zurück
Bad Kissingen
Samstagsbrief: Sind Sie nach der vierten Welle noch Minister, Herr Spahn?
Der Bundesgesundheitsminister kommt trotz Chaos und Defiziten heil durch die Corona-Krise. Jetzt macht er Sprechstunde in Bad Kissingen. Warum unsere Autorin nicht viel erwartet.
Die Zeiten der tollen Umfragewerte sind vorbei, im Wahlkampf schlägt Jens Spahn der Unmut entgegen: Am Sonntag kommt der Bundesgesundheitsminister (CDU) nach Bad Kissingen.
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Die Zeiten der tollen Umfragewerte sind vorbei, im Wahlkampf schlägt Jens Spahn der Unmut entgegen: Am Sonntag kommt der Bundesgesundheitsminister (CDU) nach Bad Kissingen.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:53 Uhr

Sehr geehrter Herr Spahn, was bereitet Ihnen mehr Sorgen: die aktuellen Umfrage-Ergebnisse der Union oder die Inzidenzwerte, die in Deutschland gerade wieder so extrem steigen? Waren Sie in dieser Woche froh, dass damals im Juli 2019 doch Annegret Kramp-Karrenbauer den freien Job im Bundesverteidigungsministerium bekam, und jetzt nicht Sie für das Afghanistan-Desaster stramm stehen müssen? Wundern Sie sich selbst, dass Sie immer noch Gesundheitsminister sind? Und überlegen Sie schon, was Sie wohl im Winter beruflich tun, wenn die vierte oder fünfte Welle auf ihrem Höhepunkt ist?

Entschuldigen Sie den unvermittelten Einstieg. Aber so sind wir die ersten Fragen schon mal los.

Es ist ja erstaunlich. Seit Beginn der Corona-Pandemie beschäftigte sich der samstägliche Brief dieser Redaktion zum allergrößten Teil mit - eben Corona und der Pandemie. Quasi naturgemäß, weil es im Samstagsbrief doch um die aktuell wichtigsten Debatten und Themen geht. Und weil der Brief an jene adressiert ist, denen dringend etwas gesagt werden muss.

An Söder, Aiwanger, Merkel und Lauterbach - aber nicht an den Bundesgesundheitsminister

Seit anderthalb Jahren also ging Post an alle möglichen Wichtigen und Verantwortlichen und solche, die sich dafür halten. An Markus Söder, wegen der Corona-Chaos-Tage und des Regelwirrwarrs in seinem Freistaat Bayern. An Patientenschützer Eugen Brysch, weil er bis zu fünf Jahre Gefängnis für Impfbetrüger gefordert hatte. An Hubert Aiwanger, der sich nicht impfen lassen will. An die bayerische Gesundheitsministerin, deren Namen jetzt kaum noch jemand kennt und die sich inzwischen um Europa kümmert. An den Würzburger Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder, der für Skitourismus im Corona-Winter warb. An Karl Lauterbach, an die Kanzlerin, an einen zur Untätigkeit verdammten Wirt.

Viele, viele Briefe wegen dieses fiesen Virus, das längst zu noch fieseren Varianten mutiert ist und uns weiter zur Maske vor der Nase zwingt. Aber ein Schreiben an Sie, den verantwortlichen Corona-Minister in Berlin?

Sie sind offenbar resistent gegen Kritik und geimpft mit viel Selbstbewusstsein

Herr Spahn, Sie sind erstaunlich gut durch diese Krisenzeit gekommen. Irgendwie immun gegen alle Kritik und Rücktrittsforderungen. Gegen allen Unmut, der Ihnen entgegenschlägt, wenn Sie Unpopuläres sagen. Irgendwie schnell wieder symptomfrei, auch wenn es kritisch wird und Skandale gibt. Stichwort "Maskenbeschaffung", Sie wissen schon. Auch dieses ewige Ja-Nein-Doch-Vielleicht bei Astrazeneca war für Sie offenbar nebenwirkungsfrei. Sie scheinen mit einer hohen Dosis Selbstbewusstsein geimpft. Und Ihre eigene Corona-Infektion haben Sie auch zügig überstanden.

Sie hatten ja nicht unbedingt Gesundheitsminister werden wollen. Kein einfaches Ressort, dafür geht's um zu viel Geld, das zu viele Akteure wollen, und um zu viele emotionale Themen. Aber Sie gingen das Amt mit Eifer an und wirbelten mit einem Vorhaben nach dem anderen. 20 Gesetze in 20 Monaten. Spahn, der Turbo-Minister.

