In den Wochen vor Weihnachten vergeht kaum ein Tag, an dem das Lied nicht irgendwo aus Kehlen oder Lautsprechern schallt. Kinderchöre singen es auf Weihnachtsmärkten, es wird im Radio gespielt, in evangelischen und katholischen Kirchen an Weihnachten gleichermaßen gerne gesungen. Keine Frage, gäbe es eine Hitliste der bekanntesten und beliebtesten deutschen Weihnachtslieder, „O du fröhliche“ würde sich mit „Stille Nacht“ ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Spitzenplatz liefern. Kein Wunder, die Melodie ist eingängig, der Text ist leicht zu merken. Aber, was wohl kaum jemand weiß, „O du fröhliche“ ist ein Weihnachtslied, das eigentlich gar keines sein sollte. Und entstanden ist es in einer Zeit, die alles andere als fröhlich war.
In Weimar herrschten Anfang des 19. Jahrhunderts Not und Elend. Die Völkerschlacht von Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813) hatte Zehntausende Opfer gefordert, und die Stadt stand noch unter dem Eindruck der französischen Besatzung. Die Nahrung war knapp, es gab schwere Krankheiten und viele verwaiste und verwahrloste Kinder, die ohne Perspektive auf der Straße lebten. „Die Bedrohung für die Menschen war damals eine ganz andere als heute.