Besuch im Gemüsegarten von Norbert Schmäling. Die Pflanzen strotzen nur so vor Kraft – riesige Kohlblätter, dicke Bohnen, Kartoffeln dicht an dicht. Die Beete neben seinem Wohnhaus in Oberthulba (Lkr. Bad Kissingen) sind beeindruckend. Schmäling spricht von einem "Selbstversorger-Garten mit allem außer Getreide". Auffallend: Es gibt fast keinen Quadratzentimeter blanke Erde. Die Möhren, Schwarzwurzeln, Tomaten- und Gurkenpflanzen, alle Arten von Kraut und der Spargel sind eingebettet in eine dicke Mulchschicht aus Grasschnitt und anderen organischen Kleinteilen.
Was man den Beeten des Hobbygärtners nicht gleich ansieht: Sie enthalten Terra Preta. Terra Preta ist Portugiesisch, heißt schwarze Erde und besteht aus einer Mischung von Holzkohle, Dung und Kompost. Das Hauptverbreitungsgebiet der äußerst fruchtbaren Terra Preta liegt im Amazonasgebiet. Sie findet sich dort, wo die Ureinwohner lebten und Feldbau betrieben.
Gegen den Klimawandel
Das Thema ist Trend. In jüngerer Zeit gibt es regelrechte Terra-Preta-Jünger, für die die Humusherstellung mit Pflanzenkohle fast schon Glaubenssache geworden ist. Die Idee: Mit Terra Preta könne ein Beitrag geleistet werden zur weltweiten Nahrungssicherung. Und die schwarze Erde könne das Klima retten, indem CO2 dauerhaft gebunden wird. Ganz so weit geht Schmäling indes nicht. Aber er sagt: "Es ist das i-Tüpfelchen meiner naturnahen Gärtnerei."
Rückblende: Anfang Mai hat Schmäling in seinen Garten eingeladen, um Interessierte den ersten Schritt hin zu Terra Preta miterleben zu lassen. Voller Entzücken wirft er eine Schachtel Nussschalen ins Feuer: "Auch die eignen sich gut, um Terra Preta herzustellen." Im Zentrum des Geschehens steht "Kon-Tiki", ein Gebilde, das einem runden Grill ähnelt. Bei näherem Hinsehen ist in der Mitte ein Kessel aus Stahlblech zu erkennen, der nach unten spitz zuläuft. Darin brennen hauptsächlich Holzreste, vom Baumschnitt zum Beispiel.
Dazu gibt es Würstchen, Steaks, Bier und eigenen Apfelsaft. Den Kessel von "Kon-Tiki" umzieht ein Edelstahlblech mit einem drei Finger breiten Abstand: Die spezielle Luftzufuhr soll die Verbrennung effizienter machen: "In diesem Zwischenraum zieht Luft nach oben und gelangt dann oben in den Kessel", erklärt Schmäling.
Nicht nur Holz als Grundstoff
Die entstehende Pflanzenkohle ist unerlässlicher Bestandteil von Terra Preta. Pflanzenkohle wurde zum offiziellen Begriff für das Produkt erhoben, denn neben Holz können auch andere organischen Reste der Grundstoff sein, wie zum Beispiel Stroh. Freilich könnte man auch einfach Grillkohle kaufen. Doch dafür werde häufig Raubbau betrieben, sagt Schmäling. Importiert aus Südamerika, werde sie beispielsweise in Polen abgefüllt und gelte dann als europäisches Produkt.
An der Oberfläche verbrennen wie in einem Feuerteppich nur die leichtflüchtigen Bestandteile des Holzes, die Pyrolysegase. Immer wieder sorgt Schmäling für Nachschub. So erhält er oben das Feuer, während die darunter liegenden Schichten keinen neuen Sauerstoff mehr bekommen.
Die erzeugte Pflanzenkohle besteht im Wesentlichen aus Kohlenstoff. Sie ist porös und verfügt über eine riesige Oberfläche – bis zu 300 Quadratmeter pro Gramm. Ein Grund, warum es so viele Anwendungsmöglichkeiten gibt, nicht nur als Grillkohle, sondern auch als Filter für Wasser oder in Gasmasken, zum Desinfizieren, als Zahnpulver oder anderweitig als Poliermittel, als Adsorpionsmittel bei Durchfall in Form von Kohletabletten.
Pflanzenkohle muss "aufgeladen" werden
Zurück in den Garten: Bei seiner kleinen Vorführung erzeugt Norbert Schmäling geschätzt 20 bis 30 Liter Pflanzenkohle. 70 bis 100 Liter brauche er für eine Mischung mit einem Kubikmeter Kompost, sagt er. Am Ende der Kohleherstellung wird der Brand über den Wasseranschluss des "Kon-Tiki" von unten rauch- und staubfrei gelöscht. Würde man Wasser oben hineinkippen, so wäre das mit einer großen schwarzen Wolke verbunden.
Die Pflanzenkohle muss "aufgeladen" werden, bevor sie auf die Beete kommt. Das geschieht bei Norbert Schmäling in zwei Komposthaufen, die gleich am Eingang der riesigen Gemüsefläche sitzen. Daneben ein Häuflein Holzkohle mit einem Stampfer: "Mit dem reibe ich gleichzeitig, während ich stampfe." Lagenweise schichtet er Grasschnitt, Häckselgut, Pflanzenkohle und Küchenabfälle übereinander. Ist die Pflanzenkohle einmal eingebracht, bleibe sie relativ dauerhaft im Boden und müsse nicht jedes Jahr neu hinzugefügt werden. Nötig sei es allerdings, jährlich wieder Nährstoffe einzubringen.
Gegossen wird fast nie
Der Hobbygärtner deutet auf das Nachbargrundstück. "Die bringen ihren gesamten Grasschnitt zu mir. Und das machen andere auch, bevor sie ihn irgendwo kostenpflichtig abgeben." Möglich wäre es auch, die Holzkohle mit Mist oder Jauche zu vermischen. Ist der Kompost reif, setzt Schmäling die nährstoffreiche Mischung bis zu 70 Zentimeter hoch auf dem Beet auf. Innerhalb eines Jahres sackt das Material dann auf rund zehn Zentimeter zusammen. Was den Garten neben dem starken Wuchs der Pflanzen noch besonders macht: "Gegossen wird fast nie", sagt Schmäling. Die Mulchschicht halte die Feuchtigkeit, die Krume darunter sei locker.
Der Oberthulbaer gräbt auch nie um. Stattdessen sticht er mit einem Gerät, das vier Zinken hat, in den Boden. Dann zieht er die beiden Stiele des speziell angefertigten Werkzeugs nach unten, um die Erde zu "lüften". Er versuche, sich auf den Klimawandel einzustellen: "Ich besorge mir Samen von alten italienischen Bauern und ziehe alles selbst vor."