Dann kam Corona. Erinnern Sie sich an Ihre vorsichtige Floskel-Rhetorik? An Ihren permanenten Verweis auf die "Dynamik der Lage"? "Wir müssen wachsam sein, wir müssen vorbereitet sein", sagten Sie ausflüchtig bei den ersten Fällen in Bayern damals. Und waren zugleich in den Umfragen der beliebteste Gesundheitsminister aller Zeiten.

Chaos bei Maskenkauf, Meldesystem, Impfstoffbestellung - aber einfach weiter so

Dass Ihr Haus komplett überfordert war mit Maskenbeschaffung, Testzentren-Aufbau, Impfstoffverteilung, föderalem Chaos – lange her, aber nicht kuriert. Was ist denn inzwischen mit dem dilettantischen Meldesystem? Aber Sie machen scheinbar unverschnupft weiter und geben den Mahner zusammen mit dem RKI.

Sehr geehrter Herr Minister, jetzt – Mitte August 2021 – hat die Lage wieder innerhalb weniger Tage eine enorme Dynamik angenommen. Zu schnell und zu früh, um nur der erwartete steile Anstieg des kälteren Herbstes zu sein? Zum Vorbereiten und Wappnen jedenfalls war hinreichend Zeit. Jetzt, wie Sie, voreilig die dritte Impfung für alle zu fordern und zu versprechen – ein schlechtes Signal. Wenn die Inzidenzen wieder steigen, weil so viele (noch) nicht geimpft sind, dann denken Sie sich mal gute Angebote für die Trägen aus, bevor Sie die Geimpften zum Boosten schicken.

Wahlkampf im schönen Bad Kissingen, der Weltkulturerbe-Stadt

Jetzt am Sonntag wollen Sie am Stadtstrand im schönen Bad Kissingen interessierten Bürgerinnen und Bürgern 75 Minuten lang Rede und Antwort stehen. Bei Ihren Wahlkampf-Aufritten soll es ja nicht immer so gemütlich zugehen: Am Freitag in Mössingen gab's einen unfreundlichen Empfang – mit Hassparolen, hingeschmiert an die Hauswand. In Tübingen warteten Impfgegner und ein Eierwerfer. Tags zuvor in Herrenberg wurden Sie von AfD-Anhängern und Querdenkern beschimpft, nach Ihrem Auftritt in Schifferstadt ergingen Anzeigen wegen Beleidigung.

Aber vielleicht werden Sie an der Saale nett empfangen. Bad Kissingen, das wissen Sie, ist jetzt ja auch Weltkulturerbe. Vielleicht trinken Sie noch einen Schluck Heilwasser aus dem Rakoczy-Brunnen? Dass Sie Antworten darauf geben, wie es mit der Pandemie und Ihrer Zukunft weitergeht – man sollte sie wohl nicht erwarten.

Mit freundlichen Grüßen,

Alice Natter, Redakteurin

Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.
 
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Alice Natter
Annegret Kramp-Karrenbauer
AstraZeneca
Bundesgesundheitsminister
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Chaos
Covid-19
Covid-19-Pandemie
Gesundheitsminister
Hubert Aiwanger
Impfgegner
Impfungen
Karl Lauterbach
Kritik
Markus Söder
Paul Lehrieder
Saale
Samstagsbrief
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • E. D.
    Liebe Frau Alice,
    das ist so ungefähr, wenn sich der Busfahrer verfährt und alle schreien, "da vorne hätten Sie reinfahren müssen...." Na egal, hinterher wissen alle es besser. Sind wir froh, dass wir noch Leute haben die uns vertreten und wir in einer Demokratie leben dürfen.
    Schreiben Sie doch lieber mal den Angestellten aus dem Seniorenheim in Gleusdorf einen "Samstagsbrief", da wäre ich mal gespannt wie Sie das sehen. Jedenfalls gibt es dafür keine Entschuldigung, dass sich alle Angestellten (die "systemrelevanten Altenpfleger") allesamt krank schreiben lassen und nicht zum Dienst erscheinen, nun gut drei oder vier Pfleger oder auch Pflegerinnen waren noch da. Ganz gleich was vorausgegangen ist, diese Menschen haben doch in ihrem Beruf eine "Fürsorgepflicht". Schande! Sie können mich jederzeit anrufen, ich stehe zu meiner Aussage und aufgrund meiner Tätigkeit weiß ich von was ich spreche.
    Lieber GRuß
    Elisabeth
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. K.
    Die vollkommen überzogene Kritik an diesem Kommentar ist ja geradezu lächerlich …

    Ich habe mir den Artikel jetzt mehrfach durchgelesen – und ich finde beim besten Willen nichts Beleidigendes, Ehrverletzendes oder irgendwelche objektiv unwahren Behauptungen …

    Und die Kritik ist ja nun tatsächlich berechtigt ....

