Beim Nachnamen Gurlitt denken die meisten an den Kunsthändler Hildebrand Gurlitt. Ebenso an seinen Sohn Cornelius, in dessen Wohnung der "Münchner Kunstfund" bis zu seiner Entdeckung jahrzehntelang lagerte und dann ab November 2013 weltweit bekannt wurde.
Der Name Wolfgang Gurlitt (1888-1965) ist auch mit Würzburg verbunden. Der Cousin von Hildebrand Gurlitt war ebenfalls Kunsthändler. Beide Gurlitts haben jüdische Wurzeln und dennoch mit den Nazis Geschäfte gemacht. Und Wolfgang Gurlitt zudem mit dem Würzburger Heiner Dikreiter (1893-1966), dem Gründungsdirektor der Städtischen Sammlung, die heute im Museum im Kulturspeicher beheimatet ist.
Ein Teil der Werke, die Dikreiter bei Gurlitt erworben hat - und dazu fast alle von ihm geschenkten Grafiken, etwa von Künstlern wie Max Pechstein, Oskar Kokoschka, Lovis Korinth, Alfred Kubin und Edvard Munch - werden derzeit im Lentos Kunstmuseum Linz in Österreich präsentiert. Darunter auch die Arbeit von Kokoschka, die den Kunsthändler als Zauberprinz darstellt. Sie wurde zum Titel der Ausstellung in Linz: "Wolfgang Gurlitt. Zauberprinz. Kunsthändler - Sammler". Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller präsentiert dort insgesamt rund 550 Kunstwerke.
Würzburger Sammlung kaufte viel bei Gurlitt
Die Bezeichnung „Zauberprinz“ kommt nicht von ungefähr. Gurlitt galt als schillernde ambivalente Persönlichkeit, zeitlebens war er in finanziellen Schwierigkeiten, lebte aber auf „großem Fuß“ und mit mehreren Frauen gleichzeitig, deshalb wurde er auch „Frauenprinz“ genannt. Seine größte Leidenschaft war allerdings die Kunst.
"Seine Verbindung zu Würzburg hat das Lentos in Linz sehr interessiert. Deshalb kam die Ausstellungskuratorin auf uns zu", sagt Henrike Holsing auf Nachfrage, "Würzburg war die museale Sammlung, die am meisten Werke bei Gurlitt gekauft hat". Die stellvertretende Direktorin des Museums im Kulturspeicher Würzburg ist erst kürzlich in Linz bei dem Symposium "Wolfgang Gurlitt im Fokus. Leidenschaftlicher Sammler, geschickter Netzwerker, streitbare Persönlichkeit" in Linz auf diesen Aspekt eingegangen und stellte dort "Gurlitt und Würzburg. Geschäftsbeziehungen und Freundschaft" vor. Auch im Katalog zur Linzer Ausstellung geht sie darauf ein.
Im Februar ist die Linzer Schau dann „in abgespeckter Version“ im Kulturspeicher zu sehen, so Holsing. „Wir haben längst nicht so viel Platz wie das Lentos“.
Das Linzer Kunstmuseum spürt in seiner großen Ausstellung der Sammlung Gurlitt nach, ihrem laut Pressemitteilung glanzvollen wie problematischen Erbe. 1946 wurde die Neue Galerie der Stadt Linz gegründet, aus der später das Lentos hervorging. 1952/53 erwarb die Stadt von Gurlitt 84 Gemälde, 33 Zeichnungen und eine Kubin-Sammlung. Sie bildeten den Grundstock des Museums. Es sind Werke, die aus den über den Krieg geretteten Beständen Gurlitts stammen. Er war ehrenamtlicher Direktor der Linzer Galerie und organisierte über 100 Ausstellungen, und ging gleichzeitig seinen Geschäften als Kunsthändler nach.
Durch die Provenienzforschung stellte sich heraus, dass die Sammlung Raubkunst enthält. Seit 1999 hat das die Stadt Linz den Angaben zufolge 13 Werke jüdischen Besitzes aus der Gurlitt-Sammlung an die rechtmäßigen Erben der ehemaligen Besitzer zurückgegeben. Auch in Würzburg werden seit 2014 die Ankäufe für die Städtische Sammlung unter Heiner Dikreiter auf ihre Herkunft hin untersucht.
