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Würzburg
Siegfried, der Held, der auch einfach nur geliebt werden will
Schon bei Wagner ist der Held nicht nur ruhmreicher Drachentöter. In der Würzburger "Götterdämmerung" macht Paul McNamara Siegfried zum Menschen, dessen Tod zu Herzen geht.
Blutsbrüderschaft: Siegfried (Paul McNamara) sticht Gunther (Kosma Ranuer). Und Hagen (Guido Jentjens) sieht, wie sein Plan gelingt.
Foto: Thomas Obermeier | Blutsbrüderschaft: Siegfried (Paul McNamara) sticht Gunther (Kosma Ranuer). Und Hagen (Guido Jentjens) sieht, wie sein Plan gelingt.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:48 Uhr

Was ist eigentlich ein Held? Einer, der furchtlos die Welt durchstreift, auf der Suche nach Abenteuern, von denen seine Nachfahren später singen können? Nach heutigem Verständnis sicher nicht. Zumal der Begriff des Helden ein wenig aus der Mode gekommen ist. Aber auch schon bei Richard Wagner, der ja in einer Zeit lebte, die mit der Verehrung von Kraft und Brutalität keinerlei Problem hatte, ist Heldentum kein Selbstzweck.

Siegfried, der deutscheste aller Helden und zentrale Figur in Wagners "Ring des Nibelungen", ist ein Wunschprodukt Wotans. Der hat sich und die Götterwelt mit seiner Habgier und seinen Affären ernsthaft in Schwierigkeiten gebracht. Wotan also, der Walvater, setzt auf Siegfried, den Helden, der die Furcht nicht kennt, um wieder ins Lot zu bringen, was er, Wotan, verbockt hat. Was bekanntlich nicht funktioniert, am Ende der "Götterdämmerung" geht die Welt unter.

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Aber ist es nicht ohnehin viel heldischer, die eigene Furcht zu besiegen? Heldentum ohne Furcht ist keine Kunst, im Falle Siegfrieds (und in etlichen realen Fällen) führt es außerdem direkt ins Verderben. Tomo Sugao, dessen Inszenierung der "Götterdämmerung" noch viermal am Mainfranken Theater zu sehen ist, hat eine einleuchtende Lösung für die Figur des Siegfried gefunden: Sein Held ist furchtlos im Sinne völliger Unbedarftheit. Er wird nicht etwa aus charakterlicher Integrität Opfer jeder denkbaren Gemeinheit, sondern schlicht aus Naivität.

Bemerkenswerte stimmliche Steigerung seit der Premiere

In Würzburg singt Paul McNamara den Siegfried als Rollendebüt, was für jeden Wagner-Tenor ein Meilenstein ist, auch wenn er schon – wie McNamara – die Titelpartien in "Tannhäuser", "Tristan und Isolde" und "Parsifal" gesungen hat. In der Premiere hatte er noch ein wenig befangen gewirkt, die Stimme nicht ganz frei. Doch zu McNamaras schauspielerischem Witz ist nun eine bemerkenswerte stimmliche Steigerung hinzugekommen. Die es McNamara erlaubt, im dritten Aufzug ("Mime hieß ein mürrischer Zwerg") nochmal mit echter Strahlkraft aufzudrehen. Im insgesamt fabelhaften Ensemble nimmt er nun mit Elena Batoukova-Kerl (Brünnhilde) und Guido Jentjens (Hagen) – und dem Orchester, das sich  ebenfalls nochmal gesteigert hat – die Spitzenplätze ein.

Paul McNamaras Siegfried ist ein bedauernswert flatterhafter Kerl, der geheuchelte Bewunderung für die Liebe hält, die er nie erfahren hat. Das macht ihn nicht zum Helden. Aber zu einem Menschen, dessen Tod zum Schluss wirklich zu Herzen geht.

Die weiteren Vorstellungen: 20. Juni, 16 Uhr, und 30. Juni, 15 Uhr. Im Juli am 14. (16 Uhr) und 20. (17 Uhr). Karten: Tel. (09 31) 39 08-124 oder karten@mainfrankentheater.de

 
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