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Würzburg/München
Samstagsbrief: Fehler sind da, um aus ihnen zu lernen, Herr Söder!
Die Entschuldigung von Kanzlerin Angela Merkel für das Oster-Hick-Hack bestimmte in dieser Woche die Schlagzeilen. Das lenkt von schlimmeren Fehlern ab, findet unser Autor.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder 
Foto: Michael Kappeler, dpa | Bayerns Ministerpräsident Markus Söder 
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:45 Uhr

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

ich weiß, offene Briefe sind nicht so Ihr Ding. Jedenfalls habe ich Sie so verstanden, als Sie in Ihrer Regierungserklärung am Mittwoch auf ein entsprechendes Schreiben des Bayerischen Lehrerverbands zu sprechen kamen. Aber nach dieser Corona-Chaos-Woche drängen Sie, gewissermaßen die politische Speerspitze des Corona-Kampfs, sich als Adressat für unseren Samstagsbrief auf. Wenngleich ich jetzt einen ganz anderen Brief schreibe, als ich es noch im Laufe der Woche geplant hatte.

Denn als am Mittwochmorgen die erst in der Nacht auf Dienstag beschlossenen Quasi-Feiertage an Gründonnerstag und Karsamstag wieder zurückgenommen wurden und die Kanzlerin sich geradezu heldenhaft vor die Ministerpräsidenten warf, hatte ich Wut im Bauch. Wie kann es sein, wollte ich Ihnen schreiben, dass eine so hochkarätig aufgestellte und – Zitat Söder – "breit angelegte" Runde so gnadenlos daneben liegt? Und schlimmer noch: Wie oft hat die Ministerpräsidentenkonferenz vielleicht in der Vergangenheit nach ihren nächtlichen Debatten unter Ausschluss der Öffentlichkeit schon falsch gelegen? Sie selbst jubelten noch am sehr frühen Dienstagmorgen nach einer "schweren Geburt in 15 Stunden" um Punkt 3.26 Uhr auf Facebook: "Klare Linie, klarer Kurs: Das Team Vorsicht hat sich durchgesetzt."

Rund 30 Stunden später rollte die große Entschuldigungswelle durchs Land. Wobei Ihnen, Herr Söder, eine Entschuldigung nur sehr zaghaft über die Lippen kam: "Mir tut es leid, dass diese Verunsicherung entstanden ist", sagten Sie und sprachen davon, dass man "anscheinend einen Fehler begangen" habe. "Es tut uns leid für dieses Hin und Her." Das klang bei der Kanzlerin deutlicher.

Aber sei's drum. Denn worüber reden wir eigentlich? Über kurzzeitige Verwirrung, ausgelöst durch einen Beschluss, dessen Sinnhaftigkeit von Beginn an zweifelhaft war. Und der letztendlich auch nicht umsetzbar gewesen wäre. Ein Fehler, kaum größer als das Virus selbst.

Daher schreibe ich Ihnen nicht wegen dieser falschen Entscheidung an sich, sondern weil sie zeigt, wie falsch in unserem Land mit Fehlern umgegangen wird. Hier wurde – gemessen an verzögert ausgezahlten Hilfsgeldern, kollabierenden Lernplattformen, der ineffektiven Corona-Warn-App, dem Chaos bei der Impfregistrierung oder der noch immer fehlenden Testinfrastruktur – aus einer Mücke ein Elefant gemacht, während an anderen Stellen seit Monaten weitergewurstelt wird. Anstatt wie im aktuellen Fall die Notbremse zu ziehen, gibt es anderswo nur Rechtfertigungen oder neue Ankündigungen. Drücken Sie öfter auf die "Stopp"-Taste – und korrigieren Sie!

Verstehen Sie mich richtig: Es braucht keine weiteren Entschuldigungen, auch keine rollenden Ministerköpfe. Es braucht endlich echte "Perspektiven" und "Vertrauen" – beides Begrifflichkeiten aus früheren Regierungserklärungen von Ihnen, Herr Söder. Doch genau dies liefert die Politik nicht. Es fehlt an einem klugen, nachvollziehbaren Fahrplan aus der Krise. Und an Klarheit.

Ein Beispiel. Als der Plan über die "Osterruhe" durchsickerte, geschah das, was wir in der Redaktion aus dem zurückliegenden Corona-Jahr gut kennen: Sobald die Politik etwas verkündet, laufen bei uns die Drähte heiß, weil Leser Antworten auf all die offenen Detailfragen wollen. Diesmal: Stimmt es, dass Lebensmittelläden am Karsamstag nur Lebensmittel verkaufen dürfen? Gehören Bäckereien zum "Lebensmitteleinzelhandel im engeren Sinne"? Dürfen wir die Oma zum Oster-Kaffee einladen?

Wir tun hier das Bestmögliche, stoßen aber ständig an Grenzen – genauso wie die zuständigen Behörden, die uns mit Informationen und Antworten versorgen müssten. Noch größer als gewohnt waren die Fragezeichen, als Anfang März die sogenannte Bayern-Matrix bekannt wurde, also die aktuellen Regelungen mit regelmäßigen Änderungen je nach Sieben-Tages-Inzidenz der zurückliegenden drei Tage. Ein kompliziertes System, das einen Regel-Flickenteppich geradezu provoziert und keine Planungssicherheit bietet.