Wie Heiner Dikreiter dem Kunsthändler Gurlitt auf den Leim ging
Dikreiter und Wolfgang Gurlitt hielten über viele Jahre Kontakt. Und beinahe wäre in Würzburg eine Dependance der Gurlitt-Galerie entstanden. Während des Zweiten Weltkriegs, 1944, wurde die nach Wolfgangs Vater benannte „Galerie Fritz Gurlitt“ in Berlin ausgebombt. "Gurlitt suchte daraufhin nach einem geeigneten Umfeld für seine Aktivitäten", sagt Holsing. Dikreiter besorgte dem Kunsthändler eine Wohnung in Würzburg in der Maxstraße. Nach der Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 blieb auch davon nichts übrig. Wolfgang Gurlitt zog weiter nach Österreich, wo er, beziehungsweise seine von ihm geschiedene erste Frau Julia Goob und seine zweite Ehefrau Käthe bereits 1940 eine Villa bei Bad Aussee in der Nähe von Linz erworben hatten.
Die Geschäftsbeziehungen mit Würzburg gingen weiter. Auch nach 1945 hat Dikreiter bei Gurlitt gekauft und ihn in Österreich besucht.
Holsing beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Gründungsdirektor der Städtischen Sammlung. In den vergangenen Monaten hat sie sich erneut mit dem Dikreiter-Archiv befasst und es "nach Gurlitt durchleuchtet". Dabei hat sie ein "ganz interessantes Geschäftsgebaren" entdeckt, erzählt die Kunsthistorikerin. Gurlitt habe nicht alles so genau genommen, und Dikreiter sei ihm öfter auf dem Leim gegangen - was einzelne Zuschreibungen angelangt. "Gurlitt wusste, dass Dikreiter ein Faible für Bilder von Wilhelm Leibl hatte", erzählt Holsing, nicht nur, weil Leibl Verbindungen nach Würzburg hatte (seine Mutter und Schwester lebten zeitweise in Zell am Main; der Künstler ist in Würzburg gestorben, sein Grab befindet sich auf dem Hauptfriedhof). Leibls Kunst traf den Geschmack der Nationalsozialisten. Seine Werke waren begehrt.
Da Dikreiter aber dessen hoch gehandelten Werke aus Etatgründen nicht kaufen konnte, auch nach 1945, hat Gurlitt ihm ein paar Mal "faule Eier" verkauft - vermeintliche Leibls - zu einen "Sonderpreis". Und Dikreiter fiel darauf rein. Dazu gehört zum Beispiel „Bildnis eines Mädchens mit dunkler Bluse“, erworben im März 1957.
Der umtriebige Kunsthändler hat aber auch belastete Kunst in die Städtische Sammlung gebracht. Die im Oktober plötzlich verstorbene Provenienzforscherin im Kulturspeicher, Beatrix Piezonka, hat die Nazi-Raubkunst entdeckt. Dazu gehört das Bild des bärtigen Mannes (Pater Nivard) von Max Slevogt. In der Ausstellung "Herkunft & Verdacht", die von September 2018 bis April 2019 im Kulturspeicher zu sehen war, zeigte Piezonka den Weg über Gurlitt in die Würzburger Sammlung nach.
Erben wollen Raubkunst nicht mehr haben
Holsing machte sich auf die Suche nach den Erben - nicht nur bei diesem Bild. Die Stadt Würzburg hat beschlossen, NS-Raubkunst zurückzugeben. Das "Bildnis des bärtigen Mannes" könne jedoch in Würzburg bleiben. "Die Erben wollen nichts mehr damit zu tun haben", sagt Holsing. Sie hätten mit diesem Kapitel abgeschlossen.
Das Rätsel Gurlitt, auch was belastete Werke anbelangt, bleibt jedoch bestehen. Viele Geschäftsunterlagen sind im Zweiten Krieg verbrannt. Und „die Familie gibt für Forschungen keine Einblicke ins Archiv, so Holsing. Womöglich verrät Gurlitts Enkelin Alexandra Cedrino etwas zwischen den Zeilen. Sie schreibt gerade an ihrem Roman über „Die Galerie am Potsdamer Platz“. Er erscheint im Februar.
Im Lentos Kunstmuseum Linz ist die Ausstellung "Wolfgang Gurlitt Zauberprinz" noch bis 19. Januar 2020 geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 - 18, Donnerstag 10 -21 Uhr. Info im Internet: www.lentos.at
Sie in in Kooperation mit dem Museum im Kulturspeicher in Würzburg entstanden. Dort ist die Schau von 8. Februar bis 3. Mai 2020 zu sehen.