In einem Regal steht ein Glas mit grobkörniger, schwarzer Kohle, wenige Zentimeter neben ihr ein weiteres Glas mit Kakaoschalen. Auf beiden prangt der Firmenname "Circular Carbon". Der Würzburger Unternehmensgründer Felix Ertl will mit diesen Produkten die Schokoladenindustrie revolutionieren und das Klima schonen.
Seit zwei Jahren arbeitet der 35-Jährige an seinem Projekt. Im Juni 2018 gründete er mit einem Norweger, einem Finnen und einem Engländer "Circular Carbon". Ein Jahr später bekam er den Würzburger Start-up-Preis.
Im Boden verbessert die Kohle das Pflanzenwachstum
In Norddeutschland produziert "Circular Carbon" Kohle aus Kakaoschalen. Dort sitzt das Unternehmen in derselben Straße wie eine Schokoladenfirma. Eine Rohrbrücke verbindet beide Firmen. Über die liefern die Schokoladenhersteller die Schalen an Ertls Start-up. Dort entsteht bei der Kohleproduktion ein Gas, aus dem Dampf erzeugt wird, das an die Schokoladenfirma zurückliefert wird. Ertl sagt, der Dampf ersetze etwa 80 Prozent des Bedarfs für die Schokoladenproduktion. Etwa 8000 Tonnen CO2 pro Jahr würden so eingespart.
Ertl studierte Nachhaltige Verfahrenstechnik in Schweden, später Maschinenbau in Schweinfurt. 2010 hat der Würzburger sein erstes Unternehmen gegründet: Es produzierte Strom aus Maiskolben für ländliche Gebiete in Afrika. Das Verfahren ähnelt dem der Verarbeitung der Kakaoschalen, auch damals entstand Kohle. Die Idee damals: die Kohle vergraben und so das Pflanzenwachstum verbessern. Das Konzept wurde von der Weltbank sowie schwedischen und finnischen Organisationen gefördert. "Ein Moment ist mir noch in Erinnerung, als aus einem Riesenhügel an Pflanzenkohle eine richtig große Bananenstaude rausgewachsen ist und wir gesagt haben: Jetzt müssen wir endlich mal was machen. Wir wussten: Es ist kein Abfall, es hat einen Wert", sagt Ertl.
Je nach Anwendung werde die Kohle unterschiedlich behandelt, sagt Ertl. 55 Varianten gibt es laut dem Schweizer Ithaka Institut. "Circular Carbon" konzentriert sich auf die Landwirtschaft. Dort verbessere die Kohle zum Beispiel als Einstreu die Hygiene in Ställen, indem sie toxische Stoffe wie Ammoniak bindet, oder senke als Futterzusatz bis zu 40 Prozent der Methanemissionen von Kühen. "Eine Kuh hat einen CO2-Fußabdruck im Jahr von drei Tonnen. Das ist schon erheblich, wenn man überlegt, wie viele Kühe wir haben", sagt Ertl.
Als spezieller Boden sorge die Kohle zudem für ein besseres Pflanzenwachstum. "Man muss sich die Kohle vorstellen wie einen Schwamm, der Wasser aufsaugt", sagt Ertl. Sie nehme das Fünffache ihres Gewichts an Wasser und Nährstoffen für die Pflanze auf.
3500 Tonnen Kohle pro Jahr
Bei der Produktion filtert "Circular Carbon" CO2 aus der Atmosphäre und verkapselt es in der Kohle. Etwa 3500 Tonnen Kohle produziert das Unternehmen, 3,67 Tonnen CO2 würden pro Tonne Kohle vermieden. Ertl geht es um einen ökologischen Anspruch: "Wir sind leider so spät dran, aktiv etwas gegen den Klimawandel zu machen, dass wir nur noch so unsere Lebensgrundlage retten können", sagt er. Ab 2030 müssten die CO2-Emissionen dafür negativ sein.
