Ein Elefant mit langen Stoßzähnen steigt auf ein Podest und verbeugt sich. Das Publikum applaudiert – soweit nichts Ungewöhnliches bei einer Zirkusvorstellung. Doch der Elefant, der hier seine Kunststücke zeigt, ist nicht echt. Der Circus Roncalli verzichtet in seiner aktuellen Show „Storytelling: Gestern, Heute, Morgen“ bewusst auf Tiere. Stattdessen werden mit Holografietechnik virtuelle Elefanten, Pferde und große schwebende Fische in die Arena projiziert.
Zirkusdirektor Bernhard Paul erklärt: „Wir haben unser Konzept verbessert und verfeinert. Wir sind jetzt tierfrei.“ Stattdessen konzentriere man sich nun auf hochwertige Zirkuskunst wie Artistik. Schon Mitte der 90er Jahre hatte Roncalli die Nummern mit Wildtieren gestrichen, seit dem Vorjahr treten auch keine Pferde und Ponys mehr auf.
Mit der neuen Show will Direktor Paul die romantische Welt des Zirkus mit den Anforderungen der heutigen Zeit verbinden. Wie die echten Tiere sollen sich auch die holografischen weiterentwickeln: Statt Tierdompteuren helfen dabei Techniker und Grafiker. Wenn er in Shows angekündigt habe, dass sie nun tierfrei seien, sei Applaus gefolgt, so Paul.
Die Holografie gilt als Weiterentwicklung der Fotografie. Man nutzt dafür die Tatsache, dass sich Licht in Wellen bewegt und dass sich diese Wellen beeinflussen lassen. Mithilfe eines speziellen Projektors gelingt es so, dreidimensionale Formen zu erzeugen.
Der traditionsreiche Zirkus ist der erste, der mit holografischen Tieren arbeitet. Roncalli ist aber nicht der erste tierfreie: Auch Cirque du Soleil oder Flic Flac setzen statt Tieren jetzt auf Akrobatik und Co.
Bei einigen Kollegen muss Zirkusdirektor Paul allerdings noch Überzeugungsarbeit leisten. „Wir sehen das absolut nicht als die Lösung“, sagt Dieter Seeger vom Verband deutscher Circusunternehmen. „Wir bekennen uns ganz klar zum klassischen Zirkus.“ Und der umfasse neben Artistik und Clownerie immer auch Tierdressuren. „Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass es Tieren im Zirkus schlecht geht“, sagt Seeger.
Lob für das aktuelle Programm des Circus Roncalli gibt es indes nicht nur von Zuschauern, sondern unter anderem auch von Peta. Die Tierschutzorganisation bezeichnet Roncalli als tierfreundlichsten unter den Zirkussen. „Unnatürliche Kunststücke, wie sie im Zirkus zu sehen sind, werden Tieren meist mit Schlägen oder psychischem Druck eingetrichtert“, heißt es von der Organisation. Auch für das neuerdings vegetarische und vegane Angebot an Speisen und Getränken rund um die Vorstellung gibt es von Peta Lob.
Die Tierfreiheit könne auch Vorteile für die Zirkusse mit sich bringen, glaubt man bei der Organisation: Schon mehr als 100 Städte in Deutschland haben Peta zufolge Zirkusse mit Wildtieren verbannt. Ohne Tiere sei auch die Standplatzsuche einfacher.
Eine Umfrage der Tierschutzorganisation Vier Pfoten hatte außerdem erst im April ergeben, dass zwei Drittel der Deutschen finden, Elefant, Tiger oder Löwe hätten in der Manege nichts zu suchen. Unter den 14- bis 49-Jährigen sprechen sich sogar 75 Prozent für ein Wildtierverbot aus. (Mit infos von dpa)