Lebendige Innenstädte mit einer großen Auswahl an Geschäften machen eine Stadt lebenswert. Doch in immer mehr Städten ist das Gegenteil der Fall: Gewerblich genutzte Gebäude in guter Lage stehen leer. Auch in vielen unterfränkischen Städten ist das ein Problem. In Schweinfurt sogar ein besonders großes: 70 leerstehende Immobilien zählte der Citymanager Thomas Herrmann Anfang Juli dort. Darunter fallen Gebäude an den Rändern der Innenstadt, aber auch viele in den eigentlichen Toplagen. Hauptaufgabe der Stadt im Engagement gegen den Leerstand ist es laut Herrmann, Vermieter und potentielle Mieter in Kontakt zu bringen.
- Lesen Sie auch: Mit Pop-Up-Stores gegen den Leerstand in Schweinfurt?
Auch in Kitzingen spricht man beim Thema Leerstände von einem "höchst problematischen Feld". In den vergangenen Jahren habe sich deren Anzahl geringfügig erhöht, erklärt die Pressesprecherin der Stadt, Claudia Biebl. Im Frühsommer 2019 gab es laut Biebl 25 leerstehende Läden in der Innenstadt. Das entspreche einer Quote von 20 Prozent. Um passende neue Mieter zu finden, hat die Stadt Passanten gefragt, welche Geschäfte sie sich für die Innenstadt wünschen. Die Ergebnisse der Umfrage stehen laut Biebl noch aus.
Jeder vierte Laden in Gemünden nicht vermietet
Mit 18 Läden ist in der Gemündener Innenstadt (Lkr. Main-Spessart) sogar ein Viertel der Geschäfte nicht vermietet. Die Stadt macht regelmäßig Bestandsaufnahmen und stellt dabei Veränderungen in beide Richtungen fest, erklärt Peter Interwies von der Stadtverwaltung. Es gibt inzwischen einen eigenen Mitarbeiter, der sich um das Problem kümmert und mit den Eigentümern der leeren Geschäfte in Kontakt ist. Außerdem geht die Stadt laut Interwies gezielt auf Gewerbetreibende zu, um diese für eine Geschäftseröffnung in der Innenstadt zu gewinnen. In der Zwischenzeit werden Werke heimischer Künstler in einigen der leeren Schaufenster ausgestellt. Das wertet einerseits die Schaufenster optisch auf, andererseits wird die hiesige Kunstszene unterstützt.
Deutlich besser sieht es in Bad Kissingen aus. "In der 1A-Lage besteht in der Bad Kissinger Innenstadt kein Leerstand", heißt es von der Wirtschaftsförderungsstelle der Kurstadt. Lediglich in den Nebenlagen würden vereinzelt Läden leerstehen. Und auch die langfristige Entwicklung sei positiv: Denn vor zehn Jahren war die Anzahl der Leerstände noch deutlich höher. Eine große Rolle spielen dabei die rund 1,6 Millionen Übernachtungen von Touristen pro Jahr, so die Wirtschaftsförderungsstelle.
Geschäfte vor Ort müssen online präsent sein
In Würzburg ist der Leerstand zwar vergleichsweise gering: 7,2 Prozent beträgt die Quote dort laut dem Sprecher der Stadt Christian Weiß. Man gehe aber auch hier davon aus, dass der Druck auf die inhabergeführten Geschäfte weiter steigen wird, schreibt er. Auch in Würzburg gibt es immer wieder leerstehende Geschäfte in beliebten Einkaufstraßen, zum Beispiel in der Augustiner- oder Kaiserstraße. Grund dafür seien unter anderem der veränderte Anspruch der Kunden und der Internethandel, so der Pressesprecher.
- Lesen Sie auch: Leerstände – Wie schlimm steht es um Würzburg?
