
Sehr geehrter Herr Rachle,
seit einem Jahr tobt in der Ukraine ein blutiger, sinnloser Krieg. Seit einem Jahr hofft die Welt, dass die Waffen wieder schweigen. Doch wem sage ich das? Sie nehmen seit Jahren am ökumenischen Friedensgebet der Dreieinigkeitskirche in Schweinfurt teil. Beten dort auch für den Frieden in der Ukraine. Fotos von einer Demo zeigen Sie mit einem "Stop Putin"-Schild.
Kürzlich schickten Sie im Namen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Friedensgebets einen offenen Brief an die Redaktion, den Sie vorher an die unterfränkischen Bundestagsabgeordneten versandt hatten. Darin bitten Sie die Politikerinnen und Politiker, "sich für schnellstmögliche Waffenstillstandsverhandlungen" einzusetzen. So sinnvoll und menschlich dieser Gedanke klingt - ist er auch zu Ende gedacht? Haben Sie etwa eine Antwort auf die Frage, wie am Ende ein gerechter Frieden aussehen müsste?
Was wäre ein Verhandlungsergebnis, mit dem Selenskyj guten Gewissens vor sein Volk treten könnte?
Die Antwort darauf bleiben auch die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer in ihrem umstrittenen "Manifest für den Frieden", auf das Sie sich auch beziehen, schuldig. Schlimmer noch: In diesem Manifest wird die überfallene Ukraine bei Gedankenspielen über Friedensverhandlungen aus dem Spiel genommen.
Dabei ist das doch ein zentraler Punkt: Was wäre ein Verhandlungsergebnis, mit dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj guten Gewissens vor sein Volk treten könnte? Welche Konditionen wären für den souveränen Staat Ukraine akzeptabel? Diese Punkte werden für meinen Geschmack zu wenig diskutiert. Stattdessen geht es immer wieder um die Vorstellungen des Sowjet-Nostalgikers im Kreml.
Doch von Verhandlungen sind wir ohnehin weit entfernt. Ich stelle mir die Frage, wer mit wem derzeit überhaupt verhandeln soll. Natürlich muss auch dieser Krieg am Verhandlungstisch beendet werden. Aber kann man nach allem, was im zurückliegenden Jahr geschehen ist, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verhandeln? Auf wie viel Akzeptanz würden solche Verhandlungen mit dem Kriegsverbrecher in der ukrainischen Bevölkerung stoßen, die die Bilder der Gräueltaten aus Butscha und anderen Orten vor Augen hat? Und selbst wenn es zu Verhandlungen käme: Worüber sollte Ihrer Meinung nach eigentlich konkret verhandelt werden? Wäre es klug, darauf zu vertrauen, dass eine wie auch immer ausgestaltete Vereinbarung von Moskau eingehalten wird?
Die Wurzel allen Übels liegt in dem völlig verqueren, paranoiden Geschichts- und Weltbild Putins
Natürlich wäre ein Waffenstillstand "immer noch besser als ein Krieg", sagt etwa die Frankfurter Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff. Aber für einen echten Frieden reiche es nicht, wenn die Waffen niedergelegt würden. "Das ist das, was wir einen negativen Frieden nennen" und ein solcher "ist nicht besonders stabil". Auch die britische Putin-Expertin Catherine Belton glaubt, selbst wenn der russische Präsident einem Waffenstillstand und einem Deal zustimmen würde, bei dem Russland etwa Donezk sowie Luhansk zugesprochen bekäme, würde es "niemals passieren", dass Putin Ruhe gibt.
Man müsste also sehr bald an die Ursachen des Krieges, damit ein Waffenstillstand nicht nur eine Verschnaufpause wird. Und da wird es erst recht kompliziert, weil die Wurzel allen Übels in dem völlig verqueren, paranoiden Geschichts- und Weltbild Putins zu suchen ist, von dem er wohl nicht abrückt. So scheint es illusorisch, dass Putin es zulassen würde, dass sich die Ukraine demokratisch und unabhängig von Moskau entwickelt.
Vielleicht braucht es in diesem Fall Waffenlieferungen für einen langfristigen Frieden
Nicht wenige Expertinnen und Experten sind daher wie Catherine Belton der Meinung, dass eine russische Niederlage notwendig sei, um zu verhindern, dass die Clique um Putin nach der Ukraine nicht etwa Richtung Baltikum schielt und der nächste Konflikt ausbricht. Sie schreiben es in Ihrem Brief selbst: Nach keinem Krieg sei bislang ein "wirklicher Weltfriede entstanden", stattdessen hätten sich "Kriegsorte" nur "immer wieder verlagert": "Das muss endlich aufhören!"