Und dann ist da die Widersprüchlichkeit auch in Ihren Aussagen, Herr Ministerpräsident. Da erklären Sie nun, Sie wollen die Testkapazitäten vor allem "im Schulbereich" einsetzen, obwohl doch klar scheint, dass die Inzidenz nach den Osterferien in weiten Teilen Bayerns über 100 liegen dürfte. Dies würde – laut Bayern-Matrix – für die meisten Schüler Distanzunterricht bedeuten. Da warnen Sie einerseits leidenschaftlich und zurecht vor der britischen Virusmutation, winken aber andererseits mit möglichen Öffnungen nach Ostern. Wie geht das zusammen?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat in der Frühphase der Pandemie gesagt, am Ende werde man einander vieles verzeihen müssen. Einverstanden, Gründe dafür wird es genug geben. Was aber unverzeihlich wäre: Wenn man aus den entscheidenden Fehlern nicht lernt.

Mit freundlichen Grüßen

Benjamin Stahl, Redakteur

Einer bekommt Post: Der "Samstagsbrief"

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.
Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück.
Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den "Samstagsbrief" zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.
Quelle:
 
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  • S. F.
    Danke Hr. Stahl, sie schreiben mir aus der Seele.
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  • A. H.
    Na, Herr Stahl,
    diesmal fällt die Zustimmung der foristen a weng arg arg kläglich und kümmerlich aus - zumindest bis jetzt - 16:47!
    P.S.: der MP wirds aushalten und hoffentlich! nicht ernst nehmen oder gar antworten......
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  • B. S.
    Keine Sorge, glaubt-nicht-alles,
    der Samstagsbrief versteht sich als Einladung zur Debatte. Wenn es da andere Meinungen gibt, ist das ok. Diesmal war das Feedback allerdings überwiegend zustimmend.
    Viele Grüße,
    Benjamin Stahl
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  • A. H.
    Na dann, wenn Ihne drei und eine halbe Zustimmung und ein paar likes genügen um sich bestätigt zu fühlen😉 .......
    A weng weng, mein i
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  • G. K.
    Eine Tatsache ist nicht auf Zustimmung angewiesen... 😋
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  • A. H.
    O.k., wenn man da Tatsachen sehen (will) erübrigt sich weiteres Nachdenken als Zeitverschwendung....
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  • H. A.
    Falsch, die Drähte laufen nicht heißt weil Fragen auftreten sondern weil sich viele Bürger beschweren und bis heute viele Corona immer noch für einen Witz halten. Niemand hätte nämlich die Osterruhe geschadet und das sich da gerade die Supermärkte hinstellen und jammern ist schon mehr als eine Farce. gerade die, die bisher als große Gewinner der Pandemie sind, stellen sich hin und jammern nur weil sie einen einzigen Tag mehr im Jahr mal nicht aufmachen sollten. Kein einziger Mensch ist am verhungern wenn Supermärkte und co. einen Tag mal nicht öffnen dürften, unser zunehmende Fettleibigkeit kommt aber nicht von ungefähr
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  • S. T.
    sehr gut, Herr Stahl! genau so ist es und ich habe den Verdacht, wenn nicht Wahlen anstünden, würden alle anders handeln , das bestürzt mich. ..
    Und zum Fehler zugeben und sich entschuldigen: Schon Elton John wusste: "Sorry seems to be the hardest word... traurig"
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  • G. K.
    Ein hervorragender Kommentar. Auf den Punkt gebracht.

    Leider kann man das von Herrn Stahl aufgezeigte Problem nicht nur im Corona-Umfeld beobachten...
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  • A. S.
    Nächstes Beispiel: In Bayern sollen jetzt 8 Städte die Genehmigung bekommen, nach dem Tübinger Modell zu testen und damit auch Teilöffnung zu machen. Warum ist es denn nicht möglich einfach dieses Konzept zu übernehmen und jeden Bürgermeister oder Landrat, der es machen will, das einfach machen zu lassen. Da müssen eben die entsprechenden Ministerien mal in die Pötte kommen und ein paar Grundvoraussetzungen definieren. Da braucht es nicht noch weiß der Herr wieviele Pilotprojekte. Da kann man auch mal von anderen lernen. Nur muss man halt mal den Kopf aus dem Versteck nehmen und über den Tellerrand schauen.
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  • H. E.
    Ich gehe davon aus, dass Sie die Inzidenzwerte kennen. Auch die derzeitige Situation in den Krankenhäusern bzw. in den Intensivstationen.
    Wer würde hie leichtfertig die Verantwortung für Eibe Überlastung übernehmen? Wer würde sagen, ich nehme einen einzigen Toten Menschen auf meine Kappe?
    Von daher ist der Beitrag nicht zum aushalten!
    Ebenso der richtig schlechte Versuch den Kommentar schön zu reden!
    Sorry, ich achte Herrn Stahl sehr, aber Qualität geht anders und der Versuch, sich mit Rundumschlägen zu profilieren klappt nicht. Es zeigt die Haltung der Presse, nicht mehr kritisch zu sein, sondern es wird immer mehr auch reißerisch, polemisch und beeinflussender! Die Presse drückt die Gesellschaft in eine Richtung! In ihre Richtung!
    So geht das nicht!
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