
Sehr geehrte Frau Huml,
Kritiker sagen Ihnen ja gerade in diesen Tagen nach, kein besonders guter Kommunikator zu sein. Und in der Tat ist die bayerische Corona-Test-Panne, die Ihnen bereits in der Vorwoche den Minister-Job hätte kosten können, nicht zuletzt eine Kommunikationsdesaster, mit dem Sie sich selbst ohne Not in die politische Bredouille gebracht haben.
Diese Kommunikations-Panne hatte zwei Stufen: Die erste Stufe liegt in dem politischen Versagen, den Ministerpräsidenten beim überhasteten Aufbau der angekündigten Teststationen binnen nur zwei (!) Tagen in seinem unablässigen Drang, immer und überall der Erste zu sein, wider besseren Wissens nicht gestoppt zu haben.
Dieser Fehler liegt zweifellos nicht allein bei Ihnen, Frau Huml. Er hat auch mit der Persönlichkeit des Ministerpräsidenten zu tun, der dem Vernehmen nach auch in der Ministerrunde nur von sehr wenigen Kabinettsmitgliedern Widerspruch akzeptiert. Stattdessen erwartet Markus Söder, dass seine Vorgaben klaglos umgesetzt werden. Dieser Führungsstil mag ja durchaus Vorzüge haben, weil er Bedenkenträger ausbremst und die sonst gerne trägen Apparate in Schwung bringen kann. Er stößt aber dort an seine Grenzen, wo sich die Realität nicht von politischen Visionen beeindrucken lässt.
Im konkreten Fall war die Grundüberlegung, ansteigenden Infektionszahlen so schnell wie möglich mit leicht zugänglichen Tests an der Autobahn zu begegnen, ja richtig. Trotzdem haben Sie sich offenbar widerspruchslos eine Aufgabe übertragen lassen, die in der Kürze der Zeit gar nicht zu bewältigen war – was sich schon allein daran zeigt, dass dem privaten Dienstleister der Schnellstart zu unsicher war, weshalb der Testbetrieb anfangs überhaupt nur mit Ehrenamtlichen möglich war.
Experten kritisieren, dass die bayerische Gesundheitsverwaltung auch in den Jahren Ihrer politischen Verantwortung als Ministerin in der digitalen Steinzeit verharrte, weshalb jetzt keine brauchbaren IT-Systeme zur Erfassung der Adressen vorhanden sind. Sie, Frau Huml, haben trotzdem Söders Drängen nach. Augen zu und durch ist aber keine gute Devise, wenn man mit Vollgas in die Sackgasse rauscht.
Dass deshalb schief ging, was schief gehen musste, und zehntausende Testergebnisse ohne zugeordnete Adresse liegen blieben, wäre aber letztlich unter der Überschrift "Lieber fehlerhaft testen, als gar nicht" wohl noch erklärbar gewesen. Wenn wenigstens das Krisenmanagement funktioniert hätte! Doch genau hier folgte die nächste Kommunikations-Panne.
Zwar haben Sie, sehr geehrte Frau Huml, diese Woche im Landtag wortreich zu erklären versucht, warum Sie am 10. August die interne E-Mail-Information über gut 40 000 nicht übermittelte Ergebnisse - darunter hunderte nicht zugeordnete Positivtests und 23 000 nicht lesbare Testbögen - erst zwei Tage später öffentlich machten. Verstanden habe ich Ihre Argumente nicht: Sie hätten "gehofft", dass die Probleme hinter den Kulissen bis zum nächsten Tag gelöst werden könnten, erklärten Sie etwa. Mit Verlaub: Hoffen ersetzt nicht politisches Handeln. Zumal es in der Mail ja auch noch warnend hieß, dass der Abbau des Test-Staus eine Woche benötigen könnte.
Statt zwei Tage zu zögern, hätten die Fehler sofort eingeräumt und die Getesteten gewarnt werden müssen. Der politische Schaden für die Staatsregierung insgesamt wäre überschaubar geblieben. Und hätten Sie, Frau Ministerin, die Problemlösung auch noch konsequent selbst in die Hand genommen, hätte die Panne sicher nicht zu Ihrem persönlichen Debakel werden müssen.