    Oder sieht man den Tatbestand der Majestätsbeleidigung als erfüllt an?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. E.
    Eigentlich ist es müßig, auf einen ungehobelten, unflätigen und armseligen Kommentar etwas zu antworten! Ich gebe den meisten Vorrednern recht in der Einschätzung!
    Sie sollten sich entschuldigen! Nein, eigentlich ist es die Aufgabe von Herrn Brandstetter und/oder Herrn Reinhart!!!

    Mit dieser Art des Schreibens fördern Sie höchstens noch die Eierwerfer und werden mitschuldig!
    Aber Journalismus ist das nicht mehr!
    Was wollen Sie bezwecken?
    Welche Aussage soll dahinter stecken?
    Was ist daran nicht politisch gezielt motiviert?
    Man sollte jedes finanzielle Engagement und Abonnement für das Blatt gut überdenken!
    Herr Brandstetter kann mich gerne dazu ansprechen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. E.
    Herr Spahn ist im Umfeld der Ministerinnen und Minister der Bundesregierung absolut gleichwertig einzuordnen. Derzeit dürfte er knapp vor - über - Aussenminister Maas und der Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer liegen. Was im Herbst ist, entscheiden wir als Wähler/innen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • T. D.
    An der vierten Welle , wenn sie kommt kann H, Spahn nichts machen .
    .
    Oder soll er in eine Glaskugel schauen und dann entscheiden was passiert .
    .
    Wichtig ist das man schneller reagiert , besser kommuniziert und aus den Fehlern
    der vorherigen Wellen etwas gelernt hat .
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    auf jeden Fall ist er gut versorgt für alle Zeit
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. H.
    das mag sein, aber darum geht es hier doch gar nicht: Dieser Samstagsbrief ist (vmtl. aus durchsichtigen Gründen bewusst) verletzend und beleidigend und soll den Minister niedermachen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. H.
    .... und er widerspricht in eklatanter Weise den selbstgestrickten Netti...s der MP!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. H.
    Man muss ihn nicht verteidigen (und das will ich hier auch nicht) , aber dieses Pamphlet ist in seiner Wortwahl an Häme und Einseitigkeit und überhaupt der gesamten Intention kaum noch zu toppen und nur anges. des (lahmenden) Wahlkampfes zu verstehen; wobei "verstehen" natürlich schon arg euphemistisch ist!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • I. F.
    Mit Verlaub Frau Natter,...

    ...diese Kopf-Frage ist falsch gestellt! Derzeit kann niemand sie wirklich beantworten, da die vierte Welle wohl erst nach den Wahlen beendet sein wird.

    Das ist auch unabhängig davon ob man Ihre Kritik an Herrn Spahn teilt oder nicht.

    MfG
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • F. S.
    machen Sie es doch besser
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. K.
    Kritik darf man nur äußern, wenn man etwas selbst besser kann?

    Würden Sie DAS bitte mal meinem Chef erklären? 😉

    Spaß beiseite: Dieses Argument hört man immer wieder, aber es ist und bleibt Nonsens.

    Jens Spahn wird von der Gesellschaft für eine Leistung an dieser Gesellschaft bezahlt. Und wenn die Gesellschaft mit dem Ergebnis (für das sie eine ganze Menge Kohle abdrücken muss) nicht zufrieden ist, dann darf, ja dann muss diese Gesellschaft Kritik üben.

    Wenn Ihnen Ihr Fliesenleger die Platten krumm und schief ins Bad pappt, Sie sich beschweren und er Ihnen darauf antwortet: „Machen Sie es doch besser!“ … dann wird Ihre Bereitschaft zur Akzeptanz dieses Arguments auch ganz schnell dahin gehen, wo sie hingehört – nämlich gegen Null!

    Es ist und bleibt eine sinnfreie, trotzige und polemische Phrase - und sie verdient keinerlei Beachtung!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. L.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten