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München
Samstagsbrief: Hoffen ersetzt nicht Handeln, Frau Huml!
Nach der Corona-Test-Panne in Bayern wäre ihre Entlassung die bessere Lösung gewesen, findet unser Autor. Ein Wort an die Gesundheitsministerin, die im Amt bleiben durfte.
Erst die  Corona-Test-Panne, dann viele Fehler, jetzt von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) politisch kaltgestellt: Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).
Foto: Peter Kneffel, dpa | Erst die  Corona-Test-Panne, dann viele Fehler, jetzt von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) politisch kaltgestellt: Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:37 Uhr

Sehr geehrte Frau Huml,

Kritiker sagen Ihnen ja gerade in diesen Tagen nach, kein besonders guter Kommunikator zu sein. Und in der Tat ist die bayerische Corona-Test-Panne, die Ihnen bereits in der Vorwoche den Minister-Job hätte kosten können, nicht zuletzt eine Kommunikationsdesaster, mit dem Sie sich selbst ohne Not in die politische Bredouille gebracht haben.

Diese Kommunikations-Panne hatte zwei Stufen: Die erste Stufe liegt in dem politischen Versagen, den Ministerpräsidenten beim überhasteten Aufbau der angekündigten Teststationen binnen nur zwei (!) Tagen in seinem unablässigen Drang, immer und überall der Erste zu sein, wider besseren Wissens nicht gestoppt zu haben.

Dieser Fehler liegt zweifellos nicht allein bei Ihnen, Frau Huml. Er hat auch mit der Persönlichkeit des Ministerpräsidenten zu tun, der dem Vernehmen nach auch in der Ministerrunde nur von sehr wenigen Kabinettsmitgliedern Widerspruch akzeptiert. Stattdessen erwartet Markus Söder, dass seine Vorgaben klaglos umgesetzt werden. Dieser Führungsstil mag ja durchaus Vorzüge haben, weil er Bedenkenträger ausbremst und die sonst gerne trägen Apparate in Schwung bringen kann. Er stößt aber dort an seine Grenzen, wo sich die Realität nicht von politischen Visionen beeindrucken lässt.

Im konkreten Fall war die Grundüberlegung, ansteigenden Infektionszahlen so schnell wie möglich mit leicht zugänglichen Tests an der Autobahn zu begegnen, ja richtig. Trotzdem haben Sie sich offenbar widerspruchslos eine Aufgabe übertragen lassen, die in der Kürze der Zeit gar nicht zu bewältigen war – was sich schon allein daran zeigt, dass dem privaten Dienstleister der Schnellstart zu unsicher war, weshalb der Testbetrieb anfangs überhaupt nur mit Ehrenamtlichen möglich war.

Experten kritisieren, dass die bayerische Gesundheitsverwaltung auch in den Jahren Ihrer politischen Verantwortung als Ministerin in der digitalen Steinzeit verharrte, weshalb jetzt keine brauchbaren IT-Systeme zur Erfassung der Adressen vorhanden sind. Sie, Frau Huml, haben trotzdem Söders Drängen nach. Augen zu und durch ist aber keine gute Devise, wenn man mit Vollgas in die Sackgasse rauscht.

Dass deshalb schief ging, was schief gehen musste, und zehntausende Testergebnisse ohne zugeordnete Adresse liegen blieben, wäre aber letztlich unter der Überschrift "Lieber fehlerhaft testen, als gar nicht" wohl noch erklärbar gewesen. Wenn wenigstens das Krisenmanagement funktioniert hätte! Doch genau hier folgte die nächste Kommunikations-Panne.

Zwar haben Sie, sehr geehrte Frau Huml, diese Woche im Landtag wortreich zu erklären versucht, warum Sie am 10. August die interne E-Mail-Information über gut 40 000 nicht übermittelte Ergebnisse - darunter hunderte nicht zugeordnete Positivtests und 23 000 nicht lesbare Testbögen - erst zwei Tage später öffentlich machten. Verstanden habe ich Ihre Argumente nicht: Sie hätten "gehofft", dass die Probleme hinter den Kulissen bis zum nächsten Tag gelöst werden könnten, erklärten Sie etwa. Mit Verlaub: Hoffen ersetzt nicht politisches Handeln. Zumal es in der Mail ja auch noch warnend hieß, dass der Abbau des Test-Staus eine Woche benötigen könnte.

Statt zwei Tage zu zögern, hätten die Fehler sofort eingeräumt und die Getesteten gewarnt werden müssen. Der politische Schaden für die Staatsregierung insgesamt wäre überschaubar geblieben. Und hätten Sie, Frau Ministerin, die Problemlösung auch noch konsequent selbst in die Hand genommen, hätte die Panne sicher nicht zu Ihrem persönlichen Debakel werden müssen.

Stattdessen sind Sie nun eine Ministerin auf Abruf und müssen auch dann noch gute Miene machen, wenn Ihre Kompetenzen vom Ministerpräsidenten filetiert werden: Die Corona-Testzentren überwacht nun der Innenminister, Staatskanzleichef Florian Herrmann ist "Corona-Koordinator", Ihr möglicher Nachfolger Klaus Holetschek wurde als Corona-Staatsekretär schon in Ihr Haus abkommandiert. Selbst einen "Corona-Sprecher" hat Ihnen die Regierungszentrale geschickt: Den beim Münchner Amoklauf bekannt gewordenen Polizei-Sprecher Marcus da Gloria Martins.

Ja, Sie haben aktuell Fehler gemacht. Sie haben aber viele Jahre als Ministerin auch gute Arbeit geleistet - für Demenzpatienten zum Beispiel und im Pflegebereich. Jetzt politisch zerlegt zu werden, haben Sie jedenfalls nicht verdient. Letztendlich wäre es deshalb vielleicht auch für Sie besser gewesen, hätte der Ministerpräsident Ihren Rücktritt in der vergangenen Woche angenommen.

Mit freundlichen Grüßen,

Henry Stern, Redakteur

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  • J. G.
    Wenn Frau Huml schon vorher von der Panne gewusst und dies verschwiegen hat, dann ist es schon ein Unding. Klar kann sie selbst an der Panne nichts. Aber es hat schon oft Politiker gegeben, die für solche Sachen den Hut genommen haben. Das nennt man dann "die politische Verantwortung ziehen". Aber solange noch ein Herr Scheuer werkeln darf, dann muss die Huml keine Angst haben. Problem ist ja auch, dass der Söder vermutlich keinen in Petto hat, der sie beerben könnte. Mal sehen, wie lange auch noch der Spahn im Amt bleiben kann. Das mit seinem 4-Millionen-Haus und der damit verbundenen Finanzierung könnte ihm auch noch auf die Füße fallen.
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  • W. T.
    Andere bauen noch mehr mist /Verkehrsminister &Co
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  • G. K.
    Stimmt zwar, macht es aber nicht besser …
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  • R. D.
    Man sollte mal froh sein, dass in Bayern soviel getan wird die Pandemie unter Kontrolle zu halten. Wie viele Personen wurden getestet (nicht nur Bayern) und wie viele wurden korrekt informiert? Wie viele Infektionen konnten dadurch vermieden werden?
    Man sollte lieber mal hinterfragen ob die Leute in solchen schwierigen Zeiten wirklich unbedingt ihren Urlaub irgendwo auf der Welt verbringen müssen oder ob man auch mal darauf hätte verzichten können und somit solche Massentests gar nicht benötigt worden wären.
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  • T. M.
    An alle die das „C“ bei den Unionsparteien immer wieder anprangern:

    Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!
    Johannes 8, 7

    Macht Euch mal Gedanken heute Abend beim Abendgebet! 💒
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  • D. E.
    Bin dafür das das "C" im Parteinamen gestrichen wird. Viele Entscheidungen von DU und SU haben mit christlich (Flüchtlingspolitik, Massentierhaltung, Ressourcenverschwendung, Nachhaltigkeit, usw.) schon lange nichts mehr zu tun.
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  • A. H.
    wenn Sie nicht Mitglied sind - ich übrigens auch nicht - und sie wie ich mal annehme auch nicht wählen geht Sie der Parteiname doch überhaupt nichts an....
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  • D. E.
    Sie haben recht. Aber man sieht dadurch das Kirche und Staat immer noch so miteinander verwoben (z. B. Kirchensteuer, Gehälter für Bischöfe) sind und der Kirche das unwichtig ist.
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  • A. H.
    Da ham se jetz aber a weng was durcheinandergebracht: Das "C" im Parteinamen hat mit der anderen Sache doch nix zu tun; die müßte man wenn schon dann schon in ihrer hirśtorischen Entwicklung betrachten - und da war die CSU sicher noch nocht beteiligt.
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  • A. H.
    Kurz vor Feiertabend noch ein Gedanke:
    Ach Leute, nehmt diesen Brief bitte als das, war er ist: Der verzweifelte Versuch und zugleich die kindliche Freude, dem MP endlich mal was anhängen zu können/dürfen. Wenn es ihm (dem Herrn Stern) um Frau Huml gegangen wäre, wäre er nicht so auffalend zahm mit ihr umgegangen. Treffen wollte er in Wirklichkeit einzig und alleine den Ministerpräsidenten, aber direkt traut(e) er sich dann doch nicht, dafür sind seine Umfragewerte zu gut.
    Schönen Sonntag noch
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  • K. K.
    Wenn jeder gleich gehen müsste wenn er einen Fehler gemacht hat, wäre ganz Deutschland arbeitslos. Und die, die keine Fehler machen, arbeiten sowieso nicht.
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  • A. H.
    Bitte nicht durchgehend in Versalien schreiben.
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  • A. H.
    Bitte nicht durchgehend Versalien verwenden.
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  • D. E.
    Man muss gemachte Fehler auch auf den Punkt bringen. Schönreden hilft nichts und ändert nichts.

    Kenne das auch aus dem Berufsleben, das Bedenkenträger bei Vorschlägen vom Chef nicht immer beliebt sind. Die Bedenkenträger sind aber meist diejenigen mit der meisten Erfahrung.

    Hr. Söder hat vielleicht auch gelernt. Letzte Aussagen wie bundeseinheitliche Regelungen bei Lockerungen, Maskenpflicht, Bußgelder, Grenzen bei Veranstaltungen, Schulregeln, usw. lassen hoffen. Auch Tests für alle wird so nicht mehr lange funktionieren. Viele Labore klagen, das sie ihre Grenzen erreicht haben und Reagenzien knapp werden. Risikogruppen müssen Priorität beim Testen haben.
    Nicht so viel Populismus bei den Landesfürsten und mehr Absprache untereinander täte der Sache sicherlich gut und versteht die Bevölkerung auch besser.
    Ansonsten gilt, wer hoch steigt kann auch tief fallen.
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  • I. E.
    Dieser Brief ist eine einzige Unverschämtheit!
    1) Der gute Mann sollte sich bitte mal die Konsequenzen überlegen, wenn gar nicht getestet worden wäre - und man sich in aller Seeleruhe die Zeit genommen hätte, solide ein Test-System aufzubauen - es wären tausend Infizierte ungetestet nach Deutschland eingereist und hätten munter das Virus drauflos verteilen können!
    2) Und genauso lächerlich ist der Vorwurf, dass die Gesundheitsämter noch in der digitalen Steinzeit sind, weil keine IT zur Datenerfassung vorhanden war. Ja wofür hätte man denn bitteschön vor zwei/drei Jahren eine IT zur Erfassung von Personendaten in den Gesundheitsämtern gebraucht? Ohne Corona wäre das wieder eine Investition gewesen, die massiv von Rechnungshof und Opposition als "rausgeschmissenes Geld" gebranntmarkt worden wäre!
    3) Und wenn im Gesundheitsministerium von den zuständigen Stellen am Montag die Info ankommt: Bis Mittwoch ist das erledigt! Warum bitteschön soll dann hier gezweifeld werden?
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  • G. K.
    Sorry, aber ich kann die hier vorgebrachte Kritik am aktuellen Samstagsbrief nicht nachvollziehen.

    Herr Stern bringt es doch mehrfach genau auf den Punkt. Und er betrachtet die Hintergründe und Zusammenhänge. Ja, manchmal etwas spekulativ, aber immer nachvollziehbar.

    Mir scheint, einige hier bewerten die Samstagsbriefe – die im Gegensatz zu den „normalen“ Artikeln Meinungsäußerungen darstellen - nach denselben Kriterien wie alle anderen redaktionellen Beiträge.

    Ich oute mich jetzt hier und sage:

    Aus meiner Sicht ein sehr guter Kommentar, danke dafür!
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  • A. H.
    Is doch in Ordnung, wenn Sie Ihre Sichtweise hier darlegen; Sie sollten das aber auch den anderen zugestehen, nachvollziehen müssen sie sie ja nicht, aber bitte nicht abtun.
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  • A. B.
    Dieser Samstagsbrief ist genau so geschrieben, wie das, was Journalisten Politikerinnen und Politikern oft vorwerfen: populistisch.
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  • G. R.
    Herr Henry Stern ich hoffe sie machen keine Fehler. Falls ja müssen auch sie ihren Job aufgeben. Es gibt ein Sprichwort wer arbeitet macht Fehler. Wer viel arbeitet macht viele Fehler. Wer keine Fehler macht ist ein fauler Hund.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Gemachte Fehler sollte man aber zeitnah eingestehen und nicht hoffen auf schnelle Lösungen. In diesem Fall war klar, dass die Aufarbeitung dauert ...
    Der Brief bringt es daher auf den Punkt!
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