Es ist ein Gedanke, den man nicht denken will, aber lassen wir ihn hier zu: Vielleicht braucht es in diesem Fall Waffenlieferungen für einen langfristigen Frieden. Natürlich verlängern sie den Krieg. Und natürlich ist es einfach, vom sicheren Deutschland aus den Ukrainern zuzurufen: "Zu den Waffen, verteidigt Freiheit und Demokratie!" Gleichzeitig ist es aber unbestreitbar, dass es heute gar keine Option für irgendwelche Verhandlungen, wie Sie sie fordern, mehr gäbe, wenn niemand Waffen an die Ukraine geliefert hätte: Russland hätte seinen Nachbarn längst überrollt.
Lieber Herr Rachle, auch ich wünsche mir, dass die Waffen in der Ukraine schweigen, dass wieder Frieden herrscht. Für Waffenstillstandsverhandlung fehlt mir nur derzeit die Phantasie - aber für den Frieden zu beten, kann ja nicht schaden.
Mit freundlichen Grüßen,
Benjamin Stahl, Redakteur
Der Krieg wird so oder so mit Verhandlungen enden; gerecht wird der Frieden nicht sein. Die Frage im Raum ist diese: wie lange werden sich beide Kriegsparteien noch gegenseitig zu Klump schießen, bis eine vom Krieg spielen genug hat? Wie lange müssen noch Menschen unnötig für diesen Krieg sterben?
Entscheiden tun dies die USA und die Ukraine. Und wir indirekt, indem wir Waffen und Munition liefern.
Wie soll man denn mit jemandem verhandeln, der notorisch lügt, betrügt, Morde in Auftrag gibt, Komplotte schmiedet, Verunsicherung schürt, Chaos stiftet, allenthalben sich nur mit gleichartigen Despoten verbündet, überall einen Krieg nach dem anderen vom Zaun bricht, versucht überall auf der Welt Wahlen zu beeinflussen mit Fake News, seine eigene Bevölkerung unterdrückt, die Tatsachen ins Gegenteil verkehrt und immer anderen die Schuld in die Schuhe schiebt ?
Wir erinnern uns: nicht Putin hat die Ukraine angegriffen, sondern der Westen hat den Krieg begonnen, so seine Behauptung. Es soll ja leider auch Leute geben die so etwas glauben, auch ausserhalb der Putinschen Propagandamaschinerie.
Wie sollten denn solche Friedens Verhandlung momentan aussehen ?
Wie und wie lange könnte man einem erreichten Ergebnis trauen ?
Wir erinnern uns: bis zum 23.02.2022 erzählte Putin, daß er nur Militärmanöver abhält.
Heute wissen wir es leider besser
Sprechen Sie von Rußland oder von den USA?
Naja … zugegeben, nogel - bei DIESER Aufzählung ist diese Frage gar nicht mal so unberechtigt … leider!
Und das politische System in den USA ist ja auch nicht mehr zeitgemäß – spätestens die Geschichte mit Donald Trump und dem Sturm auf das Kapitol hat gezeigt, wie fragil die US-amerikanische Demokratie tatsächlich ist.
Trotzdem erweckt auch dieser Beitrag von Ihnen wieder irgendwie den Eindruck, Sie wollen mit Hilfe eines „Whataboutism“ vom Umstand ablenken, dass in der Ukraine gerade ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg mit Hundertausenden Toten und noch mehr sonstigen Kriegsopfern von Russland initiiert geführt wird …
Die USA sind sicher keine Engel – aber die Ukraine wurde halt jetzt nun mal von Putin-Russland angegriffen.
Sprechen Sie das doch einfach mal laut aus, vielleicht hilft Ihnen das, Ihre Verleugnungsphase zu überwinden: „Putin hat die Ukraine grundlos militärisch überfallen und tötet sinnlos Menschen!"
Aber zur Aussage (Zitat) “Und da wird es erst recht kompliziert, weil die Wurzel allen Übels in dem völlig verqueren, paranoiden Geschichts- und Weltbild Putins zu suchen ist, von dem er wohl nicht abrückt.” fehlt mir ein wichtiger Aspekt.
