In meiner letzten Leseranwalt-Kolumne habe ich schon die redaktionelle Bearbeitung von Pressemitteilungen kritisiert. Im beschriebenen Fall ging es beispielhaft um 175 Zeilen einer Mitteilung der Pressestelle des Landratsamtes, die im Würzburger Lokalteil 1:1 übernommen worden waren. Aber nur für drei einzelne Informationen aus dieser amtlichen Öffentlichkeitsarbeit, auch Public Relations (PR) genannt, war die Quelle angegeben worden.
Diese Bearbeitung der Pressemitteilung ließ auch die falsche Anmutung zu, alle anderen Informationen wären von der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter, die/der mit einem Kürzel am Textende gezeichnet hatte, selbst recherchiert worden. Meine daran öffentlich gemachte Kritik hat dann wohl einen Herrn M. T. angespornt, noch eines draufzusetzen. So behauptet er in einem Sozialen Netzwerk, Recherchen und eigene Leistungen seien nur noch in wenigen Artikeln der Tageszeitung zu erkennen. Das meiste sei eingekauft oder abgeschrieben.
Knahn: "Mehr als 70 Reporterinnen und Reporter arbeiten in den Main-Post-Redaktionen"
Dass diese Behauptung nicht zutreffen kann, lässt sich schon an den vielen Autorennamen ermessen, die beim Blättern durch die Zeitung über den Beiträgen sichtbar werden. Dass darin auch Statistiken des RKI zitiert werden, nationale und internationale Artikel von Journalistinnen und Journalisten der Deutschen Presseagentur (DPA) kommen müssen, ist eine nicht kritikwürdige Grundlage für Vollständigkeit. Denn das diente M. T. ebenfalls als Vorwurf.
Ivo Knahn, stellvertretender Chefredakteur der Main-Post, hat Herrn M. T. im Sozialen Netzwerk geantwortet. Ich zitiere aus seinen informativen Worten: "Lokal und regional arbeiten mehr als 70 Reporterinnen und Reporter in den Main-Post-Redaktionen. Dazu kommen mehrere hundert freie Mitarbeiter:innen. Überregional kommen Analysen und Hintergründe von den Kolleg:innen unserer Mutter in Augsburg (Augsburger Allgemeine). Gemeinsam haben wir Korrespondent:innen in Berlin, Brüssel, Washington, London, Paris und anderen Städten. Zusätzlich kaufen wir Inhalte bei der DPA ein (wo im übrigen auch Profis arbeiten)."
Was Mitteilungen aus unkritischen Quellen sind
Knahn fährt fort: "Pressemitteilungen (PM) kommen im Lokalteil vor allem aus unkritischen Quellen (etwa Vereinen, Kindergärten, Schulen), die wir oft nicht mehr bearbeiten, weil das völlig unkritische und unjournalistische Inhalte sind. Im aktuellen Fall (Landratsamt zu Lang-Lkw) verweisen wir mehrfach im Text darauf, dass die Quelle eine PM war. Natürlich war der Text zu lang und braucht eine zweite Quelle. Das ist nicht gut gelaufen und passt nicht zu unserem Anspruch, zumal die Quelle eine Behörde ist." Wer aber Recherche und eigene Leistung nur noch in wenigen Artikeln erkennen könne und behaupte, das meiste sei abgeschrieben oder eingekauft, dessen Wahrnehmung sei schlichtweg falsch, erklärt Knahn.
Ich füge den Worten Knahns aus meiner Beobachtung heraus hinzu, dass eigene Recherchen der Redaktion in der Region sogar zugenommen haben. Intern optimierte Arbeitsabläufe schaffen Reporterinnen und Reportern dafür wohl Freiräume. Aus meiner Sicht (von außerhalb der Redaktion) fordert diese sinnvolle Schwerpunktsetzung einen Preis. Sie geht an anderer Stelle etwas zu Lasten der Bearbeitung von Pressemitteilungen - nämlich solcher, die nicht unkritisch sind, selbst wenn das so erscheinen mag. Schließlich arbeiten Pressestellen im Sinne ihres Auftraggebers und nicht unabhängig.
Ehrlichkeit erhält Glaubwürdigkeit der Redaktion
Wie auch immer. Die Veröffentlichung unzureichend gekennzeichneter Pressemitteilungen als Angebot einer Tageszeitung darf und muss nicht sein, wenn man bereit ist, eindeutige Transparenz herzustellen. Denn es genügt nicht, für eine oder zwei Informationen hinzuzufügen, "wie es in einer Pressemitteilung von X heißt". Für jede Information muss jederzeit deren Herkunft erkennbar sein. Deshalb meine Empfehlung: Die Redaktion sollte zu einem Beitrag gleich die komplette Pressestellen-Übernahme verkünden. So erspart sie sich das Hineinfummeln von Einzelhinweisen in fremde Texte. Die Transparenz, die sich daraus ergibt, wirkt fort. Sie macht eine Ehrlichkeit sichtbar, die die Glaubwürdigkeit erhält. Die fällt wiederum auch auf die wirklich selbst recherchierten Beiträge zurück.
Ich verweise noch einmal auf den Leitfaden für die Bearbeitung von Pressemitteilungen, an dessen Entstehung auch die Vereinigung der Medien-Ombudsleute mitgewirkt hat.
Namen, die in Pressestellen-Texten fehlen
Es gibt einen weiteren Aspekt, den ich betone und der auch die Pressestellen selbst betrifft. In ihren informativen PR-Texten erkenne ich oft individuelle geistige Schöpfungen im Sinne des Urheberrechts. Ich vermisse aber meist die Namen ihrer Schöpfer in den Pressemitteilungen. Würden die schon von der Pressestelle genannt, so wie das bei den Bildern geschieht, müsste das die Redaktion in ihren Veröffentlichungen nachvollziehen und zudem die Autoren dem Amt zuordnen.
Das würden das Urheberpersönlichkeitsrecht und der Pressekodex (Ziffern 6 und 7) verlangen. Wirken die namenlosen PR-Texte dann aber in den Angeboten der Tageszeitung fast wie unabhängige Leistungen aus der Redaktion, kann das in den beschriebenen Fällen nur im Sinne des Landratsamtes sein. Ob dieser Effekt wohl der Grund dafür ist, warum man dort auf Autorennamen verzichtet? Es wäre jedenfalls besser und auch ehrlicher, würden auch die mit mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzten Pressestellen, Ross und Reiter nennen.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.