
Wenn jemand nicht ein absolut langweiliger Typ ist, dann hat er im Lauf einer so langen Zeit schon wegen der verschiedenen Studentengenerationen auch auf verschiedenen Gebieten gearbeitet. Hinzu kommt, dass ich Romanist bin und das bedeutet ja schon vor der Struktur des Faches her Pluralität.
Gumbrecht: Ich habe angefangen mit französischer Literaturgeschichte, aber mittlerweile sind auch die spanische, portugiesische, italienische und sogar die amerikanische und die deutsche Kultur für mich wichtig geworden. Außerdem arbeite ich intensiv historisch. Das heißt, die Alterität, das Anderssein der Vergangenheit, fasziniert mich sehr. Wenn Sie mich hingegen nach der Gegenwartsliteratur fragen, so weiß ich eigentlich weniger als der normal gebildete Zahnarzt.
Gumbrecht: Nicht weil ich die Gegenwartsliteratur oder Gegenwartskultur nicht für interessant halte, sondern weil ich einfach primär historisch arbeite. Neben meiner Professur in Stanford an der Uni, die für mich im Zentrum steht, versuche ich mich als öffentlicher Intellektueller. Als solcher hat man stark konturierte Meinungen zu vielen Fragen und Themen.