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WÜRZBURG
Albtraum Altenheim - Was Pflegekräfte in der Region leisten
Anjoulih Pawelka
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:32 Uhr

Selbstbewusst, mit offenem Blick sitzt Meike Beer am Esstisch. Ihre Stimme ist tief und klar. Meike Beer heißt nicht wirklich Beer, aber das, was sie zu erzählen hat, möchte sie lieber anonym tun – das erspare Ärger. Sie sei ihrer Chefin schon seit längerem ein Dorn im Auge, meint die junge Frau.

Seit vielen Jahren arbeitet Meike Beer schon im Seniorenheim, irgendwo in der Nähe von Würzburg. Oft gehe sie frustriert nach Hause, mit dem Gefühl, den Bewohnern nicht gerecht zu werden. An besonders schlimmen Tagen setzt sie sich hin und schreibt sich ihren Frust von der Seele. So sind schon einige Texte entstanden. Den letzten hat sie an diese Redaktion geschickt. Beer sagt, sie möchte damit zum Nachdenken anregen.

Alle Namen in ihrem Text sind frei erfunden, die Ereignisse nicht. Sie stammen alle aus ihrem Arbeitsalltag als Altenpflegerin. Beer hat sie in einem Text zusammengefasst und aus Sicht einer Bewohnerin geschrieben.

Eine fiktive Bewohnerin erzählt

„Um sechs Uhr ist die Nacht zu Ende. Der Pfleger kommt ins Zimmer, meist ohne zu klopfen, macht ohne Vorwarnung das Licht an und grüßt mit einem mürrischen ,Morgen‘. Du weißt nie, wer dich heute pflegt. Kommt die freundliche, aber gestresste Schwester Anne? Oder der dauermürrische Norbert? Die aufgedrehte Ellen? Die rabiate Uschi? Ich weiß es nicht. Es ist jeden Tag eine Überraschung. Und es macht mir Angst. Ich komme nicht mit jedem zurecht. Und ich bin alt. Das Alter macht es mir manchmal schwer zu denken, zu reden, zu handeln. Ich kann nicht mehr so wie früher.“

Die Frühschicht sei am anstrengendsten, sagt Meike Beer. Eigentlich beginne die Schicht um sechs Uhr und gehe bis 14.30 Uhr. Die erste Pflegekraft komme aber immer schon um 5.30 Uhr, um eine richtige Übergabe mit der Nachtschicht zu machen. Diese halbe Stunde ist Freizeit. Um Überstunden abzubauen, gibt es in Meike Beers Seniorenheim Schichten, die unter der Hand vergeben werden. Bei teilweise 400 bis 500 Überstunden pro Pflegekraft wirkt das wie ein verzweifelter Versuch, irgendetwas zu tun.

Zu Beginn der Frühschicht arbeitet eine Person alleine, denn Verstärkung kommt erst ab 6.30 Uhr. Vier Schwestern sind dann für knapp 40 Bewohner zuständig. Am Wochenende seien es sogar nur drei. Da brauchen die Bewohner wohl weniger Pflege, vermutet Beer mit einem verzweifelten Lachen.

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