Das Markusevangelium ist die älteste Lebensbeschreibung Jesu - mit einem "empörenden Ende", schrieb Martin Ebner, Theologieprofessor in Bonn, 2015 in einem Aufsatz. Niemand, der diese Erzählung von vorne bis hinten lese oder höre, könne gemütlich im Stuhl sitzen bleiben, sondern müsse protestieren. Warum? Weil die Frauen vom leeren Grab verängstigt flüchten und die ihnen aufgetragene Botschaft, die gute Nachricht von der Auferstehung Jesu, niemandem verkünden, so der Neutestamentler Ebner. Der Evangelist habe das Ende (Mk 16,8) ursprünglich bewusst offen gelassen. Der Rest des Textes wurde erst später hinzugefügt.
Ein unbekannter Mann aus dem hintersten Winkel des römischen Reichs
Der Würzburger Schauspieler Kai Christian Moritz wird am Montag erleben, wie seine Zuhörer reagieren. Er wird das Markusevangelium "als Botschaft in dramatischen Bildern" präsentieren. Und nicht nur dieses, sondern im Lauf der nächsten Monate auch die drei anderen Evangelien von Lukas, Matthäus und Johannes. Am Beginn des Projekts "4 Farben Jesus", das Moritz in Kooperation mit Dietmar Kretz, dem Studienleiter der Würzburger Domschule, konzipiert hat, steht jedoch die Farbe Gelb beziehungsweise "Markus der Löwe". Der Löwe ist das Symbol des Evangelisten Markus.
Das Evangelium ist wohl um das Jahr 70 entstanden. Markus habe in Form einer Vita seinem Publikum Jesus als Lebensbegleiter vorschlagen wollen. "Schon damit musste er provozieren", meint Professor Ebner. Denn Jesus sei, als Markus seine Erzählung aufschrieb, noch "ein völlig unbekannter junger Mann aus dem hintersten Winkel des römischen Reiches" gewesen - ein "Aufrührer". Denn nur politische Aufwiegler wurden gekreuzigt. "Und ausgerechnet so einer wird mit einer Vita gewürdigt!" - so der gebürtige Schweinfurter in seiner Einführung in die Zeit, den Aufbau und die Theologie des Markusevangeliums (in: Biblische Quellen als Impulse für die Pastoral zur Gestaltung der Herbstkonferenz 2015, Erzdiözese Freiburg, Institut für Pastorale Bildung).
Ein Text, die die Gesellschaft verändern kann
Und warum hat sich Kai Christian Moritz für Markus entschieden? Bei Markus werde ein alternatives Menschen- beziehungsweise Gesellschaftsbild vorgestellt, das sich radikal sich von dem damals vorherrschenden unterscheide.. Obwohl schon fast 2000 Jahre alt, würde sich das Evangelium "wie ein moderner Coachingtext" anhören. Moritz gibt ein Beispiel: "Deswegen sage ich euch, alles war ihr erbetet und verlangt, glaubt, dass ihr es empfangen habt und es wird euch sein." Das heißt, so Moritz: "Versetze dich in den Zustand, dass du den Erfolg hast, den du dir wünscht." Diese Herangehensweise unterscheide sich von der "Das steht mir zu“-Mentalität. Und diese Radikalität habe damals eine die Gesellschaft verändernde Dimension gehabt. Der Text " sei so zentral für unser Kulturverständnis." Aber auch die anderen Evangelien. "Da ist es sinnvoll, nochmal darüber nachzudenken. Was sagt Markus eigentlich – und: was sagt er nicht?"
Und weil das Evangelium bis heute diese Wirkung besitzt, wurde der Würzburger Raatsaal für die erste Aufführung ausgewählt, die, laut Moritz, "moderne Agora der Stadt", das Stadtparlament, "wo neue Gedanken aufgegriffen werden, die sich auf das Leben motivierend auswirken können und auf das Verhältnis der Menschen zueinander". Markus habe einen Text verfasst, der, "ob das uns gefällt oder nicht, unser ganzes Leben und auch unsere Gegenwart hier und in anderen Teilen der Erde unser ganzes Leben so beeinflusst hat – zum Guten wie zum Schlechten". Auch das ist dem Schauspieler wichtig zu zeigen. "Politik ist ja nie nur gut oder schlecht. Es ist immer ein Bemühen darum, ein Zusammenleben zu organisieren und Lösungen zu finden."
Spannende Verbindung von Theologie und Darstellender Kunst
Der Würzburger Bischof Franz Jung wird unter den Zuhörern im Ratsaal sein. "Die Verbreitung der Evangelien liegt ihm ja naturgemäß am Herzen."
Moritz wird das Markusevangelium im Ratssaal alleine, in einem Monolog, präsentieren. "Ich begeistere mich schon länger für diese Verbindung von Theologie und Darstellender Kunst", sagt er und verweist auf die Trilogie von Eric Emmanuel Schmitt, die er ebenfalls in Monologen aufgeführt hat. "Das sind aber bereits weiterverarbeitete theologische Themen."
Jetzt geht Moritz den Text direkt an - in der Übersetzung von Martin Ebner. "Weil er in seiner ganzen Diktion und in seiner Grammatik sehr stark am griechischen Originaltext entlanggeht." Das sei vielleicht etwas sperrig, verhindere aber "eine liturgisch abgestandene Hörgewohnheit", so Moritz. Eine Lesung wie in der Messe wird sein Monolog also nicht. Das schwebt dem Schauspieler, der in Würzburg Theologie studiert, auch nicht vor.
Kai Christian Moritz will nicht nacherzählen, sondern dramatisch erzählen
Weil das Markusevangelium relativ kurz sei, wird er es zudem "in seiner Gänze aufführen", so Moritz. "Aufführen heißt aber nicht, dass ich jetzt den Jesus gebe." Er will nicht nacherzählen, vielmehr dramatisch erzählen und zugleich denkend dem Text nachgehen. Er wolle sich ganz auf das reduzierte Mittel des Sprechens konzentrieren, sagt Moritz, und auf die Sprache, um die Kraft im Raum zu lassen. "Ich nähere mich dem Text literarisch und darstellerisch, begebe mich quasi in die Rolle dieses Evangelisten und erzähle den Leuten die Geschichte von dem Nazarener und seinen Gefährten." Seine Vortragsweise vergleicht der Schauspieler mit dem Erzählen von Märchen. Eltern schlüpften dabei ganz selbstverständlich in die verschiedenen Rollen, sind Prinz, Hexe, König.
Mit im Ratssaal ist die Musikerin Roberta Verna, eine laut Kai Christian Moritz "junge spannende Geigerin". Sie wird mit "reflektorischen Momenten" das Gehörte noch auf eine andere Art der Kunstebene bringen, ist sich der Schauspieler sicher.
Das Projekt "4 Farben Jesus" hat Kai Christian Moritz zusammen mit der Domschule Würzburg konzipiert. Das Markusevangelium trägt der Schauspieler im Würzburger Ratssaal vor: am Montag, 25. März von 19 bis 20.30 Uhr. Karten an der Abendkasse. Kartenreservierung: Telefon 0931/38643111. Internet: www.domschule-wuerzburg.de. Weitere Aufführungen: 6. und 7. April im Kleinen Stadttheater Gerolzhofen.