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WÜRZBURG
Professor Forchel, wie wäre es mit mehr Transparenz?
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 10.08.2021 10:41 Uhr

Sehr geehrter Herr Professor Forchel, kennen Sie das Haus, das Verrückte macht, aus „Asterix erobert Rom“? Der Gallier und sein Freund Obelix müssen dort eine Prüfung meistern, die darin besteht, den „Passierschein A 38“ zu bekommen. Den soll es an Schalter 1 geben. Der Pförtner schickt die Gallier im Erdgeschoss in den linken Gang. Letzte Tür rechts. Da dort keine Tür zu finden ist, versucht es Asterix mit der letzten Tür links. Ein dahinter schaukelnder Beamte möchte nicht gestört werden und schickt die Gallier weiter. Über Irrwege gelangen sie endlich zu Schalter 1, wo sie allerdings erfahren, dass der „Passierschein A 38“ nur gegen ein rosa Formular ausgegeben wird. Das gibt es an Schalter 2 – der natürlich nicht gleich nebenan ist. Die administrative Odyssee geht noch eine ganze Zeit so weiter und treibt die Gallier an den Rande der Verzweiflung.

Warum ich Ihnen das erzähle? Während meines Studiums in Würzburg nannten wir die Uni mitunter „das Haus, das Verrückte macht“. Denn bürokratische Angelegenheiten zu klären und an Informationen zu kommen, war eine Herausforderung – auch wenn sich viele Mitarbeiter der Verwaltung redlich bemühten. Einige Kommilitonen meinten ironisch, schon sich fristgerecht für ein Seminar anzumelden, sei schwieriger als einen Abschluss zu machen. Die aktuelle Posse um gestrichene und wieder hervorgezauberte Masterstudienplätze im Fach Psychologie zeigt, dass sich nichts verbessert hat.

Lange hatten Bachelorabsolventen auf die Zusage für einen Masterplatz gewartet. Erst am 28. September hat die Fachschaft per Rundmail mitgeteilt, dass die Zahl der Masterstudienplätze von 85 auf 55 gekürzt worden sei. Beschlossen wurde das offenbar schon am 5. Juli. Die Univerwaltung hielt das aber nicht davon ab, noch bis 15. Juli – als die Bewerbungsfrist endete – Psychologiestudenten den Eingang ihrer Bewerbung um einen Masterplatz zu bestätigen, ohne wenigstens dabei auf die Streichung der Plätze hinzuweisen.

Erst als Protest laut wurde, revidierte die Uni ihre Entscheidung; plötzlich standen wieder 28 Plätze mehr zur Verfügung. Die „Aufnahmekapazität“ werde jedes Jahr neu ermittelt, hieß es. Dabei habe man sich schlicht verrechnet.

Als Physiker muss Sie das gewurmt haben. Ihre öffentliche Reaktion? Sie sprechen von einem „internen Versehen“. Die „Verunsicherung“ der Studenten bedauere die Universität. Und sonst? Achselzucken, weiter im Text. Warum es erst eines massiven Protests bedurfte, bevor der Uni ihr angeblicher Irrtum auffiel? Warum die Studenten nicht gleich über die Streichung der Plätze informiert wurden? Wie Sie in Zukunft gedenken, Bachelorabsolventen in Psychologie eine Perspektive zu bieten? Schweigen. Auch darüber, dass die Uni verteilt auf mehrere Jahre bis einschließlich 2018 rund 250 000 Euro Sondermittel erhält (allein in diesem Jahr 90 000 Euro), um Engpässe beim Psychologie-Master abzufedern, sprechen Sie nicht. Das passt ins Bild. Bei Preisverleihungen und Spatenstichen lächeln sie zumindest scheu in die Kameras. Die offene Diskussion fällt Ihnen dagegen so schwer wie Idefix das Apportieren von Hinkelsteinen. Transparenz ist für Studenten so weit entfernt, wie für die Römer die Einnahme des kleinen, unbeugsamen Dorfes.

Kritik ernten Sie dafür seit Jahren. Schon 2012 warf Ihnen die Studierendenvertretung in einem offenen Brief vor, Sie reagierten gar nicht oder „extrem verspätet“ auf „dringende Anfragen“. Weiter sei „eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unmöglich“ und mehr Mitbestimmung der Studierenden „offensichtlich unerwünscht“. Die Vorwürfe wollten Sie damals nicht kommentieren, ein geplantes Gespräch mit den Studenten sagten Sie wieder ab.

Schweigen und Verschweigen hat Methode. 2013 wollten Sie sich gegenüber der Redaktion nicht zu Forschungsprojekten äußern, die das US-Verteidigungsministerium gezahlt hatte.

Sie verwiesen auf die Pressestelle. Und 2015 wurde nur durch Zufall bekannt, dass an der Uni die Wahl eines neuen Präsidenten kurz bevor stand. Sie waren Favorit, planten aber offenbar eine geräuschlose Wiederwahl. Ohne Diskussion und Kritik. Wahlkampf wie in der Politik sieht das Bayerische Hochschulgesetz zwar nicht vor. Bemerkenswert ist die Geheimniskrämerei trotzdem, wenn man bedenkt, dass die Julius-Maximilians-Universität eine öffentliche Einrichtung mit einem 300-Millionen-Euro-Etat ist – großteils aus Steuergeldern finanziert.

Herr Präsident, werden Sie offener gegenüber der Öffentlichkeit. Sorgen Sie dafür, dass sich Studenten darauf verlassen können, dass sie für ihr Studium wesentliche Informationen rechtzeitig erreichen. Und vor allem: Seien Sie Anwalt der Studenten – nicht nur Verwalter einer verstaubten Bürokratie. Treten Sie mit den Studierenden in den Dialog. Gerade mit den Bachelorabsolventen in Psychologie, die nach wie vor ohne Masterstudienplatz dastehen. Um es gallisch zu sagen: Denen fällt gerade der Himmel auf den Kopf.

Mit freundlichen Grüßen

Benjamin Stahl

Einer bekommt Post! – Der „Samstagsbrief“

Künftig lesen Sie auf der Meinungsseite am Wochenende unseren „Samstagsbrief“. Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Figur des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An eine Person, der wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert wird der „Samstagsbrief“ sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der „Samstagsbrief“ ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen Samstagsbriefen hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den Samstagsbrief zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.
 
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