Stattdessen sind Sie nun eine Ministerin auf Abruf und müssen auch dann noch gute Miene machen, wenn Ihre Kompetenzen vom Ministerpräsidenten filetiert werden: Die Corona-Testzentren überwacht nun der Innenminister, Staatskanzleichef Florian Herrmann ist "Corona-Koordinator", Ihr möglicher Nachfolger Klaus Holetschek wurde als Corona-Staatsekretär schon in Ihr Haus abkommandiert. Selbst einen "Corona-Sprecher" hat Ihnen die Regierungszentrale geschickt: Den beim Münchner Amoklauf bekannt gewordenen Polizei-Sprecher Marcus da Gloria Martins.
Ja, Sie haben aktuell Fehler gemacht. Sie haben aber viele Jahre als Ministerin auch gute Arbeit geleistet - für Demenzpatienten zum Beispiel und im Pflegebereich. Jetzt politisch zerlegt zu werden, haben Sie jedenfalls nicht verdient. Letztendlich wäre es deshalb vielleicht auch für Sie besser gewesen, hätte der Ministerpräsident Ihren Rücktritt in der vergangenen Woche angenommen.
Mit freundlichen Grüßen,
Henry Stern, Redakteur
Man sollte lieber mal hinterfragen ob die Leute in solchen schwierigen Zeiten wirklich unbedingt ihren Urlaub irgendwo auf der Welt verbringen müssen oder ob man auch mal darauf hätte verzichten können und somit solche Massentests gar nicht benötigt worden wären.
Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!
Johannes 8, 7
Macht Euch mal Gedanken heute Abend beim Abendgebet! 💒
Ach Leute, nehmt diesen Brief bitte als das, war er ist: Der verzweifelte Versuch und zugleich die kindliche Freude, dem MP endlich mal was anhängen zu können/dürfen. Wenn es ihm (dem Herrn Stern) um Frau Huml gegangen wäre, wäre er nicht so auffalend zahm mit ihr umgegangen. Treffen wollte er in Wirklichkeit einzig und alleine den Ministerpräsidenten, aber direkt traut(e) er sich dann doch nicht, dafür sind seine Umfragewerte zu gut.
Schönen Sonntag noch
Kenne das auch aus dem Berufsleben, das Bedenkenträger bei Vorschlägen vom Chef nicht immer beliebt sind. Die Bedenkenträger sind aber meist diejenigen mit der meisten Erfahrung.
Hr. Söder hat vielleicht auch gelernt. Letzte Aussagen wie bundeseinheitliche Regelungen bei Lockerungen, Maskenpflicht, Bußgelder, Grenzen bei Veranstaltungen, Schulregeln, usw. lassen hoffen. Auch Tests für alle wird so nicht mehr lange funktionieren. Viele Labore klagen, das sie ihre Grenzen erreicht haben und Reagenzien knapp werden. Risikogruppen müssen Priorität beim Testen haben.
Nicht so viel Populismus bei den Landesfürsten und mehr Absprache untereinander täte der Sache sicherlich gut und versteht die Bevölkerung auch besser.
Ansonsten gilt, wer hoch steigt kann auch tief fallen.
1) Der gute Mann sollte sich bitte mal die Konsequenzen überlegen, wenn gar nicht getestet worden wäre - und man sich in aller Seeleruhe die Zeit genommen hätte, solide ein Test-System aufzubauen - es wären tausend Infizierte ungetestet nach Deutschland eingereist und hätten munter das Virus drauflos verteilen können!
2) Und genauso lächerlich ist der Vorwurf, dass die Gesundheitsämter noch in der digitalen Steinzeit sind, weil keine IT zur Datenerfassung vorhanden war. Ja wofür hätte man denn bitteschön vor zwei/drei Jahren eine IT zur Erfassung von Personendaten in den Gesundheitsämtern gebraucht? Ohne Corona wäre das wieder eine Investition gewesen, die massiv von Rechnungshof und Opposition als "rausgeschmissenes Geld" gebranntmarkt worden wäre!
3) Und wenn im Gesundheitsministerium von den zuständigen Stellen am Montag die Info ankommt: Bis Mittwoch ist das erledigt! Warum bitteschön soll dann hier gezweifeld werden?
Herr Stern bringt es doch mehrfach genau auf den Punkt. Und er betrachtet die Hintergründe und Zusammenhänge. Ja, manchmal etwas spekulativ, aber immer nachvollziehbar.
Mir scheint, einige hier bewerten die Samstagsbriefe – die im Gegensatz zu den „normalen“ Artikeln Meinungsäußerungen darstellen - nach denselben Kriterien wie alle anderen redaktionellen Beiträge.
Ich oute mich jetzt hier und sage:
Aus meiner Sicht ein sehr guter Kommentar, danke dafür!
Der Brief bringt es daher auf den Punkt!