Wie in vielen anderen Bereichen schrillen wegen der Corona-Krise zurzeit auch im Autohandel die Alarmglocken. So haben Branchenverbände in dieser Woche in einer gemeinsamen Mitteilung darauf hingewiesen, dass in Deutschland Tausende neuer oder gebrauchter Autos nicht an die Kunden ausgeliefert werden können, weil die Zulassungsbehörden krisenbedingt die Arbeit ganz oder teilweise eingestellt hätten.
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In der Tat sind diese Ämter in Mainfranken nur noch telefonisch oder via Internet zu erreichen, weil der Publikumsverkehr in den Verwaltungen unterbunden worden ist. Persönliche Termine seien nur in dringenden Fällen und nur nach Vereinbarung möglich, teilen zum Beispiel die Landratsämter Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen und Kitzingen mit.
Nach Ansicht von Roland Hoier führt diese Einschränkung tatsächlich zu jenen Problemen, wie sie die Kfz-Branchenverbände in dieser Woche verkündet haben. Der Obermeister der Kfz-Innung Unterfranken ist selbst Autohändler in Veitshöchheim bei Würzburg und hat beobachtet, dass Autohäuser in der Region zurzeit bis zu 90 Prozent Umsatzeinbußen haben.
In welchem Maße spüren Autohändler, dass Kfz-Zulassungsstellen wegen Corona nur noch eingeschränkt erreichbar sind?
Roland Hoier: Anfangs haben die unterfränkischen Zulassungsstellen unterschiedlich auf die aktuelle Situation reagiert. Es gab Zulassungsstellen, die überhaupt keine Fahrzeuge mehr zugelassen haben, aber es gab auch Zulassungsstellen, die im Rahmen der Vorgaben der Ausgangsbeschränkungen noch Publikumsverkehr – allerdings nur mit Terminvereinbarung – zugelassen haben. Diese unterschiedlichen Vorgehensweisen waren für unsere Kfz-Betriebe frustrierend, weil sie die Arbeit sehr erschwert haben. Außerdem wurde dadurch vor allem auch ihre systemrelevante Aufgabe – nämlich das Aufrechterhalten der individuellen Mobilität – massiv beeinträchtigt. Aus diesem Grund haben wir alle unterfränkischen Landräte sowie die Oberbürgermeister der Städte Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg angeschrieben und auf diese Probleme hingewiesen.
Wie haben sie reagiert?
Hoier: Zu unserer Freude haben wir von fast allen eine Rückmeldung bekommen, verbunden mit der Zusage, An- und Abmeldungen von Fahrzeugen aus systemrelevanten Bereichen, aber auch von Privatpersonen, die einen triftigen Grund haben, wieder zur ermöglichen. Hier ein Dankeschön für diese Zusammenarbeit.
Wie sehr staut sich zurzeit die Auslieferung von Autos an die Kunden?
Hoier: Bei allen Kfz-Betrieben mit Handel stauen sich die Fahrzeuge, seien es Neuwagen oder seien es Gebrauchtwagen. Ein großer Händler hat uns beispielsweise mitgeteilt, dass er 300 Fahrzeuge ausliefern könnte – wenn die Zulassung möglich wäre. Das alleine zeigt schon die erreichten wirtschaftlichen Dimensionen und die große Bedeutung, die ein funktionierendes Zulassungswesen nicht nur für das Kfz-Gewerbe, sondern auch für die Allgemeinheit hat. Denn diese Fahrzeuge werden ja bei unseren Kunden auch erwartet und gebraucht.
Welche Umsatzeinbußen sind im Durchschnitt damit für Händler in der Region verbunden?
Hoier: Das ist sehr unterschiedlich. Im Zuge der Corona-Maßnahmen kommen ja viele Faktoren zusammen, die das Wirtschaftsleben beeinflussen. Beispielsweise ist stationärer Handel untersagt, der Online-Verkauf aber nicht. Wichtige Reparaturen zur Sicherung der Mobilität dürfen durchgeführt werden, aber keine Schönheitsreparaturen. Ein Reifenwechsel sollte auch nur aus sicherheitsrelevanten Gründen stattfinden, zum Beispiel bei abgefahrenen Reifen. Trotzdem dürfen Kfz-Werkstätten oder Autohäuser mit Werkstatt geöffnet bleiben. Die bayerische Staatsregierung hat sie explizit als systemrelevant eingestuft. Es ist also eine sehr komplexe Situation. Aktuell haben uns bereits Betriebe mitgeteilt, dass sie Auftragsrückgänge und damit entsprechend auch Umsatzeinbußen in der Werkstatt und beim Verkauf von bis zu 90 Prozent verzeichnen.
Update, 6.4.20: Die Kfz-Innung Unterfranken hat nach diesem Interview explizit darauf hingewiesen, dass der Wechsel von Winter- auf Sommerreifen in Werkstätten derzeit ebenfalls erlaubt ist. Es gelten dabei die allgemeinen Hygiene- und Abstandsregeln, so die Mitteilung.
In welchen Regionen Unterfrankens tritt das Problem am intensivsten auf?
Hoier: Nach unseren Erkenntnissen gibt es keine regionalen Unterschiede.
Können Sie Beispiele von Händlern schildern, wie sie mit der Lage umgehen? Gibt es gar kreative oder ungewöhnliche Lösungen?
Hoier: Schon vor den Ausgangsbeschränkungen war Sauberkeit immer ein Thema, denken Sie allein an die Showrooms. Jetzt ist Hygiene natürlich besonders wichtig und die Kfz-Innungsbetriebe haben weitere Vorkehrungen zur Vermeidung von Infektionen getroffen. Sie stellen zum Beispiel Desinfektionsmittel zur Verfügung, Fahrzeuge und der Betrieb werden oft gereinigt, es wird viel gelüftet. Alle achten darauf, dass der vorgeschriebene Abstand eingehalten wird, um die Kunden, aber auch die eigenen Mitarbeiter zu schützen. Sehr viele Betriebe bieten inzwischen einen Hol- und Bringservice an. Uns hat ein Betrieb berichtet, dass er den Kunden entscheiden lässt, was ihm dieser Hol- und Bring-Service wert ist. Die Kunden wissen erfreulicherweise diesen Service sehr zu schätzen, da sie ihn entsprechend honorieren.
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