Man lernt nie aus: Dieser Spruch ist abgedroschen, aber zeitgemäßer denn je. Denn so manches Unternehmen holt mittlerweile weit aus, um seine Belegschaft weiterzubilden und damit an sich zu binden. Vier Beispiele aus Mainfranken zeigen, welche Wege gegangen werden und welche Effekte das hat.
Koenig & Bauer, Süddeutsches Kunststoffzentrum (beide in Würzburg), Kurtz Ersa in Kreuzwertheim (Lkr. Main-Spessart) und Würth in Bad Mergentheim (Lkr. Main-Tauber): Diese Adressen haben sich in jüngster Vergangenheit mit einer ausgeprägten Bündelung von Weiterbildungen hervorgetan.
Entstanden sind mitunter so etwas wie Volkshochschulen für eigenes Personal und Externe. Einrichtungen, die sich gerne "Academy" nennen und Wissen auch über den eigenen Betrieb hinaus vermitteln sollen. Dahinter steckt bisweilen ein Millionenaufwand – und der allgegenwärtige Fachkräftemangel.
Koenig & Bauer in Würzburg: 1000 Kurse für 5200 Beschäftigte in aller Welt
Im September 2022 rief der Würzburger Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer seine "Academy" ins Leben. Sie fasste schon bestehende Fortbildungen mit neuen Kursen und Seminaren zusammen. 1000 solcher Angebote gebe es mittlerweile, sagt "Academy"-Direktor Bernhard Harant.
Einige davon seien auch für externe Teilnehmerinnen und Teilnehmer offen. 90 Prozent der Angebote seien für die Belegschaft kostenlos. Von wenigen Ausnahmen abgesehen gelte die Teilnahme als Arbeitszeit.
"Uns geht es nicht darum, dass jemand nur etwas macht, was ihm im Beruf was bringt", betont Harant. Vielmehr sei es Koenig & Bauer wichtig, mit der "Academy" die Identifikation der Belegschaft mit dem Konzern zu stärken. Das gelte auch für das Personal in den ausländischen Niederlassungen.
Teil dieser Identifikation soll laut Harant außerdem sein, dass alle 5200 Konzernbeschäftigten stets auf dem Laufenden sind, welche Produkte Koenig & Bauer gerade anbietet. Dafür gibt es dem "Academy"-Programm zufolge Kurse von zwei Stunden bis zu fünf Tage.
Nach Harants Worten soll sich die "Academy" ein Stück weit aus sich selbst heraus entwickeln. So könnten Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter jederzeit Vorschläge für Fortbildungsthemen machen. Wer sich aus den eigenen Reihen als Dozent oder Dozentin geeignet sehe, könne sich ebenfalls melden. Harant inklusive, sind sieben Beschäftigte von Koenig & Bauer nur mit der Verwaltung der "Academy" befasst. Er reise mitunter zu Niederlassungen zum Beispiel in Tschechien oder den USA, um dort die Angebote der Fortbildungseinrichtungen anzupassen, erzählt der Direktor.
Dieser Aufwand ist nicht von Pappe, der finanzielle auch nicht: Einen "mittleren einstelligen Millionenbetrag" pro Jahr investiere das Unternehmen für die "Academy", erklärt Sprecherin Dagmar Ringel.
Kurtz Ersa in Kreuzwertheim: Abschlüsse wie an einer Uni
Auch der Metallbaukonzern Kurtz Ersa in Kreuzwertheim (Lkr. Main-Spessart) setzt seit Jahren darauf, mit Hilfe einer eigenen Institution das Wissen seiner weltweit 1300 Beschäftigten permanent zu schulen. Der Name des Angebots ähnelt jenem von Koenig & Bauer: Die "Hammer Academy" hat nach Unternehmensangaben 1430 Teilnehmende pro Jahr.
Insgesamt 150 interne und externe Dozentinnen und Dozenten sind es heute, nachdem die "Academy" vor sieben Jahren mit etwa 70 angefangen hatte. Mehr als verdoppelt hat sich seither auch die Zahl der Kurse und Seminare: Mehr als 200 seien es nun, teilte das 1779 in einer Spessart-Hammerschmiede gegründete Unternehmen mit.
