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Würzburg
Camp Moria: Wie Würzburger auf Lesbos Geflüchtete unterstützen
Über 15 000 Menschen leben im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos. Vier Würzburger waren vor Ort, um zu helfen, und berichten von den katastrophalen Zuständen.
Die Würzburgerin Angelika Wagner war zusammen mit drei weiteren Würzburgern im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos, um Geflüchteten zu helfen. Von links: Die Helfer Mohamad Albdewi, Johannes Reder, Bettina Wopperer aus München, Franziska Müller und Angelika Wagner.
Foto: Wagner/Sant'Egidio | Die Würzburgerin Angelika Wagner war zusammen mit drei weiteren Würzburgern im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos, um Geflüchteten zu helfen.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:38 Uhr

In der Fiktion von J.R.R. Tolkien ist Moria ein alter unterirdischer Komplex in Mittelerde, der ein riesiges Labyrinth von Tunneln, Kammern und Hallen umfasst. In "Herr der Ringe" ist Moria Elbisch und bedeutet "Dunkler Abgrund". Auch wenn das gleichnamige Flüchtlingscamp auf der Griechischen Insel Lesbos nichts mit den Büchern oder Fiktion zu tun hat, bekommt "Dunkler Abgrund" bei den Schilderungen von Angelika Wagner eine ganz neue Bedeutung. Die Würzburger Pfarrerin war mit drei weiteren Würzburgern mit der Gemeinschaft Sant'Egidio vor Ort, um zu helfen.

Wegen der Corona-Pandemie im Lockdown

"Unser Ziel ist es, dort ein menschlicheres Gesicht von Europa zu zeigen. Zu zeigen, das, was die Menschen dort in Moria erleben, ist nicht Europa", sagt Angelika Wagner. Seit wenigen Tagen ist sie wieder zurück in Würzburg, doch die Erlebnisse, die sie in Moria gemacht hat, sind für sie noch immer schwer zu verarbeiten. Dabei war sie bereits vor einem Jahr schon einmal als Helferin dort tätig. Doch seitdem habe sich einiges verändert. Corona habe die Lage verschärft. "Das Lager ist nach wie vor im Lockdown. Die Bewohner dürfen nur unter ganz gewissen Voraussetzungen und nur mit Erlaubnis das Camp verlassen", erzählt Wagner. Seit rund fünf Monaten ist Europas größtes Flüchtlingslager wegen einer Corona-Ausgangssperre quasi abgeschnitten von der Außenwelt.

"Unser Ziel ist es, dort ein menschlicheres Gesicht von Europa zu zeigen."
Angelika Wagner, Geflüchteten-Helferin

Das habe nun dazu geführt, dass sich im Innenlager eine kleine Ladenstraße gebildet hat. Menschen haben sich aus alten Brettern kleine Buden und Behelfsläden gezimmert und verkaufen dort Obst und Gemüse aus der Stadt, sofern sie es unter die wenigen geschafft haben, die mit einer Sondererlaubnis das Lager verlassen durften. "Sogar Copy- und Barbershops sind entstanden", berichtet Wagner. "Einerseits sieht man so, dass die Geflüchteten die Sachen brauchen, weil sie wegen des Lockdowns nicht mehr in den Supermarkt gehen dürfen. Andererseits zeigt es, dass die Menschen arbeiten möchten." Diese Ladenstraße sehe nett aus, weiß sie. Doch: "Sobald man hinter die Kulissen schaut, ist die Situation brutal." Und habe sich durch den Lockdown weiter verschlechtert. So können wegen des geringen Platzes keine Abstandsregeln eingehalten werden, es gebe kein frisches Trinkwasser und auch die sanitären Anlagen seien zum Großteil beschädigt. "Maske trägt dort sowieso keiner, weil es diese schlichtweg nicht gibt."

Ein Graffiti soll die Geflüchteten darauf hinweisen: 'Es tut mir so Leid, Geflüchtete, das ist nicht Europa.'
Foto: Wagner/Sant'Egidio | Ein Graffiti soll die Geflüchteten darauf hinweisen: "Es tut mir so Leid, Geflüchtete, das ist nicht Europa."

Versorgung für 15 000 Menschen ist Mangelware

Die Gemeinschaft Sant'Egidio, für die die Würzburger auf Lesbos tätig waren, hilft bei der Versorgung vieler Geflüchteter mit. Besonders in Moria sei diese mehr als mangelhaft, weiß Wagner. In dem für 3000 Menschen angelegten Lager leben momentan rund 5000 Geflüchtete. Dazu kommen noch rund 10 000 weitere Menschen, die rund um das offizielle Lager "wie in einer Art Speckgürtel mit Behelfszelten hausen". Oft bestünden diese nur aus Planen und seien mit Draht zusammen gebunden. Die Bilder kennt man aus dem Fernsehen, doch "wenn man vor Ort ist, ist alles ganz anders. Noch viel schlimmer", erzählt die Pfarrerin. "Man muss es gesehen, gehört und gerochen haben."

Fotoserie

Wagner: Behörden können nicht angemessen reagieren

Auf die Frage, ob sie denke, dass die Behörden angemessen auf einen potenziellen Covid-19-Ausbruch in Moria reagieren können, antwortet Wagner besorgt. "Das ist gar nicht möglich, denn dafür müsste man das Lager evakuieren und das will die Regierung ja auf keinen Fall." Sie berichtet von mehreren Bränden, die in der Zeit, in der sie in Moria war, ausgebrochen sind. "Bis dort etwas passiert, dauert es ewig." Außerdem gebe es nur wenige Ärzte, kranke Menschen werden deshalb nur selten oder gar nicht untersucht. "Es passieren so viele Gewalttaten und die Polizei steht daneben und schreitet nicht ein." Wagner erzählt von einer Begegnung mit einer jungen Geflüchteten, die von einem griechischen Polizisten vergewaltigt wurde, während weitere Polizisten daneben standen und nichts gemacht haben. "Die Polizei schaut einfach zu, dann werden sie auch bei Corona nur zuschauen."

Zelte aus Planen und Decken sind das neue, vorübergehende Zuhause für 15 000 geflohene Menschen.
Foto: Wagner/Sant'Egidio | Zelte aus Planen und Decken sind das neue, vorübergehende Zuhause für 15 000 geflohene Menschen.

Die vier Würzburger und rund 40 weitere ehrenamtliche Mitglieder der Gemeinschaft Sant'Egidio haben in Moria Essen verteilt, mit den Kindern gespielt und Englischsprachkurse angeboten. Auch wenn Angelika Wagner nun abreisen musste, möchte sie die humanitäre Hilfe weiterführen. "Das Lager ist ein Skandal für Europa, da kann ich nicht zuhause sitzen und zuschauen, wie die Polizei vor Ort es tut."

 
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