Maschinenbauer und Automobilzulieferer jammern, Handwerker jubeln: So lässt sich die Stimmung in den tragenden Bereichen der mainfränkischen Wirtschaft zusammenfassen. Denn während in Teilen der Industrie zurzeit wenig geht, brummen die Geschäfte bei Schreiner, Klempner und Co. nach wie vor. Das geht aus dem am Mittwoch vorgelegten Konjunkturbericht 2019 der Handwerkskammer in Unterfranken hervor.
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Von einer Delle in 2013 abgesehen, ist das regionale Handwerk schon seit neun Jahren auf einem Höhenflug. Freilich hat 2019 der Sonnenschein in den 18 700 Betrieben mit ihren insgesamt 94 000 Beschäftigten gegenüber dem Rekordjahr 2018 leicht nachgelassen.
Jammern auf hohem Niveau
Zur Jahresmitte 2019 hatten noch 95 Prozent der Unternehmen erklärt, dass ihre Geschäfte gut oder befriedigend liefen. Zum Jahreswechsel sank dieser Wert auf 90,1 Prozent. Das alles sei aber Jammern auf hohem Niveau, war am Mittwoch von Experten zu hören.
Dass das Handwerk auch 2020 gut zu tun haben wird, zeigen diese Zahlen: Im Durchschnitt für die folgenden zwölf Wochen liegen Aufträge vor, die Unternehmen sind zu 82 Prozent ausgelastet. Das sind nach wie vor hohe Werte. Zugpferd sei in Unterfranken weiterhin das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe, sagte Kammerpräsident Walter Heußlein am Mittwoch.
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Wenn der Laden läuft, dann hat das aber auch mindestens eine Kehrseite: Die Kunden müssen auch weiterhin zum Teil lange auf einen Handwerkertermin warten. Und, so Heußlein: "Die Verbraucher müssen sich auf steigende Preise einstellen." Grund dafür seien gestiegene Einkaufspreise, die die Betriebe an ihre Kunden weiterreichen.
Fachkräfte- und Azubi-Mangel: Das werden wie in den Vorjahren deutliche Bremsklötze für die Entwicklung der Unternehmen sein, betonte Heußlein. Immerhin gibt es einen Lichtblick: 2759 neue Lehrverträge wurden 2019 im unterfränkischen Handwerk abgeschlossen – das sind 2,7 Prozent mehr als im Jahr davor. Insgesamt machen derzeit 7407 junge Menschen eine Ausbildung, darunter 466 Menschen aus den klassischen Flüchtlingsländern wie Syrien, Nigeria oder Afghanistan.
Der Aufwärtstrend bei den neuen Lehrverträgen sei aber "nur eine Momentaufnahme", sagte Ludwig Paul. Der Hauptgeschäftsführer der Kammer wies darauf hin, dass immer noch 1000 Ausbildungsstellen unbesetzt seien. Es fehlten schlicht und einfach geeignete Bewerber.
Ein Dorn im Fleisch der Handwerker
Das gilt im Handwerk neben dem schon länger anhaltenden Fachkräftemangel als massiver Dorn im Fleisch vieler Betriebe. Nur wer ausbilde, bekomme Fachkräfte, wiederholte Präsident Heußlein am Mittwoch seinen schon mehrfach gehörten Appell.
Beliebtester Ausbildungsberuf ist nach wie vor der Kfz-Mechatroniker, mit großem Abstand vor dem Elektroniker, dem Anlagenmechaniker im Bereich Sanitär/Heizung/Klimatechnik sowie dem Metallbauer. 47 Prozent der Lehrlinge (2010: 67 Prozent) kommen von der Mittelschule, 38 Prozent (25) von der Realschule und 9 Prozent (2) vom Gymnasium. Anders ausgedrückt: Das Bildungsniveau der Azubis ist in den vergangenen Jahren gestiegen.
Warum die Handwerkskammer VR-Brillen einsetzt
Seit geraumer Zeit werben die Handwerkskammern in Deutschland intensiv für eine Berufsausbildung als Gegenstück zum Hochschulstudium. Die Kammer in Würzburg besucht dafür zum Beispiel Schulen, um Berufe vorzustellen. Derlei Kampagnen werde es weiterhin geben, hieß es am Mittwoch.
Dabei setzt das Team von Hauptgeschäftsführer Paul darauf, die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie gerne sind: in der digitalen Welt. Deswegen geht die Kammer neuerdings mit VR-Brillen in Schulen, um anhand von 3D-Filmen die Arbeit von Metallbauern, Bäckern oder Zimmerern vorzustellen. Die Geräte setzen virtuelle Realität (VR) ein, sodass sich der Betrachter mit 360-Grad-Perspektive auf der Baustelle oder im Betrieb umschauen kann. Die Kammer hatte die Brillen zum ersten Mal auf der Mainfranken-Messe 2019 in Würzburg vorgestellt.