Theater Sommerhaus, Winterhausen, ein Tag vor der Premiere. Im Saal steht noch die Werkbank, darauf Akkuschrauber in allen Größen, eine Kreissäge, Pinsel und sonstiges Werkzeug. Was man so braucht, um ein Bühnenbild zu bauen. Aber das wichtigste Werkzeug ist hier seit vielen Monaten ein grüner Vierkant-Holzstab. Er ist genau 1,50 Meter lang, länger als man sich 1,50 Meter vorstellen würde. So lang wie der nun schon seit vielen Monaten vorgeschriebene Abstand nicht nur bei Kulturveranstaltungen.
Nach zwei Lockdowns, einem De-Facto-Lockdown mit 25 Prozent Maximalbelegung, immer neuen Vorschriften und Verordnungen bis hin zur 2G-Plus-Regel, die ein eigenes kleines Testzentrum im Garten des Theaters zur Folge hatte, kann der Saal nun wieder zu 75 Prozent belegt werden.
Schon als die Maximal-Belegung auf 50 Prozent angehoben wurde, waren sich viele Bühnen nicht sicher, was das für die Abstandsregeln bedeuten würde. Der SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib, an sich geübt im entschlüsseln ministerieller Erlasse, fragte nach und erhielt vom bayerischen Wissenschaftsministerium die Auskunft, dass die Mindestabstände unterschritten werden dürfen, wenn die "Sitzplatzbelegung mit Blick auf die bestmögliche Abstandswahrung gestaltet wird". Das sei der Fall, "wenn die Sitzplätze wie bei einem Schachbrett innerhalb der Reihen abwechselnd und zwischen den Reihen versetzt belegt und freigehalten werden".
Die Sommerhaus-Familie hat bisher alle Wirrungen der Pandemie überstanden
Der grüne Stab hat also – vorerst – ausgedient. Die Sommerhaus-Familie mit Brigitte Obermeier, Hannes Hirth und Tochter Mascha Obermeier hat bislang alle Wirrungen der Pandemie überstanden – das Publikum ist treu, duldsam und sehr oft auch freigiebig. "Wir sind eine kleine Insel der Glücklichen", sagt Brigitte Obermeier, "zu uns kommen keine Stinkstiefel."
Es waren nicht zuletzt die Fans, die das Haus durch die Krise getragen haben. Mit anonymen und namentlichen Spenden, oft von Menschen, denen es selbst nicht gut ging, mit einem aktiven Förderverein und mit dem zuverlässigen Besuch der Vorstellungen, so denn welche möglich waren. Deshalb fühlt sich die Aussicht auf einen weniger eingeschränkten Spielbetrieb für Brigitte Obermeier nicht wirklich wie ein Neubeginn an: "Wir haben ja die ganze Zeit was gemacht."
Hannes Hirth formuliert es so: "Die Biggi hat dieses riesen Talent, die Leute zu binden und zu beglücken." Mascha ergänzt: "Die wollen einfach dieses Gesicht sehen." Brigitte Obermeier streicht der Tochter über die Wange und erwidert das Kompliment: "Und da ist noch so ein Gesicht."
Nach 15 Monaten Spielbetrieb im neuen Haus kam der erste Lockdown
Es ist vermutlich diese vitale Harmonie, die dem Haus seinen besonderen Geist gibt. Diese positive Sturheit, wenn man so will. Die Hartnäckigkeit, mit der die drei nach dem Aus der Spielstätte in Sommerhausen 2015 die Jahre der Heimatlosigkeit ihrer Bühne bewältigt haben. Der schier atemberaubende Mut, mit dem sie in Rekordzeit aus einer Quasi-Ruine diesen funktionalen und behaglichen Theaterraum ganz nach ihren Vorstellungen geschaffen haben. Und schließlich die Selbstverständlichkeit, mit der während der Pandemie das Aufgeben nie zur Debatte stand.
Am 1. Dezember 2018 fand hier die erste Vorstellung statt, im März 2020 war erstmal wieder Schluss. Dann immer wieder mal Betrieb unter Auflagen. "Wenn's drauf ankommt, kann die Biggi immer einen ihrer Monologe spielen", sagt Hannes Hirth. Jetzt aber geht wieder richtig was: Am Mittwoch hatte "Eine ganz heiße Nummer" Premiere, ein Stück mit gleich sieben Schauspielenden.
Der handfeste Boulevard-Spaß sollte im Frühjahr 2020 starten, musste coronabedingt immer wieder verschoben werden, und entpuppt sich nun als genau der richtige Knaller für die Faschingszeit. Die Verfilmung mit Gisela Schneeberger war einer der Kinohits des Jahres 2011. Autorin Andrea Sixt siedelt die Handlung ursprünglich im Bayerischen Wald an, das Theater Sommerhaus hat es einleuchtenderweise in den Spessart verlegt.
Ein erotischer Telefonservice soll den Lebensmittelladen vor der Pleite bewahren
Die Handlung: Nach der Schließung der letzten Glashütte droht das Spessartkaff in Arbeitslosigkeit und Armut zu versinken. Da kommen Waltraud, Maria und Lena vom Lebensmittelladen auf die Idee, heimlich einen erotischen Telefonservice anzubieten. Slogan: "Liebesgeflüster aus unserer Heimat – fränggisch rustikal". Die "heiße Nummer" boomt, allerdings sind Pfarrer und Frauenbund-Vorsitzende den skandalösen Machenschaften immer dicht auf den Fersen...
Regisseur Martin Hanns setzt das Stück mit viel Sinn für Detail und Timing in Szene. Nach etwas zäher Exposition steigt die Dichte der Lacher rasant. Anne Hansen, Thomas Mangold, Heiko Schnierer und Oliver Trahndorff veranstalten ein ständiges Kommen und Gehen als bigotte Frauenbund-Vorsitzende, sanfter Biobauer, einsamer Banker beziehungsweise Sexshop-Verkäufer und Glaser beziehungsweise scheinheiliger Dorfpfarrer.
Im Zentrum aber stehen die drei Hotline-Betreiberinnen, die nach anfänglicher Unbedarftheit ("A weng stöhnen und feddich") ungeahnte Talente offenbaren. Die leicht verbitterte Waltraud (Christina von Golitscheck) als Domina ("Hosen runter, aber zaggich!"), die sensible Maria (Brigitte Obermeier) als Seelenberaterin Maja ("Wie die Biene, nur heißer"). Und die blauäugige Lena (Mascha Obermeier) als "Lollidda", die ihre Calls sogar in der Kirche annimmt.
Der Saal amüsiert sich bestens, der Applaus ist lange und laut. Kurz nach dem letzten Vorhang plaudern die Darstellenden schon mit den Gästen. Die verabschieden sich meist mit den Worten "bis zum 9. März!" Da steigt die nächste Premiere: "Mademoiselle Molière", ein Zwei-Personen-Stück über die Faszination Theater. Wie gesagt, das Publikum hier ist treu und zuverlässig.
Theater Sommerhaus: "Eine ganz heiße Nummer" läuft am 18., 19. 20., 26. Februar; 4., 5., 6., 25., 26. und 27. März. Karten unter Tel. (09333) 9049867, sommerhaus.info@googlemail.com - www.theater-sommerhaus.de Adresse: Kirchgasse 11, Winterhausen.