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Kommentar: Moria zeigt, dass sich Nächstenliebe nicht europäisieren lässt
Die Brände im Lager Moria auf Lesbos sind eine Katastrophe mit Ansage. In der Flüchtlingspolitik jetzt noch auf Europa warten, ist zynisch und menschenverachtend.
Verheerende Brände haben das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos weitgehend zerstört.
Foto: Petros Giannakouris, dpa | Verheerende Brände haben das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos weitgehend zerstört.
Folker Quack
 |  aktualisiert: 09.02.2024 12:03 Uhr

Kinder und Erwachsene, denen Rauch und Flammen den Fluchtweg abgeschnitten haben, die rund um das brennende Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ums Überleben bangen. Diese Katastrophe ist eine mit Ansage. Wer in Zeiten der Corona-Pandemie 12.600 Menschen in ein für 2800 Flüchtlinge ausgelegtes Lager stopft, weiß, dass das zur Katastrophe führen muss. Doch Moria ist nicht nur eine verheerende Brand-Katastrophe, es ist auch eine politische Katastrophe für die Europäische Union. Es gibt in dieser Union keine menschenwürdige Flüchtlingspolitik. Darauf jetzt noch zu warten, grenzt an Zynismus. 

Als die Würzburger Pfarrerin Angelika Wagner im Juli das Lager auf Lesbos besuchte, um zu helfen, war sie von den Zuständen schockiert. Was die Menschen dort erleben"ist nicht Europa" berichtete sie dieser Redaktion. Aber leider ist gerade das seit vielen Jahren völlig überbelegte Lager zu einem traurigen Symbol der europäischen Flüchtlingspolitik geworden. Die aber ist nicht am Unvermögen der handelnden Akteure gescheitert, sondern weil die Mehrheit der Staatenlenker in der EU gar keine Flüchtlingspolitik will, weil sie sich den Idealen einer europäischen Wertegemeinschaft nicht verpflichtet fühlt. Weil sie selbst grundlegende Menschenrechte bereit ist zur Disposition zu stellen, wenn es der Sicherung der eigenen Macht dient.   

Überfüllte Lager dienen allein der Abschreckung

In diesen Tagen jährte sich die "Wir-schaffen-das"-Pressekonferenz von Angela Merkel zum fünften Mal. 2015 stieg die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland sprunghaft an. Dennoch wurde das Recht auf Asyl umgesetzt und die ankommenden Menschen wurden menschenwürdig behandelt. Ehrenanamtliche Initiativen kümmerten sich um die Flüchtlinge. Es war eine Erfolgsgeschichte, auch wenn Angela Merkel politisch unter Druck geriet.   

Die Zahl der Flüchtlinge, die heute in Europa nach Schutz oder einem besseren Leben suchen, ist im Vergleich dazu sehr viel kleiner. Dennoch duldet die EU an ihrer Außengrenze einen Zustand der Rechtlosigkeit. Es wäre kein Problem, die weniger werdenden Flüchtlinge menschlich zu behandeln und ihren Asylantrag zu bearbeiten.  

Das geschieht nicht, weil die Lager und ihre Zustände der Abschreckung dienen. Das ist eine menschenverachtende Politik. Zumal es Initiativen in Europa gibt, die Flüchtlinge aufnehmen würden. So haben sich auch in  Bayern einige Großstädte - darunter Würzburg - der Initiative "sicherer Hafen" angeschlossen, um gerade aus Moria Familien mit kleinen Kindern zu retten. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bremst, weil dies einer europäischen Lösung zuwider liefe.

Europa hätte längst handeln können

Wie lange will Seehofer eigentlich noch auf die europäische Lösung warten? Es gibt seit vielen Jahren Vorschläge, Flüchtlinge nach festgelegten Kriterien zu verteilen. Die Europäische Union muss die Erstaufnahmeländer nicht alleine lassen. Sie kann zudem Anreize für die Herkunftsländer schaffen, abgelehnte Asylbewerber schnell zurückzunehmen. Und sie könnte anerkannte Flüchtlinge auf aufnahmewillige Länder oder Städte verteilen, die dafür ebenfalls aus einem Fonds großzügig unterstützt werden könnten.  

Stattdessen schaut man zu, wie die griechische und auch die italienische Regierung eine brutale Politik der Abschreckung organisieren und dabei gegen internationales Recht verstoßen. Stattdessen werden diejenigen, die Menschen vor dem Ertrinken retten oder vor Ort helfen wollen, kriminalisiert und aus den Flüchtlingslagern vergrault.   

So wird Moria zum Beweis, dass sich Nächstenliebe und Empathie nicht europäisieren lassen. Keine schöne Vision für Europa - aber leider derzeit die realistischere. 

 
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  • Blum66
    Hätten die Seenotretter und Kirchen die Leute gleich wieder zurück und in Sicherheit gebracht wäre es nie soweit gekommen. So aber ist der Grossteil des Lagers ohne Chance auf Asyl gewesen. Jetzt versucht man es mit den Begriff der Nächstenliebe. Dann wundert man sich das die Stimmung nicht besser wird zu dem Thema. Für mich nur ein schlechter Stil und nicht mehr als Erpressung in Zeichen der Nächstenliebe. Illegal sowieso. Aber wir werden das schon zulassen .
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  • Frankenpatriot
    @ Blum66

    Das hier von Ihnen ist schlicht eine Lüge!!

    "Jetzt versucht man es mit den Begriff der Nächstenliebe. Dann wundert man sich das die Stimmung nicht besser wird zu dem Thema. Für mich nur ein schlechter Stil und nicht mehr als Erpressung in Zeichen der Nächstenliebe. Illegal sowieso. Aber wir werden das schon zulassen ."

    Nein es ist eben nicht illegal. Siehe GG Artike 2, Artikel 6, Artikel 20, Artikel 23, Artikel 25, Artikel 102, Artikel 103! Siehe weiterhin Europäische Menschenrechtskonvention Artikel 1, Artiel 2 und Artikel 4, Artikel 6 und weitere.
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  • traumfrau
    Alleine die Tatsache, dass man es bis in ein sog. "Flüchtlingslager" geeschafft hat, sagt noch nichts darüber aus, ob man auch ein "anerkannter" Flüchtling oder Asylberechtigter sein wird. Es muss VOR der Verbingung in andere EU- Länder geprüft werden, ob eine Berechtigung besteht - denn sind sie erstmal da, kriegen wir sie nicht mehr los... Hundertausende "Ausreisepflichtige" haben es sich hier in der sozialen Hängematte bequem gemacht.

    Erst Unberechtigte abschieben - dann kann man über "geprüfte" Berechtigte nachdenken!
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  • Franken48
    Nicht immer der deutsche Michel. Es gibt auch noch andere EU Staaten. Alle Staaten sind sich nur einig, wenn sie Geld erhalten.
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