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WÜRZBURG
Am Mainfranken Theater: Würzburger Tristan sorgt für Irritationen
Magischer Ort: Das Bühnenbild konkurriert nicht mit der wunderbaren Musik, die bei „Tristan und Isolde“ aus dem Orchestergraben des Mainfranken Theaters fließt.
Foto: Thomas Obermeier | Magischer Ort: Das Bühnenbild konkurriert nicht mit der wunderbaren Musik, die bei „Tristan und Isolde“ aus dem Orchestergraben des Mainfranken Theaters fließt.
Von unserer Mitarbeiterin Ursula Düring
 |  aktualisiert: 01.04.2012 19:10 Uhr

Es geht um alles oder nichts. Um Leben und Tod. Um Liebe und ihre Erfüllung. Isolde hat das Licht gelöscht und erwartet Tristan. Den Mann, der sie als Brautführer dem fremden König zuführen soll. Den Mann, der in einem erbitterten Krieg ihren Verlobten getötet hat. Den Mann aus dem feindlichen Lager, dem sie und der ihr verfallen ist.

Mit Tristans Erscheinen bei Isolde beginnt das wohl längste Liebesduett der Operngeschichte. Bei der Premiere von „Tristan und Isolde“, laut Komponist Richard Wagner eine Handlung in drei Aufzügen, stehen sich im zweiten Akt die Königstochter Isolde aus Irland und Tristan aus Cornwall gegenüber – in einem geschlossenen Raum, der die gesamte Bühne des Würzburger Mainfranken Theaters einnimmt und mit einem Spiegel an der Rückwand die Perspektive in die Unendlichkeit freigibt. Es ist ein magischer Ort, den Falko Herold (auch verantwortlich für Kostüme und Videoeinspielungen) zur Kulisse für alle drei Aufzüge entworfen hat. Ein paar Absonderlichkeiten bei den wenigen Versatzstücken (Comic-Hefte, Spielfigürchen, Kosmetikkoffer oder Tupperware-Gefäß als „Schrein“) fallen nicht ins Gewicht. Dieses Bühnenbild ist klar, im höchsten Maße ästhetisch. Es konkurriert nicht mit der wunderbaren Musik, die aus dem Orchestergraben fließt, überdeckt, überfrachtet sie nicht.

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Unter dem Dirigat von Enrico Calesso erzählen spannungsgeladene musikalische Bögen, nachklingende Pausen, in der Luft hängende Dissonanzen, schwelgerisch auf- und absteigende chromatische Linien, dazwischen volkstümliche, schlichte Melodien (ein beseeltes Englisches Horn von Dorothea Gömmel) von Emotionen, die nicht von dieser Welt sein können. In die Tristan und Isolde sich kompromisslos, leidenschaftlich und mit lodernder innerer Glut versponnen haben.

Ein solches Bühnenbild, eine solch hochromantische Musik, ein Libretto, in dem es so gut wie keine Handlung gibt, braucht starke sängerische Persönlichkeiten, die mit Gestik, Mimik und Stimmfarben die inneren Vorgänge nach außen bringen. Das gelingt Sängerinnen und Sängern nur zum Teil.

Die mörderische Partie der Isolde meistert Sopranistin Anja Eichhorn, der besonders die lyrischen Stellen liegen, bis zum Ende souverän und ohne Brüche in der Stimme. Paul McNamara, der als Gast für die Rolle des Tristan verpflichtet ist, tut sich da schwer. Sein Tenor reicht bei der Premiere nicht immer über die Wucht aus dem Orchestergraben. Mezzosopranistin Karin Leiber zeigt mit ihrer Rolle als Brangäne eine solide Leistung, kann manche Momente berührend gestalten. Beweglich agiert Joachim Goltz, ebenfalls als Gast engagiert, der seinen gut geführten Bariton textverständlich und in angemessener Lautstärke präsentiert. Zur Premierenbesetzung in der Sängerriege gehören noch der klare Bass von Johann F. Kirsten, Kenneth Beal als Melot, Joshua Whitener und Hyeong-Joon Ha.

Richard Wagner war schon lange an dem mittelalterlichen Epos „Tristan und Isolde“ von Gottfried von Straßburg interessiert. Seinen „Tristan“, der 1865 in München uraufgeführt wurde, begann er mit Anfang 40, wieder einmal in Nöten und von der Ehefrau seines Sponsors Mathilde Wesendonck fasziniert. Gleichzeitig beschäftigte er sich mit Schopenhauers Gedankengut über die Welt als Wille und der pessimistischen Aussage des Philosophen, dass alles Glück Illusion sei.

Regisseur Hermann Schneider greift die Gedankengänge, den emotionalen Dschungel, in dem der sächsische Meister sich befand und den er in seinem Werk verarbeitete, auf. Der Intendant schafft eine Welt, in der die Akteure zwischen der realen und der Todeswelt pendeln. Dazu stellt er die Sänger, in gräuliche Kostüme gewandet, ziemlich statisch auf die Bühne und gibt dem Zuschauer viel Raum zur eigenen Interpretation – bisweilen zu viel.

Das führt zu Irritationen, wenn sich Tristan und Isolde auch im überwältigendsten Liebesrauch weder berühren noch mit den Augen tangieren, während die Musik sich mit fortlaufendem Crescendo in die Ekstase steigert. Konsequent bleibt der Regisseur bei seiner Darstellung der Zwischenwelt: Sein Liebespaar bewegt sich auf der Grenze, findet seine Erfüllung nicht im Diesseits. Heftiger Applaus für Sänger, Männerchor, Orchester und Dirigent, unüberhörbare Buhs für die Regie.

Nächste Vorstellungen: 5., 8., 22., 27. April, 6., 13. und 19. Mai je 17 Uhr sowie am 15. April und 3. Juni je um 15 Uhr. Karten: Tel. (09 31) 39 08 - 1 24.

Joshua Whitener als Steuermann
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