Wenn man so will, dann treibt Armor Solar Power Films die dezentrale Versorgung mit Sonnenenergie auf die Spitze. Deren organische Photovoltaik-Module lassen sich nahezu überall einbauen: in Balkonbalustraden, Kleidungsstücken und Vorhängen, aber auch auf Autodächern, in Smartphones und in der Sensorik. Die Paneele aus Kitzingen sind biegsam, leicht, ultradünn und lange haltbar.
"Bei uns steht die Funktionalität im Vordergrund", unterstreicht Geschäftsführer Ralph Pätzold. "Wir sind kein Produzent von PV-Modulen, sondern liefern solar-aktive Oberflächen-Komponenten, die sich nahezu überall integrieren lassen." Das unterscheide Armor Solar auch deutlich von klassischen PV-Herstellern.
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"Solarparks oder Aufdachanlagen sind nicht unser Geschäft. Das sind aus unserem Verständnis auch nur die oberen 10 bis 15 Prozent des potenziellen PV-Eisbergs. Wir tauchen in den weitaus größeren Bereich ein, der noch nicht sichtbar ist", sagt der 45-Jährige, während er in einem Gebäude im Kitzinger Innopark steht, genauer gesagt in einem Reinraum. Dort wird das polymere Halbleitermaterial auf eine Folie aufgedruckt. Anschließend wird es mit einem Laser je nach Bedarf zugeschnitten und verklebt.
"Das Prinzip des Aufdruckens ist ähnlich wie bei Schokoriegeln, wenn sie mit Schokolade überzogen werden: Dort fließt die Schokomasse wie ein Vorhang und die zu beschichtende Folie fährt hindurch", erklärt Pätzold, ein promovierter Werkstoffwissenschaftler. Er spricht gerne in Bildern, um den alternativen Ansatz von Amor Solar herauszustellen.
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"Wir haben mal eine Gartenlampe mit PV-Modulen in Blütenform entwickelt. Auf der Messe haben uns fast alle PV-Techniker gefragt, welche Effizienz sie bringt. Dabei ist es doch für deren Akzeptanz viel wichtiger, wie lange sie tatsächlich leuchtet, wenn es dunkel ist", sagt der Familienvater und fügt an, dass die Lampe praktisch die komplette Nacht durchhalte.
"Unsere Solartechnologie schafft 50 bis 60 Watt pro Quadratmeter. Dafür reichen ihr aber bereits schwache Lichtverhältnisse – und die Module sind teiltransparent." Das sei ein großer Vorteil, allen voran bei den erwähnten Balkonbrüstungen und Lamellenvorhängen, die wie kleine, grüne Kraftwerke funktionierten. "Es kommt Licht durch, aber man kann von außen trotzdem nicht hineinschauen. Gleichzeitig bieten die Paneele eine Verschattung, so dass es dahinter nicht zu heiß wird."
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Demnächst beliefert Armor Solar für ein großes Wohnbauprojekt die Balustraden – auf einer Gesamtfläche von rund 400 Quadratmetern. "Besonders viel Potenzial für unsere PV-Komponenten sehen wir in großen, dichten Megacitys im Pazifischen Raum, wie zum Beispiel in Singapur", sagt Pätzold, der als Innovationsexperte für die Europäische Kommission aktiv ist. Vor Kurzem hat sein Unternehmen den renommierten Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten – in der Kategorie: Transformationsfeld Klima.
"Die Energie, die wir in die Produktion unserer PV-Oberflächen und die dazu notwendigen Materialien stecken, ist gering. Sie amortisiert sich nach der Inbetriebnahme binnen weniger als 10 Wochen. Das ist sehr nachhaltig und umweltfreundlich. Bei klassischen PV-Modulen sind es eher ein oder sogar zwei Jahre – nicht zuletzt dann, wenn sie in China hergestellt und hierher transportiert werden", betont Pätzold.
Auch wenn die Amor-Solartechnik als organisch bezeichnet wird, besteht die Oberfläche nicht aus grünem Moos. "Dieser Begriff bezieht sich auf ein großes Teilgebiet der Chemie, das auf Kohlenstoffen basiert", erklärt der gebürtige Nürnberger. Die Oberfläche sei überwiegend aus hochwertigem Plastik, wie er auch für PET-Flaschen genutzt werde. "Wir kommen komplett ohne Seltene Erden und Schwermetalle aus."
Wer Armor Solar ist
2019 ist die Vorgängerfirma namens Opvius von der französischen Gruppe Armor Solar Power Films gekauft worden – und hat auch deren Bezeichnung übernommen. "Wir ergänzen uns gut und wollen gemeinsam mit einem Produkt am Markt auftreten", berichtet Pätzold. Rund 35 Mitarbeiter aus acht Nationen sind an den beiden deutschen Standorten in Kitzingen und Nürnberg beschäftigt. Der französische PV-Bereich von Armor Solar ist etwas größer und in Nantes angesiedelt.
Der Geschäftsführer zieht einen (historischen) Vergleich, um das Potenzial der organischen Solartechnologie zu demonstrieren: "Die ersten großen Personenzüge gab es schon in den 1880er Jahren. Sie hatten um die 1000 PS und 400 Sitzplätze. Dann kam Carl Benz mit dem ersten Prototyp eines Automobils um die Ecke, was im Vergleich dazu ziemlich mickrig war. Er hatte zwei Sitze und 0,75 PS. Anfangs wurde er belächelt. Wir alle wissen, was daraus in der Folge geworden ist, weil plötzlich andere Faktoren wichtiger wurden."
Soll heißen: Die Erfolgsgeschichte von Amor Solar könnte noch ganz am Anfang stehen.
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie über Nachhaltigkeit in mainfränkischen Unternehmen. Nächste Folge: Warum der Greußenheimer Versandhändler Memo mit Nachhaltigkeit so großen Erfolg hat.