwerken des Landkreises.  Als zentrale Botschaft brachte Nietsch mit, dass die Bürgerinnen und Bürger als Endkunden nicht vom Abschalten des Gases betroffen sein sollen. Es gebe eine Prioritätenliste, auf der unter anderem Gewerbebetriebe genannt seien, was mögliche Einsparungen von Energie angeht. Genaue Szenarien gebe es jedoch noch nicht. Die Stadtwerke machten sich nun Gedanken und hätten schon Pläne, sagte Nietsch.

Den Kommunen habe man vorgeschlagen, eventuell Hallenbäder zu schließen, die Heiztemperaturen im Herbst und Winter in ihren öffentlichen Gebäuden zu senken oder falls möglich Öltanks zum Heizen zu reaktivieren. Primäres Ziel bei allen Sparmaßnahmen ist es, laut Nietsch, zu vermeiden, dass Gas zur Herstellung von Strom genutzt wird.

Wie kann man Energie sparen, falls die Gas-Krise im Herbst kommt. Darum ging's unter anderem im Wirtschafts- und Umweltausschuss des Landkreises.
Foto: dpa/Marijan Murat | Wie kann man Energie sparen, falls die Gas-Krise im Herbst kommt. Darum ging's unter anderem im Wirtschafts- und Umweltausschuss des Landkreises.

4. Planungsrecht und Genehmigungsverfahren zur Energiewende

In den Sachgebieten Baurecht, Umweltschutz und Regionaler Planungsverband ist die mittel-, beziehungsweise langfristige Schaffung der planerischen Voraussetzungen für eine nachhaltige Energiewende angesiedelt. Auch die Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energieträger werden dort behandelt.

5. Modelle zur Umsetzung lokaler oder regionaler Wertschöpfung aus Vorhaben der Energiewende

Ein weiteres Ziel des Kreises ist es, bei Einzelvorhaben der Energiewende, wie zum Beispiel der Ansiedlung eines Windparks oder dem Anlegen eines Photovoltaik-Felds,  nicht nur die Pachteinnahmen, sondern die Wertschöpfung hinsichtlich der gesamten Verwertungskette vor Ort zu halten, hieß es im in der Sitzung. Dies sei beispielsweise möglich, wenn die Anlagen von den Gemeinden oder dem Landkreis mit Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung betrieben werden und der erzeugte Strom von den örtlichen Stadtwerken vermarktet wird. Diesbezüglich sind die Sachgebiete Kommunalaufsicht, Kommunalunternehmen und Klima-Management eingebunden.

6. Netzausbau

Beschäftigen will man sich künftig auch intensiv mit den Einspeisemöglichkeiten für regenerative Erzeugungsanlagen vor Ort. Diese sollen mit den Netzbetreibern koordiniert und zügig vorangetrieben werden, war am Montag zu hören. Außerdem müssten die Verfahren zum Ausbau des bundes- und europaweiten Netzes, das betrifft vor allem den SuedLink und die Fulda-Main-Leitung, begleitet werden. Tätig werden sollen diesbezüglich die Sachgebiete Baurecht und Umweltschutz im Landratsamt.

7. Elektromobilität und Lade-Infrastruktur

Die Lade-Infrastruktur für Fahrzeuge der Elektromobilität soll zügig ausgebaut werden. Diesbezüglich könne die  Kreisverwaltung (Regionalentwicklung, Liegenschaftsverwaltung, Klima-Management), wie es hieß, auf entsprechende Fördermöglichkeiten hinweisen und die einzelnen Akteure vernetzen.

 
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  • M. G.
    Wie sagte neulich ein Komödiant: Wenn der Strom ausfällt funktioniert die Ampel nicht mehr. Dann gilt wieder rechts vor links🤓.
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