
Es sind unerträgliche Bilder, bei deren Anblick es einem den Magen umdreht – und zugleich die Zornesader anschwellen lassen: Rinder werden stümperhaft betäubt. Sie hängen an Schlachthaken, bäumen sich auf. Andere Tiere werden mit Elektroschockern misshandelt und bei Bewusstsein aufgeschlitzt. So geschehen in einem Tauberbischofsheimer Schlachthof.
Das Schlimme ist: Es handelt sich dabei nicht um einen empörenden Einzelfall in der Provinz. Vielmehr ist es der vierte Skandal dieser Art innerhalb eines Jahres. Diese Häufung deutet auf ein breites Versagen innerhalb des Systems Tierschlachtung hin. Deshalb kann die Konsequenz nur lauten: Schluss mit Vertuschung und wohlfeilen Ausreden und stattdessen schonungslose Beseitigung der Misstände!
Verordnungen werden in Schlachthöfen oft ignoriert
Die erschütternden Videodokumente aus Tauberbischofsheim sind geradezu eine Verhöhnung des Paragraphen 4 der Tierschutz-Schlachtverordnung.
Dort heißt es: „Schlachthöfe müssen von ihren Baumerkmalen, ihren Anlagen und Ausrüstungen sowie ihrem Betrieb her so ausgelegt sein, dass die Tiere von ungerechtfertigten Schmerzen, Leiden, Schäden und schwerer Angst verschont bleiben.“ Und eine andere Vorschrift, wonach dafür Sorge zu tragen ist, „dass ein rasches und wirksames Betäuben und Schlachten oder Töten möglich ist“, wird in vielen Schlachthöfen offenkundig ignoriert. Wie kann es sein, dass so massiv gegen diese Verordnung verstoßen wird?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Auf dem Schlachthof-Personal lastet in der Regel ein enormer Zeitdruck. Oft wird im Akkord gearbeitet. Das geht zu Lasten der Sorgfalt – und mündet meist in Tierquälerei. Ein Mitarbeiter der Tauberbischofsheimer Firma, die zu den Exklusivlieferanten der Fastfood-Kette McDonald's gehört, berichtete dem Fernsehmagazin „stern TV“: „Wenn mehr geschlachtet wird, dann ist auch mehr Druck da. Das Tier ist gestresst, die Arbeiter sind gestresst, und dann kommen eben solche Dinge zustande, dass es mit dem Bolzenschuss nicht klappt.“
Töten im Akkord, ohne Qualen für die Tiere, das klappt nicht
In einem Dürener Schlachthof, wo Mitglieder des gemeinnützigen Vereins „Soko Tierschutz“ kürzlich ebenfalls unhaltbare Zustände bei der Tierschlachtung festgestellt hatten, zog das Schlachtunternehmen Konsequenzen: Dort werden jetzt 25 Tiere pro Stunde statt früher 35 getötet. Tierschutzverbände fordern dies seit langem. Denn Töten ohne Qualen und auch noch im Akkord – das kann nicht funktionieren.
Auch die Mitarbeiter der Veterinärämter spielen im System Schlachthof oft eine unrühmliche Rolle. Nach Auskunft des Landratsamtes Main-Tauber sind bei jeder Schlachtung zwei Tierärzte anwesend. Da stellt sich die Frage: Was machen die da eigentlich? Wieso sind ihnen die gravierenden Verstöße gegen die Schlachtverordnung nicht aufgefallen? Die Behörde will jetzt prüfen, ob Verfehlungen des Personals vorliegen. Man darf auf die Antworten gespannt sein.
Die „Soko Tierschutz“ fordert, örtlichen Behörden grundsätzlich die Kontrolle über Schlachthöfe zu entziehen. Es sei nicht gut, so die Begründung, wenn regionale Ämter regionale Betriebe kontrollieren. Da entstehe „manchmal ein merkwürdiger Corpsgeist“. Besser ist jene Lösung, die neuerdings in Düren praktiziert wird. Dort überwacht jetzt auf Drängen des Landes auch ein externer Gutachter die Abläufe. Dadurch ist auf jeden Fall eine größere Unabhängigkeit möglich.
Grundsätzlich muss sich eine humane Gesellschaft jedoch die Frage stellen, was sie bereit ist, Tieren anzutun, um sie zu verzehren. Dazu gehört neben den Schlachtbedingungen ebenso die oft problematische Tierhaltung sowie der nicht selten grausame Transport zum Schlachthof. Wer sich vor den unbequemen Antworten drückt, darf sich über Bilder wie aus Tauberbischofsheim nicht wundern.