Eigentlich ist es nicht die originäre Aufgabe der Landkreise, für die Sicherung der Fachkräfte zu sorgen. Dennoch sind die 71 bayerischen Landkreise direkt von der Lücke betroffen, die die fehlenden Arbeitskräfte aufreißen. Die Landräte kamen am Mittwoch und Donnerstag in die Mainfrankensäle nach Veitshöchheim (Lkr. Würzburg), um bei der bayerischen Landkreisversammlung über Probleme und Lösungen zu sprechen. Zwar ohne die kurzfristig verhinderten Gastredner Horst Seehofer und Markus Söder, dafür aber mit jeder Menge Inhalt. "Wir haben eine erstklassige Konjunkturlage, eine flächendeckende geringe Arbeitslosenquote und die Demografie, die uns mit der Pensionierung der Baby-Boomer-Generation richtig treffen wird", beschrieb der Präsident des Bayerischen Landkreistags, der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter, die Lage. Deshalb könne man das Thema gar nicht oft genug besprechen.
Rund 300 Tagungsgäste aus Politik, Wirtschaft und anderen Organisationen waren sich schnell einig: Der Fachkräftemangel betrifft alle – auch die Landkreise. "Wir haben heute alleine in Bayern einen Mangel von 300 000 Fachkräften", sagte Eberhard Sasse, Präsident des Industrie- und Handelskammertags. Hochgerechnet auf das Jahr 2030 steige diese Zahl auf über eine halbe Million an. "Das sind beängstigende Zahlen." Auch Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkskammertags, blickte auf bedrohliche Werte. "25 Prozent unserer Handwerksbetriebe werden aktuell durch den Fachkräftemangel massiv in ihrer Entwicklung behindert." Sie fänden keine Fachleute und könnten dadurch ihre Aufträge nicht erfüllen.
Was können die Landkreise tun?
Die Ursachen für die fehlenden Fachleute seien vielfältig. So kämpften die ländlichen Regionen nicht nur mit der Überalterung der Bevölkerung, auch ein Abwandern vieler Menschen Richtung Ballungsgebiete sei erkennbar. Allgemeiner Tenor: Die Landkreise müssen Rahmenbedingungen schaffen, die Arbeitskräfte zum Bleiben einladen. Dabei zähle nicht nur die Arbeit selbst. Vor allem das Feld "Leben und Wohnen", wozu Breitbandanbindung, Mobilfunk, öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser gehören, sei entscheidend.
Einige Kernpunkte habe man besonders herausgearbeitet, betonte Bernreiter. Dazu gehöre der ÖPNV. Laut dem Landkreistagspräsidenten müsse man die Angebote des ÖPNV ausbauen und über Tarife sprechen. "In meiner Region kommen viele Menschen gar nicht erst auf die Idee, den Bus zu nehmen. Sie haben ja ein Auto." Diese Haltung soll sich ändern. Für den Landkreis Würzburg wünscht sich Landrat Eberhard Nuß eine Verbunderweiterung. "Um von einem zum anderen Ort zu kommen, braucht man zu viele unterschiedliche Fahrkarten. Das muss einfacher sein", so Nuß. Der Bedarf sei je nach Landkreis unterschiedlich. So müssten in ländlicheren Regionen die Fahrzeiten flexibler werden, in Gebieten um größere Städte herum brauche man mehr Kapazitäten. "Schließlich hilft der beste Arbeitsplatz oder die beste Fachkraft nichts, wenn sie nicht zum Arbeitsplatz kommt", so Bernreiter.
Er sieht in der flächendeckenden Breitbandversorgung eine weitere wichtige Maßnahme, um Fachkräfte in der ländlichen Region zu halten. "Im Landkreis Würzburg sind wir schon sehr weit, aber auch hier gibt es noch Randgebiete mit weißen Löchern", sagte Nuß. Die bayerischen Landräte hätten sich nun dafür ausgesprochen, die Telekommunikationsunternehmen beim Breitbandausbau stärker in die Pflicht zu nehmen. "Wenn wir über autonomes Fahren sprechen, dann brauchen wir eine 5G-Versorgung bis zur letzten Milchkanne", so Bernreiter.
Chancen durch Digitalisierung, Bildung und Zuwanderung
Ein weiterer Ansatz, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sei die Digitalisierung. Beim Landkreistag betonten die Redner immer wieder, dass diese die Arbeit zwar verändere, aber dass daraus auch neue Arbeitsplätze entstünden. Allerdings dürfe die Digitalisierung nicht nur in den großen Metropolen, sondern müsse auch in den ländlichen Regionen stattfinden. Dies gelte ebenso für Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. "Wenn Leute erstmal weggehen müssen, um sich zu qualifizieren, dann kommen sie vielleicht auch nicht wieder", meint beispielsweise Franz Löffler, Präsident des Bayerischen Bezirketags. Laut Löffler müsste es auch mehr akademische Ausbildungsmöglichkeiten in ländlichen Regionen geben.
Ein ebenfalls diskutiertes Thema war die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Dazu Franz Löffler: "Wir müssen die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zulassen." Allerdings sollten die Menschen schon in ihren Herkunftsländern vorbereitet werden. Beispielsweise mit Sprachtraining. Laut Vertretern des Handwerkskammertags werden heute sechs bis acht Prozent der Lehrverträge im Handwerk von jungen Leuten mit Fluchthintergrund geschlossen.