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Oberthulba
Terra Preta: Gärtnern mit der Wundererde
Geniale Idee für den Garten oder völliger Quatsch? Ein Hobbygärtner aus Oberthulba (Lkr. Bad Kissingen) zeigt, wie man "schwarze Erde" selbst herstellt und was man damit anfängt.
Reiche Ernte im Garten in Oberthulba: Norbert Schmäling gärtnert nach dem Prinzip Terra Preta. Die Pflanzenkohle stellt er selbst her.
Foto: Karlheinz Haase | Reiche Ernte im Garten in Oberthulba: Norbert Schmäling gärtnert nach dem Prinzip Terra Preta. Die Pflanzenkohle stellt er selbst her.
Karl-Heinz Haase
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 22.08.2019 02:10 Uhr

Besuch im Gemüsegarten von Norbert Schmäling. Die Pflanzen strotzen nur so vor Kraft – riesige Kohlblätter, dicke Bohnen, Kartoffeln dicht an dicht. Die Beete neben seinem Wohnhaus in Oberthulba (Lkr. Bad Kissingen) sind beeindruckend. Schmäling spricht von einem "Selbstversorger-Garten mit allem außer Getreide". Auffallend: Es gibt fast keinen Quadratzentimeter blanke Erde. Die Möhren, Schwarzwurzeln, Tomaten- und Gurkenpflanzen, alle Arten von Kraut und der Spargel sind eingebettet in eine dicke Mulchschicht aus Grasschnitt und anderen organischen Kleinteilen.

Was man den Beeten des Hobbygärtners nicht gleich ansieht: Sie enthalten Terra Preta. Terra Preta ist Portugiesisch, heißt schwarze Erde und besteht aus einer Mischung von Holzkohle, Dung und Kompost. Das Hauptverbreitungsgebiet der äußerst fruchtbaren Terra Preta liegt im Amazonasgebiet. Sie findet sich dort, wo die Ureinwohner lebten und Feldbau betrieben.

Gegen den Klimawandel 

Das Thema ist Trend. In jüngerer Zeit gibt es regelrechte Terra-Preta-Jünger, für die die Humusherstellung mit Pflanzenkohle fast schon Glaubenssache geworden ist. Die Idee: Mit Terra Preta könne ein Beitrag geleistet werden zur weltweiten Nahrungssicherung. Und die schwarze Erde  könne das Klima retten, indem CO2 dauerhaft gebunden wird. Ganz so weit geht Schmäling indes nicht. Aber er sagt: "Es ist das i-Tüpfelchen meiner naturnahen Gärtnerei."

Rückblende: Anfang Mai hat Schmäling in seinen Garten eingeladen, um Interessierte den ersten Schritt hin zu Terra Preta miterleben zu lassen. Voller Entzücken wirft er eine Schachtel Nussschalen ins Feuer: "Auch die eignen sich gut, um Terra Preta herzustellen." Im Zentrum des Geschehens steht "Kon-Tiki", ein Gebilde, das einem runden Grill ähnelt. Bei näherem Hinsehen ist in der Mitte ein Kessel aus Stahlblech zu erkennen, der nach unten spitz zuläuft. Darin brennen hauptsächlich Holzreste, vom Baumschnitt zum Beispiel.

Kein Grill, sondern ein Kessel zur Holzkohle-Produktion: Norbert Schmäling beim Terra-Preta-Fest in seinem Garten.
Foto: Karlheinz Haase | Kein Grill, sondern ein Kessel zur Holzkohle-Produktion: Norbert Schmäling beim Terra-Preta-Fest in seinem Garten.

Dazu gibt es Würstchen, Steaks, Bier und eigenen Apfelsaft. Den Kessel von "Kon-Tiki" umzieht ein Edelstahlblech mit einem drei Finger breiten Abstand: Die spezielle Luftzufuhr soll die Verbrennung effizienter machen: "In diesem Zwischenraum zieht Luft nach oben und gelangt dann oben in den Kessel", erklärt Schmäling.

