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Frammersbach
Lieferprobleme: Wenn in der neuen Küche der Backofen fehlt
Bundesweit leiden Hersteller akut unter Rohstoffmangel und Nachschubproblemen. Das Beispiel der Firma WM-Küchen aus Frammersbach zeigt, welch kuriose Folgen das haben kann.
Da fehlt doch was: Möbelhersteller klagen, dass bei der Küchen-Montage beispielsweise wegen der Lieferprobleme der Hersteller Geräte erst später eingebaut werden können.
Foto: Oliver Stratmann, dpa (Symbolbild) | Da fehlt doch was: Möbelhersteller klagen, dass bei der Küchen-Montage beispielsweise wegen der Lieferprobleme der Hersteller Geräte erst später eingebaut werden können.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:45 Uhr

Holz ist knapp, Metall ist knapp, alles ist knapp: Das bekommt die deutsche Wirtschaft seit Wochen massiv zu spüren – und mit ihr die Möbelhändler. Für Kunden hat das mitunter kuriose Folgen: Das Unternehmen WM-Küchen in Frammersbach (Lkr. Main-Spessart) zum Beispiel kann Küchen nur noch lückenhaft montieren, weil Geräte wie Backofen oder Geschirrspüler zur Mangelware geworden sind.

Firmenchef Sven Rüppel weiß nicht, wie lange das noch so weitergeht. Sein Unternehmen mit Niederlassungen unter anderem in Würzburg und Erlenbach bei Marktheidenfeld hat 83 Mitarbeiter, darunter 20 Monteure. Im Interview berichtet der 35-jährige Geschäftsführer, wie die Firma mit verärgerten Kunden und anderen Herausforderungen umgeht.

Bekommt die Lieferengpässe Tag für Tag schmerzhaft zu spüren: Geschäftsführer Sven Rüppel von WM-Küchen in Frammersbach (Lkr. Main-Spessart).
Foto: Selina Amend | Bekommt die Lieferengpässe Tag für Tag schmerzhaft zu spüren: Geschäftsführer Sven Rüppel von WM-Küchen in Frammersbach (Lkr. Main-Spessart).
Frage: Herr Rüppel, Ihr Unternehmen hat in den vergangenen Wochen Küchen montiert, bei denen wegen des Nachschubproblems insgesamt 100 Geräte fehlten. Wie groß ist der Ärger der Kunden?

Sven Rüppel: Zum Glück verstehen es die meisten unserer Kunden. Dafür danke. Ein kleiner Teil versteht es nicht. Da kommt dann zum Beispiel die Frage: Ich habe doch die Küche schon im Januar bestellt, jetzt wird sie im Juli ohne Geräte eingebaut – wie kann das sein?

Was antworten Sie?

Rüppel: Wir versuchen natürlich, es zu erklären. In unserer Branche wird nicht sofort bestellt, wenn der Kunde den Kaufvertrag unterschrieben hat. In der Regel muss man erst noch zum Kunden fahren für das Aufmaß. Das dauert ja alles. Vor der Pandemie haben wir die Teile ein bis zwei Wochen vor dem Montagetermin beim Kunden bestellt. Das hat immer funktioniert. Mit der Pandemie und all den Folgeerscheinungen haben wir die Bestellung vorgezogen auf vier Wochen. Jetzt reicht auch das nicht mehr. Deshalb bestellen wir seit einiger Zeit - wenn das Aufmaß und so weiter erledigt ist – sofort auf Liefertermin und hoffen, dass wir die Geräte dann zum Montagetermin beim Kunden haben.

Wie schnell nach Bestellung konnten Sie vor Corona eine Küche ausliefern, wie schnell jetzt?

Rüppel: Vor der Pandemie nach etwa sechs Wochen. Jetzt liegen wir bei acht bis zehn Wochen. Wenn ich heute eine Küche beim Lieferanten bestelle, bekomme ich sie Ende September.

