Hebestreit: Häufig wird Menschen mit seltenen Erkrankungen nicht geglaubt, dass sie krank sind. Sie gelten als Simulanten. Dann heißt es: ,Stell dich doch nicht so an!‘ Das ist eine zusätzliche Belastung, die psychosomatische Beschwerden auslöst. Allein wenn wir in Betracht ziehen, dass die Menschen, die zu uns kommen, tatsächlich unter einer seltenen Erkrankung leiden könnten, nimmt das den Druck ein Stück weit weg. Wir versuchen natürlich allen Patienten zu helfen, auch wenn wir keine Diagnose finden. Wenn wir aber für ihr Problem einen Namen haben, ist das eine große Erleichterung.
Bei der Hypophosphatasie war die Uniklinik an der Entwicklung eines Medikamentes beteiligt, das 2015 zugelassen wurde. Wie sehen die Behandlungsmöglichkeiten bei anderen seltenen Erkrankungen aus?
Hebestreit: Für die meisten Erkrankungen gibt es sicher nicht die magische Pille, aber wenn klar ist, wie eine Krankheit entsteht, wird versucht spezifische Therapien zu finden. Maßgeblich dabei ist bei vielen Erkrankungen wie der Hypophosphatasie, defekte Eiweißstoffe zu ersetzen oder eine gestörte Funktion wieder herzustellen beziehungsweise günstig zu beeinflussen. Dieses Konzept gilt auch für manche andere Stoffwechselerkrankungen. Früher war ein solches Vorgehen noch nicht möglich, weil man die Gesamtzusammenhänge nicht verstanden hatte.