Liebe Frau Lacey-Krone, wir kennen uns nicht persönlich. Dabei hatten wir bereits das Vergnügen, zuletzt Ende vorigen Jahres. Sie werden sich nicht erinnern: 30. Dezember 2019, Vor-Corona-Zeit, Krone-Bau München. Ich saß im Parkett links, Reihe 2, Platz 16. Im gleißenden Scheinwerferlicht kamen Sie auf einem Elefanten in die Manege, soll man sagen: geritten? Ach was: Sie schwebten ein. Majestätisch sah das aus. Die Kapelle spielte, die Zuschauer klatschten. Es roch nach Sägespänen und wilden Tieren. Momente wie diese machen die Magie des Zirkus aus, immer noch. Ich weiß, dass das nicht alle so sehen. Deshalb schreibe ich Ihnen heute.
Ticketkauf moralisch höchst anrüchig?
Bei Ihren Gastspielen im ganzen Land geht es heute längst nicht mehr nur um die gute alte Zirkuswelt, um die unbeschwerten Augenblicke, die ein Besuch in der Manege früher barg. Heute bekommt man schon mit dem Kauf einer Eintrittskarte den Eindruck vermittelt, sich auf moralisch höchst anrüchigem Terrain zu bewegen, da man mit dem Ticketkauf ja quasi die Ausbeutung der Zirkustiere unterstütze. Und am Eingang zur Manege warten die Tierschutz-Aktivisten, um dem unbedarften Zirkusbesucher – mal mehr, mal weniger radikal – ins Gewissen zu reden. Ich bin mir nicht sicher, Frau Lacey-Krone, ob Sie mit Ihren zarten 41 Jahren die heile Zirkuswelt noch erleben durften. Die Zeiten, als jubelnde Kinder auf der Straße umherliefen, wenn der Zirkus in ihre Stadt kam?
Wo immer Sie mit Ihrer Entourage aufkreuzen, die radikalen Tierschützer und überzeugten Zirkus-Krone-Gegner sind schon da. Wo immer Sie Ihre azurblauen Zäune mit dem goldenen "K" errichten, müssen Sie sich rechtfertigen. Stets geht es um die Frage: Sind Löwen, Tiger und Elefanten im Zirkus noch zeitgemäß? Es gibt Städte, die Sie deswegen gar nicht mehr aufnehmen möchten. Das alles ist natürlich populäre Lyrik, etwas zum Mitsingen. Verbotsforderungen sind der Populismus des kleinen Politikers – talentfrei und preiswert produzierbar.
In Würzburg mussten Sie sich der Stadt gegenüber verpflichten, keine Wildtiere mitzubringen, wenn Sie in den nächsten fünf Wintern zu Gastspielen kommen. Wirbelnde Artisten, behände Akrobaten, bezaubernde Magier – es soll Zirkusse geben, in denen all das funktioniert, ohne Tiere. Aber muss man Betriebe, die einen anderen Weg gehen, deshalb verteufeln? Ich habe Ihren Mann Martin Lacey in der Manege erlebt. Die Nummer mit den weißen Löwen, sie war grandios, Nervenkitzel pur. Wilde Tiere zum Greifen nah, mitten in der Stadt, das war und ist Teil der Faszination Zirkus, ein Kulturgut, das sich in 250 Jahren Geschichte etabliert hat und nun ernsthaft auf dem Spiel steht.
Wir schwingen gerne die Moralkeule
Es geht in dieser Diskussion auch noch um eine andere Frage: Wer darf noch was dürfen? Was Verbote anlangt, sind wir in Deutschland vorne dabei. Noch besser sind wir nur darin, die Moralkeule zu schwingen. Bürger und Parteien, die mit ihrer Weltverantwortungsmoral die gesamte Gesellschaft überziehen, gibt es zuhauf. Tatsächlich hat sich nun auch die große Politik des Themas angenommen – ausgerechnet in Gestalt der Ministerin Julia Klöckner, die an anderer Stelle so ziemlich jede Gelegenheit auslässt, sich für bessere Lebens- und Haltungsbedingungen von Tieren einzusetzen.
Ich weiß, dass es müßig ist, Frau Lacey-Krone, Dinge gebetsmühlenartig zu wiederholen. Dennoch sollten Sie beharrlich auf die Wissenschaft verweisen. Auf die britische Verhaltensforscherin Marthe Kiley-Worthington, die nach über 3000 Stunden Recherche in reisenden Zirkussen zum Ergebnis kam, dass die große Mehrheit der Tiere sich in gutem oder sehr gutem Zustand befand. Auf den US-Professor für Tierwissenschaften Ted Friend, der nach intensiver Forschung zu der Ansicht gelangte, dass Zirkusse den Zoos und Reservaten in Sachen Tierschutz überlegen sind. Oder auf den Cambridger Biologen Sir Patrick Bateson und seinen Freiburger Mitstreiter Immanuel Birmelin, die keinen Grund sehen, Elefanten oder Löwen im Zirkus zu verbieten, weil die Tiere dort deutlich mehr Abwechslung hätten als etwa im Zoo.
Vielleicht, Frau Lacey-Krone, haben Sie ja das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen, weil es vielen Ihrer Gegner nicht so sehr um Argumente geht, sondern um Selbstgerechtigkeit – und das ist etwas, was auch mich sorgt. Eine Gesellschaft, die Züge der freien Wildbahn annimmt. Die sich zerfleischt, mit Worten und mit Taten, die rücksichtslos ihre Interessen durchsetzt und die mit Zähnen und Klauen Ihre Pfründe verteidigt. Das wäre dann der Moment, in dem der Mensch zum Tier wird.
Mit zirzensischen Grüßen
Eike Lenz
Und endlich: Tiere gehören zum Zirkus. Ich freue mich, wenn "Krone" wieder kommt mit hoffentlich vielen Tieren.
https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/artenschutz/zirkus/
Auch von zahlreichen Elefantenforschern
www.elephanttrust.org/index.php/articles/item/this-is-the-article-title-copy-2
Ob die "Kunststückchen" - z.B. Tiger/Löwe auf Elephant - ihrem normalen Verhalten entspricht, darf auch bezweifelt werden.