Eine moderne Staatsordnung sollte verhindern, dass eine Einzelperson oder -Institution mit zu vielen Machtbefugnissen ausgestattet wird. Wenn die Geschichte uns eines lehrt, dann doch genau das.
Es ist also mitnichten nur Putin als das ursächliche Übel anzusehen – sondern das politische System Russlands, das Figuren wie ihn überhaupt erst hervorbringt. Und dieses System ist hoffnungslos rückständig (geradezu aus der Zeit gefallen), es ist hochgradig korrupt und es versagt immer und immer wieder. Und das ist im Fall Russlands (Größe, Atommacht, ...) eine ständige Gefahr für den Weltfrieden.
Solange das System so bleibt, können Figuren wie Putin immer wieder neu entstehen ...
Der Kampf muss weitergehen, bis die Russen am Boden liegen und Putin vor Gericht gestellt ist. Koste es was es wolle und notfalls wird bis zum letzten Ukrainer weitergekämpft.
Ähnlich hat man wohl auch beim "Frieden" von Versailles gedacht und gehandelt, der den Schlußpunkt unter den Ersten Weltkrieg setzte und den Grundstein für den Zweiten legte.
Bei beiden Kriegsparteien dürfte die Kampfeuphorie stark nachgelassen haben. Ewig kann man die Ukrainer nicht mit Geld und alten Waffen bei der Stange halten und sie auch für Interessen des Westens weiter leiden lassen.
Denn heute schon muss die ukrainische Militärverwaltung sehr unsanft neue Rekruten von der Strasse wegfangen oder aus ihren Wohnungen holen und etliche "schlauere" Ukrainer sind lieber im sicheren Westen als an der mörderischen Front.
https://www.budapester.hu/ausland/in-diesem-krieg-sterben-auch-ungarn/
Wenn Sie schon die Geschichte bemühen, sollten Sie besser die Lehren aus dem Münchener Abkommen betrachten.
"...Man müsste also sehr bald an die Ursachen des Krieges, ...... weil die Wurzel allen Übels in dem völlig verqueren, paranoiden Geschichts- und Weltbild Putins zu suchen ist, von dem er wohl nicht abrückt..."
Mit einem Mindestmaß an Kenntnissen über die Entwicklung seit Ende des Ost/West-Konklikts wird diese Ansicht zur Lachnummer.
Na, da haben Sie's dem Redakteur aber ja sowas von gegeben ...
Nur blöd, dass der Redakteur seine Meinung begründet hat ... und Sie die Ihre immer nur in den Raum stellen ...
Zitat nogel: "Mit einem Mindestmaß an Kenntnissen über die Entwicklung seit Ende des Ost/West-Konklikts wird diese Ansicht zur Lachnummer."
Warum wollen immer alle einen Kontext konstruieren, für den es keine Belege gibt?
Noch nicht einmal Putin selbst hat sich bei seinem Überfall auf die Ukraine auf einen Ost-/West -Konflikt oder gar die immer wieder ins Feld geführte "Bedohung durch die Nato" berufen.
Er spricht der Ukraine die Souveränität ab und er will den Zerfall der Sowjetunion zumindest teilweise rückgängig machen.
Der Kerl leidet an einer ausgewachsenen kognitiven Verzerrung - einschließlich Größenwahn.
Alles andere ist Geschwätz ...
Sie argumentieren, im Gegensatz zu vielen anderen Journalisten von SZ, FAZ etc. sachlich, fair und ohne Schaum vor dem Mund und verzichten auf persönliche Angriffe gegen Wagenknecht und Co.
So geht Debatte.
An einem Punkt möchte ich widersprechen.
"Vielleicht braucht es in diesem Fall Waffenlieferungen für einen langfristigen Frieden."
Das scheint mir zu einfach gedacht. Weitere Waffenlieferungen können zur Eskalation führen, und uns aktiv in den Krieg ziehen. Die Folgen könnten im schlimmsten Fall katastrophal sein. Was glauben Sie, wohin ein nuklearer Schlag Russlands erfolgen würde. Nicht auf das Gebiet der USA. Auf uns, wo die allernächsten atomare Raketen der USA stationiert sind. Russland wird diese ausschalten wollen. Das ist eine reale Gefahr. Von dem "Frieden" danach werden wir dann nicht mehr viel haben.
