Die Corona-Krise bleibt weiterhin die Top-Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Aber nicht nur: Der in vielen Branchen eklatante Rohstoffmangel und der Klimawandel gehören ebenfalls dazu. Bleibt die Frage: Wohin steuert das Schiff?
Einen tiefen Einblick in die Branchen haben die Fachredaktionen der Vogel Communications Group (VCG) in Würzburg. Schließlich gilt das früher unter dem Namen Vogel Verlag bekannte Unternehmen in Deutschland als einer der führenden Anbieter von Fachmagazinen. Dazu zählen allein je 100 Zeitschriften und Fachportale, darunter das seit 1911 veröffentlichte Branchenorgan "Kfz-Betrieb".
In einer internen Umfrage unter leitenden Redakteurinnen und Redakteuren hat die VCG jetzt ein Stimmungsbarometer für die deutsche Wirtschaft ermittelt. Kernaussagen: Es geht vielen Branchen mittlerweile (wieder) sehr gut. Aber Bekanntes aus der Zeit vor Corona hat sich geändert oder wird verschwinden.
Autobranche: Absatz massiv eingebrochen
Licht und Schatten auf dem Automarkt sieht Chefredakteur Wolfgang Michel von "Kfz-Betrieb". Die Branche erhole sich weiter von den Corona-Einschnitten, "hinkt dem hohen Niveau der Vorjahre aber noch deutlich hinterher". Im Mai seien im Land 31 Prozent weniger Autos zugelassen worden als im Mai 2019, also noch vor Corona. Der Absatz sei in den vergangenen Monaten zeitweise "massiv eingebrochen".
Zu diesen negativen Vorzeichen kommt nach Ansicht von Michel derzeit ein weiteres hinzu: der Mangel an Halbleitern. Mittlerweile gebe es deshalb in vielen Autowerken Kurzarbeit. Die Lieferzeiten bei Neuwagen seien unberechenbar, die Lage auf dem Markt werde unübersichtlich. Zudem sieht der Chefredakteur das Problem, dass vor allem junge Gebrauchtwagen "derzeit nicht in ausreichender Zahl verfügbar" seien.
Positive Signale kämen von den markengebundenen Werkstätten: 70 Prozent rechnen derzeit laut Michel mit stabilen Umsätzen. Die Auslastung sei zuletzt um zehn Prozent gestiegen. Derlei Freude gibt es bei den freien Werkstätten offenbar nicht: Ihr Plus bei der Auslastung liege bei nur vier Prozent, so der VCG-Experte.
Maschinen- und Anlagenbau: Hoffnung auf die Messen
Der Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland erhole sich allmählich, lautet die Einschätzung von Ute Drescher. Die Leitende Redakteurin der Fachmagazine "Konstruktionspraxis" und "Elektrotechnik" hat beobachtet, dass die Unternehmen große Hoffnung darin setzen, dass im Herbst wieder die zuletzt wegen Corona abgesagten Fachmessen stattfinden können. "Von ihnen erwarten die Unternehmen einen deutlichen Schub beim Auftragseingang."
Das deckt sich mit der Beobachtung in anderen VCG-Fachredaktionen. "Allerdings ist die Sorge groß, dass eine weitere Pandemie-Welle Messeauftritte und persönliche Kundenkontakte zunichte macht", sagt Drescher.
Medizintechnik und Pharma: Corona hinterließ kaum Dellen
"Relativ unbeschadet" seien die Unternehmen der Labor- und Medizintechnik durch die Corona-Zeit gekommen, fasst Chefredakteur Marc Platthaus von "Laborpraxis" die Lage zusammen. Gerade die Hersteller von Spritzen und Ampullen hätten von großer Nachfrage profitiert.
Ähnliches gelte für die Pharma-Branche, ergänzt Leitende Redakteurin Anke Geipel-Kern vom Fachmagazin "Process". Die Auftragsbücher seien voll, "die Montagehallen ebenfalls". Die Pharma-Zulieferer "sind extrem optimistisch, was die Zukunft angeht". Probleme gebe es allerdings beim Nachschub von Rohstoffen.
IT, Homeoffice und Dienstreisen: Was Corona geändert hat
Weniger Dienstreisen, mehr Geschäfte auf digitalem Weg: Das wird nach Corona zumindest in der Pharmabranche bleiben, ist Redakteurin Geipel-Kern überzeugt.
Das beurteilt Geschäftsführer Werner Nieberle von der VCG-Tochterfirma Vogel IT-Medien ähnlich: Der Digitalisierungsschub in der deutschen Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung sei groß. Allerdings werde sich die Nachfrage in einigen Bereichen einpendeln, weil der Ausstattungsbedarf zum Beispiel fürs Homeoffice "nun weitgehend gedeckt sein dürfte". Was Messen und Kongresse angeht, rechnet Nieberle für die Zukunft mit mehr digitalen oder gemischten Formaten.