Vor allem China und die USA kaufen den deutschen Holzmarkt leer, weil dort das Bauen boomt. Inzwischen bekommt man auch in Mainfranken die Weltmarktpolitik unmittelbar zu spüren: Die Preise für Holz schnellen in die Höhe, Betriebe können kaum noch vernünftig kalkulieren und Lieferzeiten werden zum Rätselraten. Antworten auf die drängendsten Fragen.
Wie hoch sind die Holzpreise auf dem Bau?
Sie haben sich innerhalb der vergangenen Monate verdreifacht, sagt Zimmerermeister Georg Dümler aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Er bezahle heute Worten 900 Euro für den Kubikmeter Bauholz, vor einem Jahr seien es 290 Euro gewesen. Nicht ganz so dramatisch erlebt es Schreinermeister Walter Heußlein in Billingshausen (Lkr. Main-Spessart): Bei Eiche stellt er sein Jahresbeginn eine Preissteigerung "um 30 bis 40 Prozent" fest. Heußlein sieht den Vorteil, dass sein Betrieb Stammkunde bei einem Sägewerk in der Region ist. So komme er besser an Material als andere Kunden.
Mit was müssen Häuslebauer und Kunden von Baufirmen rechnen?
"Der Kunde wird es an den Preisen merken", ist sich Geschäftsführer Manfred Dallner von der unterfränkischen Niederlassung des Landesverbandes Bayerischer Bauinnungen sicher. Konkretes weiß Zimmerermeister Dümler: Im Moment werde der Bau eines klassischen Wohnhauses um bis zu 20 Prozent teurer als in normalen Zeiten.
Was bedeutet die Marktlage für die Handwerksbetriebe?
Sie stecken in der Klemme. Das fängt beim Nachschub an: Weil neben Holz auch andere Waren wie Dämmmaterial oder Stahlteile rar und teuer geworden sind, verzögern sich laut Dallner manche Lieferungen aktuell bis in den September hinein. Zimmerermeister Dümler bekommt nach eigener Aussage mitunter erst sechs Wochen nach der Bestellung von seinen Lieferanten die Auftragsbestätigung. Dann dauere manche Lieferung weitere zwölf Wochen.
Nächste Klemme: Ein Handwerksunternehmer kann kaum noch sinnvoll kalkulieren. Denn innerhalb der mehrwöchigen Frist, innerhalb derer der Betrieb an sein Angebot gebunden ist, änderten sich zurzeit die Preise schlagartig, erläutert Dümler. Das heißt: Ein Unternehmer muss in sein Angebot regelrecht Fantasiepreise schreiben in der Hoffnung, dass er sie am Ende auch erzielt.
Was bedeutet die Marktlage für die Kunden?
Manche Handwerker können wegen des Nachschubproblems nur verzögert oder gar nicht mehr weiterarbeiten, die Kunden müssen warten. Schreinermeister Heußlein, der auch Präsident der Handwerkskammer für Unterfranken ist, hat bereits von Betrieben gehört, die wegen der prekären Marktlage in Kurzarbeit gehen. Und das, obwohl es derzeit viele Aufträge auf dem Bau gebe. "Das liegt nach wie vor an den Nullzinsen, Geld ist da", sagt Manfred Dallner vom Landesverband der Bauinnungen. "Die Auftragsbücher sind voll", bestätigt Obermeister Karl-Frank Bayer von der Dachdecker-Innung Unterfranken.
Zu welchen Situationen führt die Marktlage?
Zimmerermeister Dümler weiß von Handwerksbetrieben, die an diverse Lieferanten gleichzeitig bis zu drei Aufträge in gleicher Sache rausgeben – nur um irgendwie an Material zu kommen. Indes treten wegen der gestiegenen Preise immer wieder Kunden von ihren Aufträgen zurück, hat Kammerpräsident Heußlein beobachtet. Oder umgekehrt: Betriebe sagten sich von einem Auftrag wieder los, weil sie den in Aussicht gestellten Preis nicht mehr halten können. Das verärgere natürlich die Kunden.
Was ist der Grund für die Misere?
Ein weltmarktpolitischer: Chinesische und US-amerikanische Firmen kaufen seit Monaten den deutschen Holzmarkt leer, weil in ihren Ländern in einer Art Corona-Nachholeffekt der Bau boomt. "Das ist keine hausgemachte Preispolitik unseres Handwerks", nimmt Handwerkskammerpräsident Heußlein unterfränkische Betriebe in Schutz. Hinter der "Explosion der Preise" steckt nach Ansicht von Zimmerer Dümler "als treibende Macht die Sägeindustrie". Was derzeit auf dem Holzmarkt abgehe, "nervt ungemein" und sei "alles nicht mehr plausibel".
Welche Ansätze zur Lösung gibt es?
In der Politik könne er keine nennenswerte Bemühung erkennen, an der Marktlage etwas zu ändern, sagt Kammerpräsident Heußlein. Indes gibt es in der Oberpfalz nach Angaben des Landesinnungsverbandes des bayerischen Zimmererhandwerks den Versuch, eine regionale Versorgungsgenossenschaft aufzubauen. So soll der Weg des Holzes vom Wald über die Sägewerke in die Zimmereien so kurz wie möglich werden. Auf eine ähnliche Lösung setzt Heußlein in Unterfranken. Sein Appell: Sägewerke und Holzhändler in der Region sollten vorrangig ihre Stammkunden beliefern.
Wohin führt die Krise?
Schwer zu sagen. Denn es gibt bei all den negativen Vorzeichen auch Stimmen, die zuversichtlich klingen. Obermeister Bayer etwa sieht nicht alle Bereiche des Bauhandwerks gleichermaßen von der Nachschubkrise betroffen. Die Zimmerer treffe es besonders hart. Doch seine Dachdecker-Branche sei gut ausgelastet und komme nach wie vor an Material – wenngleich auch dort die Preise gestiegen sind und eins zu eins an Kunden weitergegeben würden. So zumindest handhabe er es in seinem Betrieb in Lohr.
Die grundsätzliche Misere: Wenn ein Zimmerer keine Dachbalken errichten kann, kann ein Dachdecker auch kein Dach decken. Doch in Unterfranken seien die Dachdeckerbetriebe eher mit Reparaturen bestehender Dächer als mit Neubauten befasst, sagt Bayer. Und da sei Nachschub nach wie vor zu bekommen: "Alles ist irgendwie machbar."
Ähnlich sieht das Zimmerermeister Dümler in Giebelstadt: "Bisher laufen die Baustellen. Jeder hat noch irgendwie Material." Frage sei nur, wie lange. "Es ist alles auf Kante genäht."