Was sollten Nutzer von Medien wie Tageszeitungen erfahren, was über die reine Berichterstattung hinausgeht? Ein immer unverzichtbareres Plus ist der Blick auf die redaktionelle Arbeit geworden. Vor der Jahrtausendwende wurde der in Veröffentlichungen kaum gepflegt. Niemand hat von Tageszeitungen solche Einblicke erwartet. Heute gilt Transparenz als ein Baustein zu zukunftsfähigem Journalismus. Demgegenüber fördern undurchsichtige Beiträge Misstrauen und sind oft Merkmal falscher Nachrichten.
Ist Verschweigen wirklich mal notwendig, so etwa beim gesetzlich gesicherten Informantenschutz, muss es erklärt sein.
Empfänger sind zu Sendern geworden
Angesagt ist weitgehende Transparenz. Sie hat den Vorteil, dass sie den Unterschied zwischen vertrauenswürdigen und undurchsichtigen Quellen machen kann. Denn in der kaum noch überschaubaren Kommunikationswelt des Internet erreichen auch Beiträge von Tageszeitungen mehr Menschen als jemals zuvor. Und die sind nicht mehr nur Empfänger, sondern oft selbst aktive Sender. Also solche nutzen sie diverse Möglichkeiten. Das ist geht schneller als Leserbriefe in die Zeitungsredaktion zu schicken. Und es ist keinem regelmäßigen Internet-Nutzer fremd, dass die in unbegrenzter Freiheit verbreiteten Urteile zuweilen gnadenlos ausfallen oder falsche Behauptungen bösartig und rufschädigend sind.
Mehr als der Name des Autors
Deshalb muss Transparenz für journalistische Medien mehr sein als der Name des Autors. Der kann selbst wesentliche Beiträge weiter verbessern, wenn er auch genug über seine Intentionen, Recherchen und Quellen einfließen lässt oder hinzufügt. Und es ist Wahrhaftigkeit, wenn er preisgibt, wo er dabei selbst Zweifel hatte oder noch hat. Gerade Journalisten, die selbst beständig Transparenz von Politikern einfordern, sollten in der Lage sein mit gutem Beispiel voranzugehen.
"Wo gibt es das in Deutschland?"
Als beispielhaft hat Michael Barbaro in seinem „New York Times“-Podcast „The Daily“ dargestellt, wie eine Journalistin in einem Artikel selbst eingesteht, wo ihr Wissen endet. Verbreitet hat es Thomas Knüwer (früher Handelsblatt) im Internet-Blog „Indiskretion Ehrensache“. Ich habe es aus einem kritischen Artikel herausgelesen. Pessimistisch hat Knüwer die Frage angehängt:
„Journalisten, die eingestehen, dass sie NICHT alles wissen. Wo gibt es das in Deutschland schon?“
Stattdessen, so geißelt Knüwer, werde jede Form von Kritik ja direkt als Majestätsbeleidigung empfunden. Auch Main-Post-Autoren, so ergänze ich in eigener Sache, können mit ehrlichen Eingeständnissen Vertrauen und Glaubwürdigkeit verbessern. Sie könnten zuweilen erklären, warum sie zu einem Thema, zu dem ein nüchterner Bericht möglich war, eine bunte Geschichte geschrieben haben.
Dialog ohne Majestätsbeleidigung
Überhaupt gibt es im Journalismus fast nie nur eine Möglichkeit, eine Nachricht zu vermitteln, ein Ereignis zu schildern oder ein Thema zu erklären. Redaktionen diskutieren zuweilen kontrovers, welche Darstellungsform am geeignetsten ist und sie kritisieren auch eigene Veröffentlichungen. Vielleicht sollten sie das öfter auch ihre Leserschaft erkennen lassen, ebenso wie Bereitschaft zu einem kritischen Dialog, bei dem keine Majestätsbeleidigung auftritt.
Weitere Leseranwalt-Kolumnen zu Transparenz im Journalismus
"Eingestehen wo das Wissen des Journalisten endet" (2017)
"Guter Vorsatz für 2017": Mehr Quellenklarheit" (2017)
"Wenn ein Berichterstatter in das berichtete Ereignis selbst eingebunden war" (2013)
"Interessenskonflikte von Autoren müssen erkennbar sein" (2017)
Anton Sahlender, Leseranwalt, auch www.vdmo.de