Kaum etwas treibt die Firmen in der blühenden Wirtschaft Mainfrankens so um wie der Mangel an Fachkräften. Gutes Personal zu finden, ist die eine Hürde. Gutes Personal zu halten, die andere.

So hat sich in den Unternehmenskulturen längst durchgesetzt, dass die Chefs ihre Beschäftigten mit besonders viel Wertschätzung und Aufmerksamkeit bescheren. Das Personal als wichtigstes Kapital zu sehen, ist keine Floskel mehr.

Wie eine Universität innerhalb der Firma

In dieses Kapital viel und ständig zu investieren, hat sich auch der Mischkonzern Kurtz Ersa in Wiebelbach bei Kreuzwertheim (Lkr. Main-Spessart) auf die Fahnen geschrieben. Dabei ist etwas entstanden, das für den Mittelstand in der Region außergewöhnlich ist: eine Art firmeninterne Universität, die Hammer Academy.

Dieser Name ist ein Brückenschlag zu den Wurzeln von Kurtz Ersa. Denn das mittlerweile weltweit agierende Familienunternehmen entstand 1779 in einer Hammerschmiede im benachbarten Hasloch.

Kurse von Yoga bis Löten

Mit dem Handwerk des Schmieds hat die Hammer Academy freilich wenig gemein. Von Software-Schulungen über Fremdsprachenkurse, Schulungen von Führungskräften, und Erste-Hilfe-Kurse bis Yoga, Lauftreffs und anderen Gesundheitsangeboten reicht das Spektrum. Auch die Nischen des betriebsinternen Wissens werden bedient: So können sich Mitarbeiter zum Beispiel in den Grundlagen der Blechbearbeitung, rund ums Löten, Gießen und Entgraten oder in Themen wie Luftfracht-Versand, Unternehmenskommunikation oder Rhetorik schulen lassen.

Dozenten kommen hauptsächlich aus den eigenen Reihen

Nach einem dreimonatigen Probelauf ging die Hammer Academy im März 2016 in den Echtbetrieb. Mittlerweile liest sich das Programmheft wie eine Mischung aus Uni-Vorlesungsverzeichnis und Volkshochschulprogramm. Dieser Vergleich trifft eine weitere Besonderheit der Kurtz-Ersa-„Universität“: 53 der 73 Dozenten kommen aus den Reihen der Belegschaft, der Rest ist extern.

Das Wissen in der Firma wiederum der Firma zugute kommen zu lassen, das sei ein Credo der Hammer Academy, sagt deren Leiterin Verena Alina Bartschat. Dass die 29-jährige Wirtschaftspädagogin und -psychologin in dieser Leitungsfunktion „Kanzlerin“ genannt wird, kommt nicht von ungefähr: Auch an Hochschulen gibt es diese Bezeichnung für Führungskräfte.

Absolventen bekommen einen Doktorhut

Sogar einen eigenen „Doktortitel“ hat die Academy mittlerweile: Wer in ein bis drei Jahren eine in mehrere Module aufgeteilte Fortbildung für Fach- und Führungskräfte stemmt, darf sich „Hammer Experte“ nennen. Bislang fünf Mitarbeiter haben das geschafft. Bei der Übergabe ihres Zertifikates bekamen sie einen Doktorhut.

In der Hammer Academy hat Kurtz Ersa alle Aktivitäten gebündelt, die irgendwie mit Ausbildung, Fortbildung oder der Einarbeitung neuer Mitarbeiter zu tun haben. So durchlaufen auch die klassischen Azubis und Praktikanten speziell für sie gemachte Kurse, Kurtz-Ersa-Kunden erhalten ebenfalls für sie zugeschnittene Schulungen. Neue Mitarbeiter, die als Hochschulabsolventen und somit ohne Berufserfahrung zu Kurtz Ersa kommen, können als sogenannte Trainees einsteigen und werden mit Hilfe der Hammer Academy gezielt auf das Niveau einer Fachkraft gehoben.

Das hat mit Respekt gegenüber dem Personal zu tun

All diese Anstrengungen für die Belegschaft sei in der auf Werte wie Respekt, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft stehenden Philosophie von Kurtz Ersa verankert, sagt Geschäftsführer Thomas Mühleck. Das lässt sich das Unternehmen einiges kosten: Da sowohl der Besuch fast aller Kurse der Hammer Academy als auch die Tätigkeit als Dozent Arbeitszeit sind, wurden nach Angaben von Kanzlerin Bartschat bislang 400 000 Euro an Gehalt investiert. Hinzu kommt ein Etat für den Betrieb der Academy von aktuell 600 000 Euro.

Firma hat schon Preise bekommen

Bei so viel Aufwand muss die Frage nach dem Ertrag kommen. Geschäftsführer Mühleck sieht ihn zum Beispiel in der ausgeprägten Zufriedenheit der Mitarbeiter. Und in der Tatsache, dass Kurtz Ersa schon mehrfach bundesweit für seine Personalführung mit Preisen bedacht worden ist. Entstanden ist die Idee mit firmeninternen Hochschule 2014 in Folge einer Mitarbeiterbefragung. Damals sei der Wunsch nach mehr Weiterbildung klar geworden, erzählt Bartschat. Firmenchef Rainer Kurtz habe die Idee dann wesentlich vorangetrieben. Mittlerweile hat es 461 Veranstaltungen, 4447 Anmeldungen und somit im Durchschnitt 2,6 Schulungen je Mitarbeiter gegeben, so die Statistik von Bartschat.

Mitarbeiter lobt die Academy

„Das ist eine gute Sache“, urteilt Andreas Brod über die Hammer Academy. Der 45 Jahre alte IT-Administrator bei Kurtz Ersa hat im August 2016 nach zehn Monaten Fortbildung in der Academy den Titel „Hammer Experte“ bekommen. Man erfahre bei den Academy-Kursen selbst in seinem angestammten Metier immer noch Neues.

Je zur Hälfte melden sich Mitarbeiter von sich aus für Kurse an oder werden vom Vorgesetzten dafür vorgeschlagen. Insofern sei die Hammer Academy „mehr ein Angebot als eine Pflicht“, so Kanzlerin Bartschat. Mitarbeiter, die sich als Dozent zur Verfügung stellen, bekommen das „positiv in der Personalakte vermerkt“.

Im Akademischen Rat sitzt auch der Chef des Betriebsrates

Um die Qualifikation der hauseigenen Dozenten zu prüfen, hat Kurtz Ersa die private Steinbeis-Hochschule in Berlin eingebunden. Sie steht der Hammer Academy auch in grundsätzlichen Fragen von Beginn an beratend zur Seite.

Steinbeis-Professor Wilfried Mödinger sitzt zudem im Akademischen Rat der Hammer Academy – zusammen mit den Kurtz-Ersa-Geschäftsführern Rainer Kurtz, Thomas Mühleck und Uwe Rothaug sowie dem Vorsitzenden des Konzernbetriebsrates, Joachim Kraft.