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LESERANWALT
Leseranwalt: Ein Lang-Lkw, der sich in voller Länge in der Zeitung verfahren hat
Leserinnen und Leser sollen erkennen können, woher Informationen sind. Was, wenn die Mitteilungen amtlicher Pressestellen nicht richtig dargestellt werden? Wie in diesem Fall.
Ein Lang-Lkw: Das Bild illustriert eine umfangreiche Pressemitteilung des Landratsamtes Würzburg, die in der Zeitung nahezu eins zu eins übernommen wurde. Allerdings für die Leserschaft nicht ausreichend  gekennzeichnet.
Foto: Christian Schuster | Ein Lang-Lkw: Das Bild illustriert eine umfangreiche Pressemitteilung des Landratsamtes Würzburg, die in der Zeitung nahezu eins zu eins übernommen wurde.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:40 Uhr

Auf Fragen nach Schwächen der Redaktion verweise ich nicht zum ersten Mal auf unzureichende Darstellungen von Pressemitteilungen auf Lokalseiten. Oft ist in Artikeln nicht klar kenntlich gemacht, wie viele der Aussagen darin tatsächlich aus einer Pressestelle gekommen sind. Zuweilen sind es nämlich alle. Leserinnen und Leser können das bestenfalls ahnen, dann wenn diese Herkunft nur für einzelne Informationen offenbart ist.

Quellenangaben nur für einzelne Passagen

Regelmäßig genutzte Formulierungen "wie es in einer Pressemitteilung heißt …" oder "wie dass X-Amt schreibt…", geben die Herkunft aus einer Pressestelle auch sprachlich jeweils nur für einzelne Passagen eines Artikels preis. Dass darüber hinaus manches Mal in dem Beitrag überhaupt alles der Pressemitteilung entspringt, davon kann man sich online auf der Homepage der jeweiligen Pressestelle überzeugen.

Komplett übernommene Mitteilung

Als typisches Beispiel nenne ich einen Beitrag von etwa 175 Zeilen im Würzburger Lokalteil der Zeitung vom 1. Februar mit der Überschrift "Groß, effizient und sieben Meter länger" (siehe Abbildung am Textende). Der Beitrag findet sich nahezu eins zu eins auf landkreis-wuerzburg.de – Titel dort: "Groß, effizient und ressourcenschonend: Landratsamt Würzburg begutachtet und überwacht Einsatz von Lang-Lkw". Auch online auf mainpost.de ist die redaktionelle Veröffentlichung dieser Pressemitteilung unter der Überschrift "Landratsamt begutachtet und überwacht Einsatz von Lang-Lkw" nachzulesen.

Amtliche Public Relations

In der Zeitung erscheint ab Zeile 17 mal eine Quelle - in dem Hinweis, dass laut Pressemitteilung des Landratsamtes eine Delegation aus diesem Amt einen Lang-Lkw begutachtet hat. Auf Zeile 103 heißt es, dass die Ladung auf diesen Fahrzeugen laut Pressemitteilung geschont wird, ebenso Straßenbeläge, weil das Gewicht auf mehr Achsen verteilt ist. In Zeile 140 ist zu lesen, dass der Landrat laut Pressemitteilung die Lang-Lkw als große Chance nicht nur insgesamt, sondern gerade für Unternehmen im Kreis sieht. Alle anderen schönen Erklärungen und Zitate bleiben ohne Quellenangabe, sind aber ebenfalls amtliche Public Relations (PR) in Sachen Lang-Lkw.

Merksatz dazu: Es genügt nicht, bei einer oder zwei Informationen hinzuzufügen, "wie es in einer Pressemitteilung von ... heißt". Es muss jederzeit für jede Information die Quelle erkennbar sein oder bleiben.

Was man meinen könnte

Man kann also feststellen, eine der "Stabsstellen" des Landrates von Würzburg für "Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" hat einen 4-spaltigen Artikel, ganz im Sinne des Amtes, im "unabhängigen" redaktionellen Teil der Zeitung untergebracht. Ein Illustration wurde ihm ebenfalls mitgegeben. Man könnte aber meinen, alles habe ein Redakteur oder eine Redakteurin - am Text-Ende mit vier Buchstaben gekürzelt - recherchiert und geschrieben. Aber das wäre falsch.

Pures Interesse der Auftraggeber

Den Pressestellen, oft professionell von Journalisten besetzt, unterstelle ich keine schlechten Absichten. Ihre Mitteilungen können und sollen durchaus nutzwertig und informativ sein. Und es gibt hehre Leitlinien für ihre Arbeit. Aber jene Journalisten, die die Seite gewechselt haben, handeln nicht mehr unabhängig, sondern jeweils im Interesse ihrer Auftraggeber. Mit puren Übernahmen ihrer Verlautbarungen vernachlässigen Redaktionen deshalb ihre Kontrollaufgabe gegenüber Politik und Behörden. Für die Transparenz oder Quellenklarheit, der sich dieseRedaktion laut ihrer Leitlinien verschrieben hat, kann dann auch nicht die Rede sein.

"In Bezug auf den Charakter, die Voraussetzungen und die Ergebnisse unserer Arbeit stellen wir umfassende Transparenz her."
Aus den journalistischen Leitlinien der Redaktion

Bereits August 2020 habe ich hier kritisch auf Probleme hingewiesen: "Wenn Pressemitteilungen unzureichend benannt sind". Für die mediale Aufklärung der Leserschaft habe ich es nun erneut getan. Um Pressemitteilungen und ihre zunehmende Bedeutung noch besser zu erklären als das die Richtlinie 1.3 des Pressekodex kann, haben wir von der Vereinigung der Medien-Ombudsleute einen Leitfaden für den redaktionellen Umgang mit Pressemitteilungen mit herausgebracht. Ich empfehle ihn auch interessierten Leserinnen und Lesern.

Anton Sahlender, Leseranwalt

Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Erschienen im Würzburger Lokalteil der Main-Post am 1. Februar 2022: eine Pressemitteilung, die komplett übernommen wurde.
Foto: Repro Sahlender | Erschienen im Würzburger Lokalteil der Main-Post am 1. Februar 2022: eine Pressemitteilung, die komplett übernommen wurde.

Frühere Leseranwalt-Kolumnen zur Quellenklarheit:

2017: "Besser erklären, wie eine Geschichte entstanden ist"

2018: "Fragen und Antworten, die Fragen aufwerfen"

2019: "Redaktioneller Transparenz nicht selbst im Wege stehen"

Jan.2022: "Über einen falschen Eindruck im Bericht aus dem Gemeinderat"

 
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