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Würzburg/Schweinfurt
Corona setzt Mainfrankens Wirtschaft immer heftiger zu
Die Alarmglocken schrillen sehr laut: Experten zufolge treibt die Corona-Krise immer mehr Firmen in der Region in die Not. Die Zeit zum Überleben wird für sie knapp.
Im Maschinenbau und unter den Autozulieferern hat die Corona-Krise derzeit verheerende Folgen. Indes steuern in Mainfranken auch in anderen Branchen offenbar immer mehr Firmen auf das endgültige Aus zu.
Foto: Jan Woitas | Im Maschinenbau und unter den Autozulieferern hat die Corona-Krise derzeit verheerende Folgen. Indes steuern in Mainfranken auch in anderen Branchen offenbar immer mehr Firmen auf das endgültige Aus zu.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:34 Uhr

Dass die Corona-Krise zurzeit der Wirtschaft im Land das Wasser abgräbt, ist bekannt. Doch jetzt malen Fachleute aus Mainfranken ein besonders düsteres Bild – auch für die Zeit nach der Krise. Immerhin gibt es einige wenige Lichtblicke.

Heftig Alarm schlug am Mittwoch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. Sie hat in einer erneuten Blitzumfrage unter 184 Unternehmen in Mainfranken ermittelt, dass knapp die Hälfte vor dem Aus steht, sollten die von der bayerischen Staatsregierung angeordneten Betriebsschließungen bis Ende April anhalten.

Wer überlebt, muss wahrscheinlich den Gürtel massiv enger schnallen. Denn 71 Prozent der befragten Betriebe rechnen damit, dass bis Jahresende ihr Umsatz bis zur Hälfte des erwarteten Wertes schrumpft. 30 Prozent gehen von Einbußen um bis zu einem Viertel aus, so die IHK in einer Mitteilung.

Die Kammer hatte schon in den vergangenen Wochen solche Corona-Blitzumfragen gemacht. Die Aussichten der Unternehmen haben sich seither permanent verschlechtert. "Nicht wenige kämpfen bereits heute um ihr Fortbestehen", sagte der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Sascha Genders.

Drei Viertel der Unternehmen in der Region greifen nach dem rettenden Strohhalm, weil sie laut IHK Liquiditätshilfe des Staates beantragten. 41 Prozent haben ihr Geschäft kurzerhand digitalisiert und zum Beispiel Online-Shops eingerichtet. 28 Prozent verkaufen neuerdings Gutscheine, um zumindest noch ein bisschen Umsatz zu machen.

Derweil haben sich elf Chefredakteure der auf bundesweite Wirtschaftsmagazine spezialisierten Vogel Communications Group in Würzburg Gedanken zur Lage gemacht. Ihre in einer Mitteilung zusammengetragenen Einschätzungen beziehen sich auf Deutschland, "können aber eins zu eins runtergerechnet werden" auf Mainfranken, wie Verlagssprecher Gunther Schunk gegenüber dieser Redaktion sagte. Kernaussage: Es gibt wenig Licht und viel Schatten.

"Die Corona-Krise setzt die ohnehin gestresste Automobilindustrie zusätzlich unter Druck", ist die Meinung von Claus-Peter Köth, Chefredakteur des Vogel-Magazins "Automobilindustrie". Zum Beispiel in Schweinfurt sitzt mit ZF ein wichtiger Zulieferer mit gut 9000 Beschäftigten.

Zwar geht Köth davon aus, dass – wenn alles gut läuft – die Autofabriken in Europa bis Ende Juni "wieder auf 80 bis 100 Prozent" hochfahren könnten. Aber: Damit nach der Corona-Krise die Menschen wieder Autos kaufen, "wird es viele verkaufsfördernde Ideen von Herstellern und Politik brauchen – etwa eine neue Abwrackprämie".

Ruf nach einer neuen Abwrackprämie

Mit dieser Prämie hatte die Bundesregierung 2009 der von der Finanzkrise gebeutelten Auto-Branche unter die Arme gegriffen. Die Menschen im Land bekamen 2500 Euro, wenn sie ihr altes Auto verschrotteten und ein neues kauften.

Köths Kollege Wolfgang Michel vom Magazin "Kfz-Betrieb" sieht über dem Autohandel ebenfalls tiefdunkle Wolken. Das Geschäft vieler Autohäuser sei wegen Corona nahezu zum Erliegen gekommen. Der Handel mit Gebrauchtwagen "befindet sich im Sturzflug".

Unter was insbesondere der Maschinenbau leidet

Hinzu komme, dass Zulassungsstellen vielerorts fürs Publikum geschlossen seien und so die Auslieferung bestellter Fahrzeuge stocke. Auf diesen Umstand hatte kürzlich schon Roland Hoier als Obermeister der Kfz-Innung Unterfranken im Interview mit dieser Redaktion hingewiesen.

Im Maschinenbau sehen die Vogel-Chefredakteure Benedikt Hofmann und Udo Schnell ("MM Maschinenmarkt") eine weitere Facette der Corona-Krise: Sie habe die internationalen Lieferketten lahmgelegt. Das heißt: Fabriken hierzulande bekommen schlecht Nachschub für ihre Produktion.

Viele Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau können in diesem Jahr den durch Corona ausgelösten Umsatzrückgang von bis zu 30 Prozent nicht mehr ausgleichen. Davon ist Chefredakteurin Ute Drescher ("Konstruktionspraxis") überzeugt. Ein Viertel der Betriebe im Land werde heuer die Investitionen um bis zu 50 Prozent herunterfahren. "Leider also insgesamt düstere Einschätzungen."

"Der Logistik wird eine überragende Rolle zukommen."
Chefredakteur Bernd Maienschein über die Zeit nach der Corona-Krise

Der Würzburger Verlag mit seinen 820 Beschäftigten und zuletzt 100 Millionen Euro Jahresumsatz gibt nach eigenen Angaben etwa 100 Fachmedien heraus, deren Druckauflage bei insgesamt 250 000 Exemplaren liegt. In ihren jetzt präsentierten Analysen sehen die Vogel-Experten aber auch den einen oder anderen Silberstreif am Corona-Himmel.

So werde nach der Krise der Logistik "eine überragende Rolle zukommen", wie Chefredakteur Bernd Maienschein ("MM Logistik") schreibt. "Denn dann will jeder möglichst schnell wieder alles haben." Gut gehe es derzeit Anbietern von Labor- und Analysetechnik, meint Marc Platthaus von "Laborpraxis".

Und dann sind da noch die Start-ups

In das Horn der Klagen stößt auch die Gründerszene in Mainfranken. Gravierend wirke sich insbesondere aus, dass laufende Finanzierungsrunden ins Stocken geraten und dass die für Start-ups so wichtigen Messen wegen Corona abgeblasen wurden, hat Gerhard Frank vom Innovations- und Gründerzentrum (IGZ) in Würzburg beobachtet. Er kenne erste Start-ups, die auf die Insolvenz zusteuern. Überhaupt sei die Zahlungsfähigkeit vieler Jungunternehmen derzeit sehr angespannt.

Die IHK und die Handwerkskammer für Unterfranken haben im Internet Corona-Extras für Unternehmen eingerichtet. Außerdem gibt es Telefon-Hotlines. Die Links und Nummern sowie weitere nützliche Infos rund um die Corona-Krise finden Sie in unserem regionalen Wirtschaftsblog: www.mainpost.de/im-plus

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