Nicht nur Holz als Grundstoff

Die entstehende Pflanzenkohle ist unerlässlicher Bestandteil von Terra Preta. Pflanzenkohle wurde zum offiziellen Begriff für das Produkt erhoben, denn neben Holz können auch andere organischen Reste der Grundstoff sein, wie zum Beispiel Stroh. Freilich könnte man auch einfach Grillkohle kaufen. Doch dafür werde häufig Raubbau betrieben, sagt Schmäling. Importiert aus Südamerika, werde sie beispielsweise in Polen abgefüllt und gelte dann als europäisches Produkt.

Selbst hergestellte Pflanzenkohle ist bei Norbert Schmäling die Basis für die fruchtbare Terra Preta.
Foto: Karlheinz Haase | Selbst hergestellte Pflanzenkohle ist bei Norbert Schmäling die Basis für die fruchtbare Terra Preta.

An der Oberfläche verbrennen wie in einem Feuerteppich nur die leichtflüchtigen Bestandteile des Holzes, die Pyrolysegase. Immer wieder sorgt Schmäling für Nachschub. So erhält er oben das Feuer, während die darunter liegenden Schichten keinen neuen Sauerstoff mehr bekommen.

Die erzeugte Pflanzenkohle besteht im Wesentlichen aus Kohlenstoff. Sie ist porös und verfügt über eine riesige Oberfläche – bis zu 300 Quadratmeter pro Gramm. Ein Grund, warum es so viele Anwendungsmöglichkeiten gibt, nicht nur als Grillkohle, sondern auch als Filter für Wasser oder in Gasmasken, zum Desinfizieren, als Zahnpulver oder anderweitig als Poliermittel, als Adsorpionsmittel bei Durchfall in Form von Kohletabletten.

Pflanzenkohle muss "aufgeladen" werden

Zurück in den Garten: Bei seiner kleinen Vorführung erzeugt Norbert Schmäling geschätzt 20 bis 30 Liter Pflanzenkohle. 70 bis 100 Liter brauche er für eine Mischung mit einem Kubikmeter Kompost, sagt er. Am Ende der Kohleherstellung wird der Brand über den Wasseranschluss des "Kon-Tiki" von unten rauch- und staubfrei gelöscht. Würde man Wasser oben hineinkippen, so wäre das mit einer großen schwarzen Wolke verbunden. 

Die Pflanzenkohle muss "aufgeladen" werden, bevor sie auf die Beete kommt. Das geschieht bei Norbert Schmäling in zwei Komposthaufen, die gleich am Eingang der riesigen Gemüsefläche sitzen. Daneben ein Häuflein Holzkohle mit einem Stampfer: "Mit dem reibe ich gleichzeitig, während ich stampfe." Lagenweise schichtet er Grasschnitt, Häckselgut, Pflanzenkohle und Küchenabfälle übereinander. Ist die Pflanzenkohle einmal eingebracht, bleibe sie relativ dauerhaft im Boden und müsse nicht jedes Jahr neu hinzugefügt werden. Nötig sei es allerdings, jährlich wieder Nährstoffe einzubringen.

Gegossen wird fast nie

Der Hobbygärtner deutet auf das Nachbargrundstück. "Die bringen ihren gesamten  Grasschnitt zu mir. Und das machen andere auch, bevor sie ihn irgendwo kostenpflichtig abgeben." Möglich wäre es auch, die Holzkohle mit Mist oder Jauche zu vermischen. Ist der Kompost reif, setzt Schmäling die nährstoffreiche Mischung bis zu 70 Zentimeter hoch auf  dem Beet auf. Innerhalb eines Jahres sackt das Material dann auf rund zehn Zentimeter zusammen. Was den Garten neben dem starken Wuchs der Pflanzen noch besonders macht: "Gegossen wird fast nie", sagt Schmäling. Die Mulchschicht halte die Feuchtigkeit, die Krume darunter sei locker.

Ab in den Kompost, um Nährstoffe zu tanken: Norbert Schmäling zerreibt die Pflanzenkohle zu feinen Stückchen.
Foto: Karlheinz Haase | Ab in den Kompost, um Nährstoffe zu tanken: Norbert Schmäling zerreibt die Pflanzenkohle zu feinen Stückchen.