Aus der Wissenschaft gebe es dazu verschiedene Vorschläge, wie die Einlagerung von CO2 in Salzstollen in der Erde. Ertl nennt so etwas "erschreckende Szenarien": "Wenn da CO2 austritt, zerstört es die ganze Umgebung, weil es ein tödliches Gas ist." Die Verkapselung in Kohle sei die bisher einzige wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit für negative Emissionen.
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"Circular Carbon" verkauft die Kohle an Unternehmen wie die Schweinfurter Firma "Terra Magica", in Bigpacks von etwa einem Kubikmeter mit 1000 Litern Erde. "Das ist für einen Hobbygärtner einfach viel zu viel", sagt Ertl. Ein Landwirt brauche etwa sechs Bigpacks im Jahr.
Eine Tonne Kohle koste aktuell 1000 bis 1500 Euro. "Die einfach auf das Feld zu kippen, ist für einen Landwirt wirtschaftlich nicht machbar", sagt Ertl. Die Fruchtbarkeit des Bodens steige zwar, sagt Gunter Häckner von "Terra Magica". Aber: "Der wirtschaftliche Ertrag pro Hektar rechtfertigt nicht das Vergraben großer Mengen." Da setze die Futterkohle an. Eine geringe Menge an Futter für Kühe reiche aus, um den Boden später durch natürlichen Dünger zu verbessern.
Auch Häckner treibt ein ökologischer Ansatz an. "Wir müssen unser Leben umstellen, das ist einfach so", sagt er. Das betreffe neben dem Autofahren auch die Lebensmittelproduktion. Für Kohle gebe es "riesige Rohstoffmengen", zu Kakaoschalen kämen zum Beispiel Maisstelzen oder Kokosnussschalen.
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Die Finanzierung seines Projekts sei anfangs schwierig gewesen, sagt Ertl. Es gehe um Investitionen von mehreren Millionen Euro. "Wir haben natürlich eine Weile gekämpft." Die Gründer von "Terra Magica" hätten einiges investiert, ein Fonds steige jetzt in das Start-up ein.
Und in der Zukunft? Ertl möchte international Kohle produzieren. In Norddeutschland stehe die "Pilotanlage, um zu zeigen, wie es funktioniert. Wir wollen die ganze Schokoladenindustrie auf den Kopf stellen". In Kooperation mit der Schokoladenfirma, die weltweit 50 Standorte hat, will Ertl sein Konzept in Kakao-Anbaugebieten umsetzen. Die Kakaofrucht, die es dort gebe, eigne sich gut zur Herstellung von Kohle. Außerdem seien die Böden dort zerstört. Ertl will sie wieder fruchtbar machen.
Ein "Klimaboden" für Würzburg
Ist das realistisch? "Wie weit wir kommen, da kann ich nur in die Sterne gucken. Das ist, glaube ich, die Aufgabe unserer Generation. Wir müssen viel größer denken", sagt Ertl. "Wir müssen die Schäden, die in den letzten 50 Jahren an unserer Lebensgrundlage stattgefunden haben, reparieren und zwar innerhalb kürzester Zeit. Wir haben nicht mehr 50 Jahre Zeit."
Neben dem "Schokoladenprojekt", wie Ertl es nennt, hat der 35-Jährige eine Vision für Würzburg: In einem "Klimaboden" soll ein Stadtwald entstehen. Der Boden versorge Pflanzen besser mit Luft, Wasser und Nährstoffen. Die Stadt sei interessiert, einen Symbolbaum hat Ertl mit Oberbürgermeister Schuchardt bereits gepflanzt. In Würzburg sei das "extrem notwendig", sagt Ertl. Im vergangenen Jahr seien viele Bäume gestorben. "Letztendlich müssen alle Dächer begrünt werden, jede Fassade, jede Fläche, die irgendwie frei ist. Das ist die Mindestvoraussetzung, damit wir die Stadt lebensfähig erhalten."