"Die Hersteller sind bei vielen Geräten im Rückstand. Sie nehmen keine Lagerbestellungen an."
Geschäftsführer Sven Rüppel von WM-Küchen über die Lieferprobleme.
Gibt es Fälle, bei denen sie zuletzt eine Küche montiert haben und es klafft dort bis heute ein Loch, weil ein Gerät fehlt?

Rüppel: Diese Fälle gibt es. Wir haben ein paar kleine Tischkühlschränke gekauft, mit denen wir uns und unseren Kunden aushelfen. Oder wir bieten den Kunden andere Leihgeräte an, wenn das möglich ist. Unsere Ausstellungen sehen teilweise etwas zerfleddert aus. Das ist so, weil wir Kunden wie auch immer helfen wollen, damit ihre Küchen vollständig sind. Also werden auch schon mal Geräte, nach Absprache mit dem Kunden, aus den Ausstellungsstücken ausgebaut und zu ihm gebracht.

Inwiefern helfen sich die Möbelhäuser gegenseitig aus? Werden da Küchengeräte hin- und hergeliefert?

Rüppel: In der Regel macht man das nicht. In unserer Einkaufsgemeinschaft haben wir eine WhatsApp-Gruppe. Dort fragte erst neulich ein Kollege: Ich brauche das Gerät XY – kann mir das jemand besorgen? Aber: Das Gerät, das er sucht, brauchen wir alle. Insofern geht es uns allen gleich.

Woran liegt dieser Mangel?

Rüppel: Es ist halt einfach so, dass viele Teile aus dem Ausland kommen. Da spielte vor einigen Wochen die Sperrung des Suez-Kanals für Schiffe eine Rolle. Dann musste beispielsweise Miele ein Werk wegen Corona schließen. In anderen Werken mussten wegen Corona Vorkehrungen wegen Hygiene, Abstand und so weiter getroffen werden. Das hat dort Prozesse verlangsamt. Jetzt sind zwar die Grenzen wieder offen, aber es ist wenig Material da. Beispiel Halbleiter, die ja fast in jedem technischen Gerät verbaut sind und aus Asien kommen: In Taiwan macht jetzt ein Werk für zwei Wochen wegen Corona zu.

"Die Vertreter saßen teilweise schulterzuckend da, weil sie auch nicht wussten, wie es weitergeht."
Küchenhändler Sven Rüppel über Gespräche mit Gerätelieferanten
Warum kaufen Sie nicht einfach in weiser Voraussicht so viele Geräte wie möglich, um sie ins Lager zu stellen und bei Bedarf zur Hand zu haben?

Rüppel: Das würden wir liebend gerne machen. Das geht aber nicht, die Hersteller sind bei vielen Geräten im Rückstand. Von Miele war zu hören, dass 2000 Geschirrspüler fehlen würden, die bestellt worden seien, aber noch nicht ausgeliefert werden könnten. Das heißt, die Hersteller nehmen im Moment keine Lagerbestellungen an.

Dann weichen Sie doch auf namenlose Billiganbieter aus.

Rüppel: Darüber könnte man sich Gedanken machen. Aber das ist nicht die Philosophie, die wir haben. Es stellt sich auch die Frage, ob diese Billighersteller besser liefern können. Sie sitzen ja im selben Boot.

Wenn Sie reihenweise Küchen montiert haben, bei denen Geräte fehlen, dann müssen Sie das irgendwann nacharbeiten. Wie gehen Sie mit diesem Extra-Aufwand um?

Rüppel: Das ist erst einmal ein immenser Zeitaufwand – und schließlich ein Kostenfaktor. In der Regel ist eine Küche nach zwei Tagen montiert. Wenn zum Beispiel der Kühlschrank schon geliefert worden ist, aber der Backofen noch nicht, dann fahren wir ein Mal zum Kunden und vielleicht  Wochen später schon wieder. Für unsere Verwaltung ist das eine logistische Herausforderung. Sie muss dann zum Monteur sagen: Fahr mal quer rüber zu dem Kunden und schieb mal schnell den Backofen in die Nische rein. Das ist alles sehr kräftezehrend.

Wie lange wird das Lieferproblem noch dauern?

