Ist eine Gefahr, die nicht sofort erkennbar ist, noch angsteinflößender?
Messner: Ja, denn wir haben geglaubt, in unseren Städten könne nichts mehr passieren. Mit dem Flugzeugangriff auf die Twin Towers in New York 2001 ist den meisten Menschen klar geworden: Die größten Städte sind die unsichersten Orte der Welt. Unsere Hochtechnologie wird inzwischen als Waffe benutzt – zum Beispiel das Internet, das wie ein einziger Strom durch die ganze Welt fließt. Wir haben uns Sicherheiten geschaffen, die jetzt als Waffe dienen können.
Wie geht man Ihrer Meinung nach am besten mit der Angst um?
Messner: Ich lebe während meiner Abenteuer in einer archaischen Welt. Das ist nicht die Stadtkultur. Hier gibt es keine Pseudosicherheit. Es gibt überhaupt keine Sicherheit. Ich muss mir die Sicherheit erarbeiten. Sie ist in mir drin. Ich kann hier und dort absichern. Aber in erster Linie muss ich alles, was ich tue, hundertprozentig beherrschen. Heute ist der Gipfel des Mount Everest ein sicherer Platz als das Zentrum von München. Wenn ich durch München laufe, muss ich die Augen offenhalten, ob irgendjemand einen Sprengsatz hinterlegt. Natürlich mache ich das in München nicht, weil ich keine Notwendigkeit darin sehe.
Wenn ich dagegen auf den Mount Everest steige, bin ich ununterbrochen wach und prüfe: Kann eine Lawine abgehen? Kommt ein Sturm auf? Bin ich noch hundertprozentig fit? Habe ich alles dabei? Dort bin ich hundertprozentig für das, was ich tue, verantwortlich. Das ist der Unterschied einer archaischen Welt zur Stadtkultur.
Das heißt, das Gefühl der Sicherheit ist trügerisch und eigentlich nur eine Utopie?
Messner: Das sehe ich anders. Die Sicherheit wohnt in mir. Sicherung dagegen brauche ich nur, wenn ich unsicher bin oder einen Fehler mache. In der heutigen Stadtkultur – im Gegensatz zur Abenteuerkultur – kann ich die Bedrohung nicht sehen, nicht hören, nicht riechen. Das ist das Problem. Früher konnte mir ein Ziegel vom Dach auf den Kopf fallen. Heute sind die Gefahren viel versteckter.
Wenn Sie alleine und ohne Sauerstoff auf dem Gipfel eines Achttausenders in der Todeszone stehen: Was empfinden Sie?