Bequem, schnell und oft auch noch versandkostenfrei hat man online eine Auswahl ohne Ladenschluss, die kein Geschäft vor Ort bieten kann. Auch das Rückgaberecht ist bei online gekauften Waren gesetzlich vorgeschrieben, im Laden hat der Kunde diesen Anspruch nicht. Das nutzen viele Menschen gerne: Der Umsatz durch E-Commerce betrug laut dem Handelsverband Deutschland im vergangenen Jahr 53,3 Milliarden Euro. Mit Abstand am häufigsten werden in Internet Kleidung und Elektronikartikel bestellt, heißt es in einer Untersuchung des Kölner Forschungsinstituts EHI Retail. Bei den Versandhändlern liegt Amazon ganz klar auf Platz 1, mit großem Abstand gefolgt von Otto.
Die großen Auswirkungen des Online-Handels bestätigt Christian Seynstahl von der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt (IHK) und erklärt: "Wer im Einzelhandel erfolgreich sein will, muss gegenüber dem Online-Handel einen konkreten Mehrwert schaffen." Das können laut Seynstahl zum Beispiel eine gute Beratung oder ein besonderes Einkaufserlebnis sein. Außerdem sollten die Einzelhändler das Internet für sich nutzen. Das müsse nicht immer der eigene Online-Shop sein. "Aber man sollte zumindest als Händler online auffindbar sein, der Google-Eintrag muss korrekt sein", so Seynstahl. Komplett offline werden nach Meinung des IHK-Experten nur wenige Händler dauerhaft bestehen können.
Auch hohe Mietpreise sorgen für Leerstand
Doch es ist nicht nur das Geschäft im Netz, das den stationären Händlern zu schaffen macht. Rechtsexpertin Uta Wandera vom Handelsverband Bayern (HBE) sieht einen weiteren Grund in den hohen Mietpreisen in Innenstädten. Eine Mieterhöhung könne gerade für kleine Geschäfte schnell zum Problem werden. Hier sieht sie eine Mitverantwortung bei Vermietern. "Sie sollten sich überlegen, ob sie nicht mit einem kleinen Verzicht einen großen sozialen Beitrag leisten können", sagt Wandera.
Ein entscheidender Faktor ist laut Wandera auch, wie gut die Kunden zu den Geschäften gelangen: "Die Städte müssen dafür sorgen, dass die Innenstädte unbeschwerlich erreichbar sind." Viele Städte versuchen, den Autoverkehr aus den Innenstädten zu halten, indem sie zum Beispiel das Parken verteuern. Autofreie Innenstädte seien zwar für die Lebensqualität gut, doch für die Fluktuation in den Geschäften schlecht. "Für den Umsatz ist gerade eine hohe Frequenz an Kunden wichtig", erklärt Wandera.
Wer Innenstädte erhalten will, muss dort kaufen
Park&Ride-Möglichkeiten als Alternative zu Parkplätzen in der Innenstadt sieht sie deshalb kritisch. "Das macht man eher, wenn man den ganzen Tag in einer Stadt ist und nicht, wenn man mal kurz etwas besorgen möchte." Für diese schnellen Besorgungen müssten die Städte Möglichkeiten schaffen. Eine davon ist die "Brötchentaste", mit der man in einigen Städten, zum Beispiel in Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt) oder Haßfurt, eine halbe Stunde kostenlos parken kann, um kurz zum Bäcker oder zur Bank zu gehen.
"Neben all diesen Faktoren spielt natürlich der Konsument die entscheidende Rolle", sagt Christian Seynstahl von der IHK. Denn dieser entscheide, wo er einkauft. Auch Uta Wandera vom HBE appelliert an die Kunden, vor Ort einzukaufen und auch mit den Ladeninhabern zu sprechen. So könne man zum Beispiel seine Wünsche äußern, welche Produkte man dort gerne hätte. "Letztendlich ist es eine gesellschaftliche Frage, wie wir uns in Zukunft unsere Innenstädte wünschen und was wir dafür tun", sagt Wandera.