Rüppel: Wir waren neulich mit Siemens und AEG zusammen. Die Vertreter saßen teilweise schulterzuckend da, weil sie auch nicht wussten, wie es weitergeht. Sie haben gesagt, dass es noch bis Mitte/Ende 2022 dauert, bis alles wieder in normalen Bahnen läuft.

Gibt es Kunden, die wegen der Situation von Küchenbestellungen wieder abspringen?

Rüppel: Die gibt es aktuell nicht. Dazu muss man sehen, dass die Möbelbranche von der Pandemie keinen Schaden genommen hat, weil die Leute es sich zuhause schön gemacht haben. Unter diesem Aspekt springen keine Kunden ab. Natürlich werden wir im Moment gefragt, ob wir noch alles geliefert bekommen. Damit gehen wir offen um. Denn was nützt es uns, wenn wir dem Kunden irgendetwas verheimlichen? Aus anderen Branchen bekommt man es ja auch mit, dass Material fehlt.

Ein passendes Stichwort, eine Küche besteht ja auch aus Holz-Elementen. Wie wirkt sich der Materialmangel da aus?

Rüppel: Da hören wir gottseidank von den Lieferanten von Schränken und Möbeln, dass es für die kommenden Monate keine Probleme gibt. Einer unserer Hauptlieferanten hat in der letzten Woche die Aussage getroffen, dass er sich mit Material eingedeckt und die Lager vollgemacht hat. Natürlich wird das irgendwann auch mal zu Ende sein, wenn sich die Situation in vielen Bereichen nicht ändert.

Lieferprobleme in der Möbelbranche

Etwa 70 Prozent der deutschen Möbelhersteller leidet derzeit zum Teil massiv unter den Lieferproblemen in der Branche. Das geht aus einer Umfrage hervor, die der Verband der deutschen Möbelindustrie (VDM) im Juni veröffentlichte. „Inzwischen ist die Produktion bei rund der Hälfte der Unternehmen aufgrund von Materialengpässen eingeschränkt, vielfach sind Produktionstage weggefallen“, wird Geschäftsführer Jan Kurth in einer VDM-Mitteilung zitiert.
Möbel Hornung in Zellingen (Lkr. Main-Spessart) zum Beispiel spürt den Mangel nach eigenen Angaben in fast allen Sortimenten. Es könnten bei Massivholzmöbeln  und -küchen Lieferzeiten von bis zu 20 Wochen entstehen. Bei 60 Prozent der Küchenmontagen seien manche Elektrogeräte wegen der Lieferengpässe nicht rechtzeitig da. Im Bereich Bad, Schlafen und Wohnen sind nach Auskunft des Möbelhändlers Teillieferungen selten. Da oft alles von einem Hersteller stamme, komme es zwar momentan zu längeren Lieferzeiten, "aber selten zu Nachlieferungen" wie bei Küchen.
Beim Branchenprimus XXXLutz mit Deutschland-Sitz in Würzburg ist die Lage nach eigenen Angaben uneinheitlich. "So haben wir bei den meisten Produkten keine Verzögerungen im Vergleich zu normalen Zeiten", teilte das Unternehmen mit.  Stellenweise komme es zu Engpässen, weil Lieferanten wegen Kurzarbeit, Hygienevorschriften oder Rohstoffmangels bei den Herstellern in Verzug seien.  Fehle bei der Küchenmontage etwas, bekämen Kunden zum Beispiel Leihgeräte. 
Preise: Ohne Details zu nennen, meldet der Branchenverband VDM in Folge des Materialmangels einen bundesweiten, massiven Preisanstieg bei Möbeln in den vergangenen Monaten. Eine Entspannung der Lage sei nicht in Sicht. Mehrkosten und gestiegene Einkaufspreise würden derzeit nicht an die Kunden weitergegeben, lautet die Auskunft von Hornung. XXXLutz profitiert nach eigenen Angaben von den günstigen Einkaufskonditionen des konzerneigenen Einkaufsverbandes Giga: "Diesen Preisvorteil geben wir an die Kunden weiter".
aug
 
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