Wenn Putin noch eine Chance sieht, die Ukraine zu einem zweiten Vasallen wie Weißrussland zu machen, wird er keinem anderen Frieden zustimmen als der Kapitulation der Ukraine. Und dann kommen die nächsten Bausteine in seinem Bestreben das alte Zarenreich wieder herzustellen: Armenien, Georgien, Aserbaidschan, Moldawien und deutlich näher, das Baltikum.
Von daher braucht die Ukraine weiter unsere Unterstützung, auch mit Waffenlieferungen.
Der Expansionskurs des Aggressors wird nur eingedämmt, wenn er erkennt, dass er auf militärischem Weg seine Ziele nicht erreichen kann.
Dass Russland wirklich noch die Atomwaffen einsetzt macht überhaupt keinen Sinn, denn diesen Sieg über Europa kann auch eine Atommacht Russland nicht mehr genießen.
was für eine Frage: "Was wäre ein Verhandlungsergebnis, mit dem Selenskyj guten Gewissens vor sein Volk treten könnte?"
Diese Frage kann weder Herr Rachle, schon gar nicht Putin sondern alleine NUR Selenskyi beantworten.
Aus der jüngeren Historie wissen wir:
Kriege enden durch den Gewinn einer Partei ODER (und dies überwiegend) durch Abwägung von Verlusten an Mensch und Material gegen über der Chance eines Gewinnes (Kosten / Nutzen) durch Verhandlung mit Kompromissen.
Fakt ist für mich:
Diese Krieg ist durch die Ukraine gegen eine Atommacht nicht zu gewinnen.
Kosten spielen für die Ukraine keine Rolle denn andere bezahlen, also zählen irgendwann nur noch beiderseits menschlichen Verluste.
"Gegen die größte Atommacht der Welt ist keinen Krieg zu gewinnen. Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten. Mit dem Ziel, weitere Hunderttausende Tote und Schlimmeres zu verhindern. " (Manifest für Frieden)
aber bei der Aussage (Zitat) „Fakt ist für mich: Diese Krieg ist durch die Ukraine gegen eine Atommacht nicht zu gewinnen.“ verwechseln Sie Fakt und Meinung.
Es gibt etliche Beispiele, die belegen, dass auch Atommächte Kriege verlieren können.
Sich damit abzufinden, dass Kriege gegen Atommächte nicht gewonnen werden können, würde bedeuten, den Darwinismus in der Weltpolitik zu akzeptieren.
Es ist ja mehr als offensichtlich, dass Putin die Kriegsangst im Allgemeinen und die Atomkriegsangst im Besonderen gezielt einsetzt, um gerade in der westlichen Welt die Unterstützung für die Ukraine zu sabotieren.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich kann diese Ängste sehr gut nachvollziehen.
Aber ich lehne es ab, dass wir uns von einem Terroristen wie Putin in seinem Sinne instrumentalisieren zu lassen und ihn am Ende aufgrund unserer Ängste auch noch in der Sache unterstützen - worauf Ihre Argumentation leider faktisch hinausläuft!
Gerade solche Leute werden keine Sekunde zögern, alle Waffen, die sie haben auch einzusetzen, wenn sie in die Enge getrieben werden.
Wer das nicht sieht ist sehr naiv oder sehr risikofreudig. Das Schicksal meiner Kinder und Enkel, möchte ich nicht in die Hände solcher weltfremder Vabanque-Spieler legen.
Da gibt es ein Restrisiko, zweifellos.
Aber sehen Sie sich mal die Liste der Kriege an, die Putin bereits angezettelt hat. Und wie er seine eigenen Landsleute zu Zehntausenden (vielleicht sogar zu Hunderttausenden) für seine Wahnvorstellungen sinnlos in den Tod schickt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken ...
Man muss sich klarmachen, wofür all diese Menschen gestorben sind und die Kriegsopfer leiden: Für Putins Wahn, sonst nix!
Glauben Sie wirklich, ein Putin, der jetzt auch noch mit einem Angriffskrieg auf die Ukraine und allen damit verbundenen Gräueltaten und Kriegsverbrechen als „Gewinner“ davonkäme, wäre weniger gefährlich?
Das würde seinen Unbesiegbarkeitskomplex doch nur noch weiter befeuern.
Und ganz abgesehen davon würde es bedeuten, die Ukraine zu opfern …
Könnten Sie damit wirklich gut schlafen? Ich könnte das nicht …