Die letzte Mutter der Anlage, die in einem großen Container eingebaut ist, ist angezogen, der Probebetrieb positiv verlaufen. "Alles passt perfekt, Auftrag ausgeführt!" , Diplom Ingenieur Peter Wieczorek und sein Team mit Volker Hahn von der Firma Renergie Systeme am Hohen Markstein in Bad Königshofen freuen sich über ein gelungenes Projekt: Eine Anlage zur Hydrothermalen Carbonisierung (HTC), die aus verschiedener Biomasse wie Laub, Stroh, Klärschlamm oder Gärresten, Kohle produziert.
Ein langer Weg
Es war ein langer Weg, sagt Peter Wieczorek und erinnert an das Jahr 2006, als er von einem Versuch von Professor Antonietti in Potsdam erfuhr. Dieser hatte in einem Dampfkochtopf Kohle hergestellt. In den Jahren 2007 bis 2008 entstand eine Pilotanlage und heute wird vor allem pflanzliche Biomasse verarbeitet.
Die Hydrothermale Carbonisierung (HTC) ist ein Verfahren, bei dem Biomasse in wässriger Lösung bei Temperaturen zwischen 180-250ºC und erhöhtem Druck im geschlossenen System in Biokohle (HTC-Kohle) überführt wird. Die HTC-Kohle hat Eigenschaften ähnlich wie Braunkohle und kann als Energieträger aber auch zur Bodenverbesserung oder als Aufnahmemedium in der Abwasserreinigung eingesetzt werden.
Die Bad Königshofener Anlage hat ein Fassungsvermögen von 50 Litern. Pro Tag können je nach Art der herzustellenden Kohle bis zu 400 Kilogramm Biomassenmaische verarbeitet werden. Chemisch gesehen ist der Kohlenstoff irgendwo zwischen Torf, Braunkohle und Steinkohle anzusiedeln. Die Konsistenz ist eher die von Torf.
Teil eines EU-Forschungsprojekts
"Wir sind immer an dem Thema dran geblieben, haben geforscht, verbessert und erhielten 2016 die Chance in Zusammenarbeit mit dem Umweltforschungszentrum Leipzig an einem EU-Forschungsprojekt Teil zu nehmen und eine HTC Anlage zu bauen, die aus den verschiedensten Materialen Kohle produziert. Das vorgegebene Thema war die Reinhaltung von Wasser und Abwasser. "Horizon 2020 INCOVER" nennt sich das Projekt. An Incover sind 15 Partner aus verschiedenen Ländern der EU beteiligt.
So entstand in den vergangenen Jahren die nun fertig gestellte Anlage, die, weil sie in einem Container untergebracht ist, mühelos zum jeweiligen Einsatzort transportiert werden kann. Verschiedene Versuche wurden in den vergangenen Jahren "gefahren", um Brennmaterial und auch Bodenhilfsstoffe zu entwickeln. Bei den Versuchen stellte sich heraus, dass es bei manchen Ausgangsstoffen schwierig ist, Aktivkohle herzustellen.
70 Prozent weniger Energie
Bei verschiedenen Versuchen mit Klärschlämmen und mit Gärresten einer Biogasanlage war als Nebeneffekt festzustellen, dass sich die Schlämme problemlos absetzten. Damit ist eine deutlich besser Entwässerbarkeit der Schlämme gegeben, eine enorm wichtige Erkenntnis im Zusammenhang der aktuellen Klärschlamm Entsorgungsproblematik. In der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC), werden die Schlämme sterilisiert und damit Keime und Bakterien beseitigt. Zudem fanden Forscher der Hochschule in Zürich heraus, dass sich der Energieaufwand für das Trocknen von Klärschlamm nach HTC Behandlung um 70 Prozent reduzierte.
So kam der Diplom-Ingenieur auf die Idee mit dem Klärwärter der Bad Königshofener Kläranlage Kontakt aufzunehmen. Derzeit kann der Klärschlamm noch auf den Feldern der Landwirte ausgebracht werden, sollte aber nicht mit dem sogenannten Flockungsmittel durchsetzt sein. Deshalb fuhr Peter Wieczorek Klärschlamm aus Bad Königshofen in die HTC Anlage und stellte eine Trennung zwischen der Flüssigkeit und dem Feststoff fest. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der chemische Sauerstoffbedarf des Prozesswassers noch zu hoch. Bei weiteren Versuchen wurden die Prozessparameter soweit angepasst, dass es den Richtlinien des normalen Abwassers entspricht und sich der Schlamm trotzdem schnell absetzt.
Patentlösung
Im Container war die Versuchsanlage mühelos per Kran und Tieflader in der Königshofener Kläranlage abzusetzen. Dort könnten weitere Versuche stattfinden. "Wenn uns das im Großen gelingt, was wir bisher im Kleinen erreicht haben, wäre dass die Patentlösung für die Kläranlagen, die den Schlamm aktuell landwirtschaftlich entsorgen müssen." Aus der Sicht von Diplom Ingenieur Peter Wieczorek, dass sich das Projekt in zweifacher Hinsicht gelohnt, was aber nur durch die Superförderung möglich war. "Wir haben das vorgegebene Thema ausgeweitet und einen positiven Effekt erzielt." Nun wird man in Zusammenarbeit mit dem Umweltforschungszentrum Leipzig das weitere Vorgehen erörtern.