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WÜRZBURG
Würzburger Kulturspeicher inventarisiert seinen Bestand
Würzburger Kunstfund: Porträt Wolfgang Gurlitt von Edvard Munch
Foto: Daniel Biscan | Würzburger Kunstfund: Porträt Wolfgang Gurlitt von Edvard Munch
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:08 Uhr

Raubkunst – diese Bezeichnung wird am Namen Gurlitt kleben bleiben. Seit Bekanntwerden des Münchner Kunstfunds Anfang November 2013 steht noch ein weiteres Wort im Fokus: „Provenienz“. Die Herkunft der Kunstwerke, sozusagen der lückenlose Lebenslauf, ist seither ein Thema. Lange hatten es Museen ignoriert und sich davor weggeduckt.

Der Name Gurlitt bescherte auch der Städtischen Galerie im Würzburger Museum im Kulturspeicher einen Kunstfund – und eine neue, auf eineinhalb Jahre befristete Arbeitsstelle. Seit Mitte Mai werden die Bestände der Städtischen Galerie von einem Kunsthistoriker inventarisiert und digitalisiert. Wie berichtet, hatte sich Würzburgs Kulturreferent Muchtar Al Ghusain im November vergangenen Jahres im Stadtrat dafür starkgemacht, dass für diese Maßnahme 80 000 Euro aus dem Verwaltungshaushalt bereitgestellt werden. Er habe sich bereits seit mehreren Jahren dafür eingesetzt, sagte Al Ghusain damals gegenüber dieser Zeitung.

Der entscheidende Auslöser war dann der überraschende Kunstfund im Depot des Kulturspeichers. Denn als nach Hinweisen dieser Zeitung Mitte November vergangenen Jahres im Depot mehrere Grafiken auftauchten, war Kulturreferent Muchtar Al Ghusain zuerst nicht nur erfreut. Es gab auch Befürchtungen. Könnte es sich bei dem über Jahrzehnte vergessenen Geschenk des Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt (er war ein Großcousin des kürzlich gestorbenen Cornelius Gurlitt) aus dem Jahr 1957 um Raubkunst handeln? Der Verdacht, dass die neun Grafiken von Oskar Kokoschka, Max Pechstein, Edvard Munch, Alfred Kubin, Lovis Corinth und Renée Sintenis eine unklare Herkunft hätten, war schnell vom Tisch: Es sind bis auf einige Ausnahmen alles Porträts von Wolfgang Gurlitt. Sein Geschenk an den damaligen Direktor der Städtischen Galerie, Heiner Dikreiter, hat deshalb eher etwas Eitles als Verdächtiges.

Muchtar Al Ghusain bemühte sich dennoch, die Erforschung der Herkunft der einzelnen Werke im Museumsbestand weiter voranzubringen. Dazu wurde bereits ein Antrag auf Förderung bei der Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin gestellt. Noch habe es keine Rückmeldung gegeben. Doch der Kulturreferent ist optimistisch. Er habe mit dem Leiter der Arbeitsstelle, Uwe Hartmann, telefoniert, und dieser habe ihm signalisiert, dass er ein solches Projekt in Würzburg unterstützen würde. Die Entscheidung aus Berlin steht in Kürze an.

Die Provenienzforschung in Würzburg ist Teil des „Dialogs Erinnerungskultur“. Dieser wurde vor über drei Jahren gestartet und setzt sich anhand mehrerer Themenbereiche kritisch mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. So präsentierte die Städtische Sammlung im Kulturspeicher zum Beispiel im Frühjahr 2013 mit der Ausstellung „Tradition & Propaganda“ eine erste Bestandsaufnahme: Kunstwerke, die den braunen Machthabern genehm waren.

Der nächste Schritt sei nun die Erforschung der Herkunft beziehungsweise Provenienz der einzelnen Werke. Dies sei schon allein wegen des Gründungsjahrs der Städtischen Galerie nötig, so Al Ghusain. Sie existiert seit 1941. Der erste Direktor war Heiner Dikreiter.

Provenienz

Der Begriff Provenienz kommt aus dem Lateinischen. Das Verb provenire bedeutet herkommen, herauskommen, auftreten; im Deutschen wird Provenienz verwendet für „die Herkunft betreffend“. Die Aufgabe der Provenienzforschung ist laut dem Deutschen Museumsbund, „die Herkunft und die Geschichte von Kulturgegenständen und den Verbleib von vermissten Kulturgegenständen zu klären“. Der bestmögliche Fall wäre der lückenlose Nachweis der Herkunft beziehungsweise Besitzverhältnisse. Folgende Angaben sind relevant: im Fokus: Bei welchem Kunsthändler oder Sammler taucht das Werk zuerst auf, wer oder welches Museum hat es anschließend erworben, wo befindet es sich aktuell? Text: cj

Wolfgang Gurlitt als „Zauberprinz“; Grafik von Oskar Kokoschka
Foto: Daniel Biscan | Wolfgang Gurlitt als „Zauberprinz“; Grafik von Oskar Kokoschka
 
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