Hohe Energiekosten, zu wenig Fachkräfte - die Wirtschaft in Deutschland sieht sich derzeit in einem "Dämmerzustand". Eine Idee des Schweinfurter Unternehmers Dieter Pfister hat deshalb für Aufsehen gesorgt: Mit seiner Firma Maincor Rohrsysteme will er bei der Produktion in die USA abwandern.
Das passt zu Berichten des bayerischen Unternehmerverbands vbw: In der Metall- und Elektroindustrie Mainfrankens tragen sich immer mehr Betriebe mit dem Gedanken, ganz oder teilweise ins Ausland zu gehen, hieß es im Juli. Wenig später der nächste vbw-Alarm: Bis 2035 werde der Fachkräftemangel in der Region um 34 Prozent steigen.
Im Interview erläutert Maincor-Chef Dieter Pfister, was es mit seinem USA-Projekt auf sich hat und wie er die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Mainfranken sieht. Und der 62-Jährige sagt, mit welchen Lösungen er beim Fachkräftemangel in seinem Betrieb gute Erfahrungen gemacht hat.
Dieter Pfister: Die Idee ist durchaus konkret. Mein Sohn war in den USA, ich war in Kanada. Wir haben uns dort mal umgeschaut. Auslöser war, dass wir in den vergangenen zwei Jahren 80 bis 90 Prozent vom Umsatzvolumen in Nordamerika verloren haben aufgrund der Energie- und Transportkosten hier in Deutschland. Das heißt: Bei allen Produkten sind wir in den USA mit der Zeit rausgefallen, weil wir zu teuer sind. Also sagen wir jetzt: Okay, dann produzieren wir eben in den USA. Wir wollen uns damit den Markt, der weggebrochen ist, zurückholen.
Pfister: Wir sind noch in der Überlegungsphase. Das Problem ist: Man braucht eine kritische Masse, um drüben anzufangen. Man benötigt ja eine Halle, einen Betriebsleiter, Qualitätssicherung und so weiter. Davon sind wir noch ein Stück weit weg.
Pfister: Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Mainfranken wird unsere Heimat bleiben. Die Standorte Schweinfurt und Knetzgau werden wir weiter ausbauen. Wir exportieren in 63 Länder, da ist Nordamerika nur ein Teil davon.
Pfister: Man braucht entsprechendes Volumen. Also wegen 100.000 oder 200.000 Euro Umsatz brauchst du nicht in die USA. China zum Beispiel stellen wir momentan zurück, weil die politischen Risiken einfach zu groß sind. Nordamerika aber wird boomen. Dort herrscht eine Aufbruchstimmung, anders als bei uns.
Pfister: Der Arbeitskräftemangel ist eines der größten Probleme. Wir haben aktuell zwölf unbesetzte Stellen allein in der Produktion. Wir konnten unsere Ausbildungsstellen nicht besetzen. Wir können teilweise auch Sachbearbeiter-Positionen nicht zeitnah besetzen. Auf Dauer geht es dann doch irgendwie, aber es bleibt ein Riesenproblem.
Pfister: Maincor beschäftigt Menschen aus 21 Nationen. So etwas kann eine Lösung sein. Wir sind da wirklich sehr breit aufgestellt. Wir helfen diesen Menschen im Alltag, zum Beispiel vom Gang zur Bank über die Wohnungssuche bis hin zur kulturellen oder sportlichen Integration. Wir wollen, dass diese Beschäftigten bei uns heimisch werden.
Pfister: Überall fehlen Leute. Nur, mittlerweile gibt es den Trend der Arbeitszeitverkürzung. Oft gilt nur noch Teilzeitarbeit. Ich habe schon den ersten Teilzeit-Azubi. Das muss man sich mal vorstellen. Wir haben viele Mitarbeiter, die sagen: Ich möchte pro Woche nur 28 Stunden arbeiten bei reduziertem Gehalt. Die berühmte Work-Life-Balance spielt eine große Rolle. Darauf muss ich eingehen als Arbeitgeber.
Pfister: Klar, es ist schwierig. Ich habe aber die Hoffnung, dass wir uns behaupten können. Wir Unterfranken sind ein fleißiges Völkchen. Wenn ich uns mit manchen Firmen im Ausland vergleiche, dann können wir mit unseren Mitarbeitern sehr zufrieden sein. Wir haben eine Loyalität. Wenn ich sehe, dass im Silicon Valley in den USA die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit bei 18 Monaten liegt, dann bin ich froh, dass es in unserer Region anders ist. Viele Mitarbeiter bleiben bis zur Rente. Das ist ein Traum. Andererseits müssen wir Leute aus anderen Ländern unbedingt bei uns integrieren. Es ist ein Unding, dass im Schweinfurter Ankerzentrum Flüchtlinge sind, die über Monate oder teilweise Jahre hinweg nicht arbeiten dürfen.
Pfister: Da sprechen Sie ein schwieriges Thema an. Es stellt sich oft die Frage: Wie kann ich so jemanden einordnen? Wir fangen meistens damit an, solche Menschen erst mal als ungelernte Arbeiter einzustellen. Derjenige kann dann aber relativ schnell nach oben kommen. Wir haben im Betrieb einen Mischmasch aus allen möglichen Nationen. Aber, nur wenn die Integration gelingt, kommen wir voran.
Pfister: Mich frustriert, dass einige Unternehmer bereits sagen: Ich verkaufe meinen Betrieb, weil ich mal 30 Mitarbeiter hatte, dann 20 und jetzt noch zehn. Das finde ich traurig, denn gerade der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft.
Pfister: Dieser Weg ist ein Muss. Unsere Kundschaft fordert das deutlich ein. Die Nachhaltigkeit wird in nächsten Jahren eine große Rolle spielen.