Die "Hammer Academy" sei von Anfang an "ein Aushängeschild für Kurtz Ersa", das die Unternehmenskultur und die Personalentwicklung präge. Das Kursangebot werde permanent erweitert, um so viel Bedarf wie möglich abzudecken, teilte das Unternehmen weiter mit.
Beliebt sind den Angaben zufolge vor allem Kurse rund um MS Office, also jenes Bündel an Microsoft-Computerprogrammen wie Word, Excel, Powerpoint und Outlook. Gefragt sind Kurtz Ersa zufolge aber auch Themen rund um Soft Skills, worunter Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen oder Selbstmanagement zu verstehen sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind die Weiterbildungen Arbeitszeit, betont Kurtz Ersa in der Mitteilung.
Ein Sahnehäubchen bietet der Konzern ausgewählten Führungskräften an. Sie können sich zu "Hammer Experten" weiterbilden lassen. Fächer sind unter anderem Managementfähigkeiten, Führungsleitsätze und Personalentwicklung. Kurtz Ersa spricht hier von einem "Studium" mit Zertifikat und arbeitet dabei mit der privaten Steinbeis-Hochschule zusammen.
Würth in Bad Mergentheim: Millionen für das Wissen von morgen
Dass das Wissen des Personals Gold wert sei, stellt auch die Würth Industrie Service GmbH & Co. KG in Bad Mergentheim in den Vordergrund. Pro Jahr 1,5 Millionen Euro nimmt das auf Kleinteile wie Schrauben oder Muttern spezialisierte Logistikzentrum nach eigenen Angaben für die Fort- und Weiterbildung der 1700 Beschäftigten in die Hand.
Dabei geht der Ableger des international ausgerichteten Würth-Konzerns aus Künzelsau gängige Wege: Es gebe sowohl E-Learning-Plattformen als auch Kurse in Präsenz sowie Podcasts. Im vergangenen Jahr seien 360 Schulungstermine abgehalten worden. Der Trend gehe weg von klassischen Ganztagesseminaren hin zu kürzeren Angeboten, heißt es in einer Mitteilung.
Es gelte die Devise: vom Wissen im eigenen Haus profitieren. Deshalb gebe es bei Würth in Bad Mergentheim 90 Dozentinnen und Dozenten aus den eigenen Reihen, die die Kurse abhalten.
Wie bei Koenig & Bauer oder Kurtz Ersa ist der Antrieb bei Würth die Bindung von Fachkräften: "Jede Investition in die Qualifikation unserer Beschäftigten ist auch eine Investition in die Zukunft unseres Unternehmens und damit in die Sicherheit des Standortes und der Arbeitsplätze", betont Michael Schubert, Geschäftsleiter für Personal bei Würth Industrie Service.
Süddeutsches Kunststoffzentrum in Würzburg: Wissen für die Branche
Einen anderen Weg als Kurtz Ersa, Würth oder Koenig & Bauer geht das Süddeutsche Kunststoffzentrum (SKZ) in Würzburg. Die industrienahe Einrichtung bietet an sechs eigenen Schulungsorten in Deutschland vor allem Beschäftigten der Kunststoffbranche Fort- und Weiterbildungen gegen Bezahlung an.
Wegen der gestiegenen Nachfrage sei das Angebot ausgebaut worden, teilte das SKZ kürzlich mit. Das Programmheft 2023 führt 700 Termine auf. Zuletzt hätten pro Jahr etwa 10.000 Menschen an den Kursen teilgenommen.
Dass berufliche Bildung als ein Schlüssel gegen den Fachkräftemangel angesehen wird, unterstrich zuletzt auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Mitte Januar verkündete er, dass in Deutschland per Gesetz das Recht auf eine Auszeit für Weiterbildung eingeführt werden soll. Unternehmen stünden wegen der Digitalisierung und des Fachkräftemangels vor enormen Herausforderungen, so dass "in vielen Branchen neue Qualifikationen gefragt sein werden".