
Um eine Zeitung ganz zu verstehen, ist es gut, ab und zu einen Blick auf ihre Arbeitsabläufe zu werfen. Das gehört zur Transparenz. Aktuell liefert mir eine Leserbrief-Veröffentlichung auf der Leserseite vom 17. Dezember Grund dafür. Darin wurde folgende Schlagzeile auf der Titelseite der Zeitung vom 10.12. kritisiert: "Im Süden drohen Stromabschaltungen".
Leser missbilligt die Schlagzeile auf der Titelseite
Stattdessen hätte da stehen müssen "Stromabschaltungen bleiben unwahrscheinlich", argumentiert der Briefabsender mit Verweisen auf den Artikelinhalt. "Hat diese Zeitung derart reißerisches Gehabe wirklich nötig?" - mit dieser Frage missbilligt er die Schlagzeile vom 10. Dezember. "Seriös geht anders", urteilt er und richtet diese Wertung gleich einer Schuldzuweisung an die beiden Autoren des Artikels.
Eine Zuspitzung, der reißerisch wirken konnte
Zutreffender als die am 10.12. verbreitete Schlagzeile, das meine auch ich, wäre des Lesers Überschriftenvorschlag gewesen. Schließlich war über widersprüchliche Äußerungen zur Sicherheit der Stromversorgung berichtet worden. Der Schwerpunkt war aber eher entwarnend. Der mit Abschaltungen drohende Titel spitzt die Situation etwas zu. Ich schließe nicht aus, dass das derzeit auf Menschen reißerisch wirken konnte.
Schuldzuweisung an die Autoren zielt daneben
Eine Erklärung der Redaktion zu jenem Leserbrief hätte gut getan. Denn die Schuldzuweisung des Lesers für einen verfehlten Titel an die beiden namentlich genannten Autoren zielt daneben. Autoren senden ihre Beiträge nur mit Vorschlägen für eine Überschrift an die Redaktion. Diese werden dann gerne angenommen, wenn sie ins vorgegebene Layout passen. Der Text kann auf der Seite nun aber über eine oder auch über mehrere Spalten platziert sein. Das erfordert auch unterschiedliche Längen der Titelzeile und oft Änderung eines Autoren-Vorschlages.
Titel kam aus Augsburg
Die hier kritisierte Titelzeile war nicht von den Autoren selbst, sondern entstand nach meinen Recherchen wohl erst in der Redaktion. Aber nicht der für die Main-Post zuständige "Printdesk Überregional" hat diesen Titel gemacht, wie nun die unterfränkische Leserschaft annehmen könnte. Er kam schon so von der Augsburger Allgemeinen und wurde hier unverändert übernommen. Die redaktionelle Kooperation mit dem Blatt in Schwaben ist fortgeschritten. Als Herzstück der Mediengruppe Presse-Druck Augsburg, zu der auch diese Zeitung und das Südkurier Medienhaus in Konstanz gehören, werden die gedruckten und digitalen Angebote der Tageszeitungsmarken genannt.
Änderungen sind auch in Würzburg möglich
Nahezu alle nationalen und internationalen Beiträge erreichen die Main-Post über die Augsburger Redaktion. Möglich ist es danach dennoch, dass der Printdesk hier die Überschriften nochmal ändert. Je nachdem, wie es das eigenen Layout erfordert. Da können zuweilen auch Textkürzungen nicht ausbleiben - selbstverständlich nur ohne den Sinn zu verändern.
Artikel gehen durch mehrere verantwortliche Hände
Die Redaktionsmitglieder dieser Zeitung - befreit von einigen Aufgaben - konzentrieren ihre eigenen Rechercheleistungen auf lokale und regionale Themen und Ereignisse. Das gilt als Vorteil der Kooperation. Dennoch bleibt der Main-Post Redaktion, bestätigt durch das Impressum auf Seite 2, die Verantwortung für alle Beiträge erhalten, die bei ihr erscheinen. Schon deshalb hätte sie die Autoren nicht alleine im Regen stehen lassen dürfen und dem Leserbrief erklärend hinzufügen sollen, dass überregionale Überschriften wie Artikel stets durch mehrere verantwortliche Hände gehen.
So sollte die Ursache für einen Fehler ohnehin nie einer Person anzulasten sein. Auch in den Leitlinien der Redaktion ist zu lesen: "Wir arbeiten nach dem Vier-Augen-Prinzip. Das heißt, jeder journalistische Beitrag wird von mindestens einem Kollegen gegengelesen und geprüft."
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Ergänzende Leseranwalt-Kolumnen zum Thema:
2011: "Wer die Zeitung wirklich gelesen hat, ist gut informiert und kann mitreden"
2017: "Transparenz, Baustein für Glaubwürdigkeit"
2018: "Vorteile von Kooperationen der Tageszeitungen"
2019: "Empfehlung für mehr Transparenz"
2021: "Was ein doppelt erschienener Leitartikel zeigt"
2022: "Was einem sehr guten Artikel aus Russland zur Perfektion fehlt"
Aber nein, immer schön alles an die grosse Glocke hängen.
Im übrigen ist diese Überschrift es nicht wert, sich künstlich aufzuregen, zerrt nur am Nervenkostüm und man bekommt graue Haare.
Einfach handeln wie Balu, der Bär:
"Versuchs mal mit Gemütlichkeit"
Gutes Neues, möglichst ohne künstliche Aufregung und mit Gemütlichkeit wünscht,
Anton Sahlender, Leseranwalt