Ärztemangel auf dem Land beschert Patientinnen und Patienten zunehmend lästige Wege. Der Wohnmobilhersteller Rhön Camp in Schildeck (Lkr. Bad Kissingen) präsentiert dafür jetzt eine Lösung: Die Eigenentwicklung einer rollenden Arztpraxis, mit der Mediziner und Medizinerinnen in Dörfern mit mangelnder Versorgung vorfahren können.
Für Erkrankte wäre dies eine deutliche Erleichterung und für Rhön Camp ein weiteres Standbein für sein Unternehmen mit einer Produktionskapazität von rund 500 Wohnmobilen im Jahr, wie Firmenchef Mario Volklandt sagt. Er ist nun dabei, Interesse für sein Fahrzeugkonzept zu wecken. Zu einer Präsentation hatte er Hausärztinnen und Hausärzte aus dem Raum Bad Brückenau in seine Werkhalle eingeladen.
Wöchentlich in Dörfern vorfahren
Dabei öffnete der Unternehmer die Schiebetüren zu zwei hochwertig ausgebauten Kastenwagen. Die Ärzte und Ärztinnen inspizierten das ausgeklügelte Innenleben der Fahrzeuge samt Liege, Kühlschrank und zwei Monitoren mit lebhaftem Interesse. Die Anwesenden ermunterte Volklandt, individuelle Wünsche zur Weiterentwicklung der etwa 125.000 Euro teuren Prototypen einzubringen. "Ich bin begeistert über die Möglichkeiten", resümierte Dr. Emanuel Fritschka. Der Mediziner hatte gleich eigene Einsatzmöglichkeiten vor Augen.
"Das wäre sehr hilfreich", verwies der Allgemeinarzt auf die unterversorgten Orte rund um die Kurstadt Bad Brückenau, von Motten bis Wartmannsroth: "Da gibt es schon Menschen, die einmal pro Woche einen Arzt sehen wollen."
Gut kann sich Fritschka vorstellen, dass dort ein Arzt oder eine Ärztin an ein oder zwei festen Tagen pro Woche für eine Sprechstunde vorbeikommt. Gerade für jüngere Ärztekolleginnen und -kollegen, die der Technik und den Möglichkeiten der Telemedizin aufgeschlossen sind, sei die gemeinsame Anschaffung eines Fahrzeugs denkbar, meint Fritschka.
Mehr noch: Auch für den Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst sei so eine rollende Praxis interessant. Durch den Platz für Medizinausstattung gebe es im Ärztemobil mehr Behandlungsmöglichkeiten als beim Hausbesuch im heimischen Wohnzimmer, sagt der Mediziner. Natürlich sei das alles auch eine Frage der Finanzierung, gibt Fritschka zu bedenken.
Angesichts der bisherigen Resonanz sieht sich Unternehmer Volklandt mit der Entwicklung auf dem richtigen Weg. "Wir waren regelrecht geflasht von dem Interesse auf der RettMobil in Fulda", berichtete er von seinem ersten Aufschlag mit der mobilen Praxis jüngst bei dieser bekannten Fachmesse für Rettungsfahrzeuge.
Gerade angesichts der Zunahme an Umweltkatastrophen größeren Ausmaßes gewinne die mobile medizinische Versorgung an Bedeutung. Besonders dann, wenn, wie nach einem Hochwasser im Ahrtal, "alles in Schutt und Asche liegt".
Im Alltagsbetrieb sei angedacht, dass nicht immer der Arzt oder die Ärztin mit auf Diagnose-Tour gehen muss, sondern dass er oder sie via Kameras aus der stationären Praxis zugeschaltet werden kann. Damit der mit sieben Metern Länge relativ kompakte Kastenwagen auch von Arzthelferinnen oder Arzthelfern mit wenig Fahrpraxis bewegt werden kann, sollte das Gewicht 3,5 Tonnen nicht übersteigen. So kann er mit dem gewöhnlichen Autoführerschein gefahren werden.
Am Anfang eine Meinungsumfrage
Dabei war die Entwicklung der rollenden Praxis, laut Volklandt, nicht aus der hohlen Hand gegriffen. Begonnen habe man die Planung gemeinsam mit dem Helios-Konzern, der den Bedarf dafür mit einer, nach eigenen Angaben, "repräsentativen Umfrage" des Meinungsinstitutes Forsa untermauerte.
"Ein Drittel der Befragten, in deren Region kein mobiles Gesundheitsangebot existiert, würde sich ein solches Angebot wünschen", zitiert Volklandt aus der Erhebung. Nach Meinung der Befragten sollte eine mobile Arztpraxis wöchentlich (38 Prozent) oder sogar täglich (16 Prozent) in der Gemeinde oder Stadt Halt machen, heißt es bei Forsa.
Für gut die Hälfte der Befragten (54 Prozent) ist laut der Umfrage die physische Anwesenheit eines Arztes zwingend erforderlich. 38 Prozent akzeptieren auch eine medizinische Fachkraft vor Ort, wenn ein Arzt oder eine Ärztin bedarfsweise per Video zugeschaltet werden kann. Jüngere zeigen hierfür eine deutlich höhere Akzeptanz (50 Prozent).
Landrat Thomas Bold, der bei der Vorstellung der mobilen Praxis anwesend war, lobte die Innovationskraft des heimischen Herstellers. Er sieht in dem Fahrzeug eine Möglichkeit für mehr Flexibilität im Gesundheitswesen auf dem Land. Dabei sieht er potenzielle Synergien mit dem Zentrum für Telemedizin in Bad Kissingen, das die Einsatzmöglichkeiten für Ferndiagnosen fortentwickelt.
So eine rollend Praxis wäre sicherlich auch für Tierärzte interessant.