Der Oberthulbaer gräbt auch nie um. Stattdessen sticht er mit einem Gerät, das vier Zinken hat, in den Boden. Dann zieht er die beiden Stiele des speziell angefertigten Werkzeugs nach unten, um die Erde zu "lüften". Er versuche, sich auf den Klimawandel einzustellen: "Ich besorge mir Samen von alten italienischen Bauern und ziehe alles selbst vor."

Endergebnis: dicke Bohnen!
Foto: Karlheinz Haase | Endergebnis: dicke Bohnen!
Pro und Contra Terra Preta
Terra preta heißt im Portugiesischen "schwarze Erde" und ist die Bezeichnung für einen fruchtbaren Boden, den man im Amazonasbecken findet. Er entsteht durch langjährigen Eintrag von Asche, Biomasse, Küchenabfällen, Verkohlungsrückständen, pyrogenem Kohlenstoff, Knochen, Dung und menschlichen Fäkalien. Durch Mikroorganismen und Bodentiere wird organische Substanz teilweise abgebaut, stabilisiert und in die Tiefe verlagert. So entstehen bis zu zwei Meter mächtige  Schichten, die hervorragende Voraussetzungen für intensive und nachhaltige Landwirtschaft in den feuchten Tropen bieten. 
Argumente dagegen:  
Der BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland) steht der Terra Preta beziehungsweise Pflanzenkohle eher kritisch gegenüber. Die Befürchtung: Es könnte in großem Maßstab eine Art Pflanzenkohle-Industrie entstehen, für die in großem Maßstab eigens Biomasse angebaut wird. Forciert würde das, wenn die Einlagerung von Kohlenstoff über Pflanzenkohle in den Boden in den Emissionshandel eingebunden würde. Durch die Erfahrungen mit Agrarsprit und Biogas ist der BUND "gebranntes Kind".  Außerdem verweist der Umweltverband auf Emissionsprobleme bei der Zersetzung: Holzige Abfälle solle man besser in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung verstromen. 
Dazu komme ein riesiger Bedarf an Pflanzenkohle, wollte man die schwarze Erde auf einem Großteil der Äcker nutzen. Laut BUND stünden nur rund zwei Millionen Tonnen zur Verfügung, wollte man die Rohstoffe aus umweltverträglichen Quellen beziehen, beispielsweise aus Grünschnitt von Flächen, die abgemagert werden sollen. Daher sollte Pflanzenkohle nur in Sonderkulturen oder im Gartenbau eingesetzt werden. Der BUND propagiert stattdessen eine Erhöhung des Humus-Anteils im Boden durch Mist und Kompost, intensiven Zwischenfruchtanbau und ausgewogene Fruchtfolgen.
Laut Düngemittelverordnung darf Pflanzenkohle in Deutschland nicht auf Felder ausgebracht werden, anders als in der Schweiz. Dr. Claudia Kammann, Professorin für Klimafolgenforschung an der Hochschule Geisenheim, warnt davor, Pflanzenkohle als Allheilmittel darzustellen: „Wenn der Boden bereits gut ist, kann durch Terra Preta die Leistung kaum noch gesteigert werden.“
Argumente dafür:
Laut Bruno Glaser, Professor für Bodenbiogeochemie an der Universität Halle und  überzeugter Verfechter von Terra Preta, führt der Einsatz von Pflanzenkohle im Schnitt zu einem zehn Prozent besseren Pflanzenwachstum, bei Bäumen im Schnitt sogar um 20 Prozent.
Der Kohlenstoff aus Pflanzenkohle wird langfristig im Boden gespeichert. Das wirke dem Klimawandel entgegen. Laut Glaser profitieren Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze von der Zugabe von Pflanzenkohle. Studien zufolge wird außerdem weniger Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen. Die Wasserspeicherfähigkeit ist durch die poröse Pflanzenkohle erhöht, der Boden verdichtet nicht so schnell.
Bei mageren Böden kann der Einsatz einiges bewirken: Pflanzenberater Dr. Herbert Siedler vom Landwirtschaftsamt Würzburg berichtet von einem Versuch mit Terra Preta auf weniger fruchtbaren Sandböden in der Kitzinger Gegend, der dank der Fähigkeit, Wasser zu speichern und Nährstoffe zu mobilisieren, zu einem deutlichen Mehrertrag führte. 
 
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