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BAYREUTH
Plácido Domingo scheitert in Bayreuth an der „Walküre“
Das brennende Ölfass symbolisiert den Feuerring, in den Wotan (John Lundgren) Brünnhilde einschließt, bis ein Held sie befreie. Auf der Bühne durchaus eindrucksvoll, die Musik dazu, dirigiert von Placido Domingo, ist eher ein müdes Lagerfeuerchen.
Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath | Das brennende Ölfass symbolisiert den Feuerring, in den Wotan (John Lundgren) Brünnhilde einschließt, bis ein Held sie befreie.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:54 Uhr

Einen Rekord jedenfalls hat Plácido Domingo bei seinem Debüt als Dirigent bei den Bayreuther Festspielen aufgestellt. Mit drei Stunden und 55 Minuten ist seine „Walküre“ die möglicherweise längste bisher, zwei Minuten länger sogar als die des bisherigen Rekordhalters in Sachen Langsamkeit, Hans Knappertsbusch. Das war 1951, glaubt man den Aufzeichnungen, seither sind die Aufführungen kürzer geworden.

Kirill Petrenko etwa, ursprünglicher Dirigent dieser Inszenierung von Frank Castorf, kam mit dreineinhalb Stunden hin, Domingo, 77, eine der großen Tenorlegenden des 20. Jahrhunderts und mittlerweile Bariton, braucht fast vier, und auch dafür erntet er nach der Premiere sehr deutliche Buhs.

Behäbiger Walkürenritt

Er selbst hatte noch in Interviews zuvor von der Gefahr gesprochen, zu langsam zu werden, nun hat sie ihn ereilt. Im ersten Aufzug ist das erste Opfer das Hunding-Motiv. Jene Töne also, die einen der bösesten Charaktere des Wagner-Kosmos ankündigen und charakterisieren.

Marek Janowski, 79, der im vergangenen Jahr zum letzten Mal den gesamten Castorf-„Ring“ leitete, packte in dieses Motiv so viel dämonische Grausamkeit, dass es einem trotz der Hitze im Saal eiskalt den Rücken herunterlief. Bei Domingo klingt es eher nach „Huch, mein Mann ist da“. Weiteres Opfer: der Walkürenritt. Der kommt so behäbig, dass man ganz bequem hören kann, wie er komponiert ist. Und damit ist seine Macht gebrochen. Hinzu kommen handwerkliche Schnitzer wie immer wieder unpräzise Holzbläsereinsätze (auch das für Bayreuth eher ungewöhnlich), die diese „Walküre“ trüben.

Placido Domingo       -  Placido Domingo, hier im Januar bei der der Eröffnung des Balls der Wiener Philharmoniker, hat in Bayreuth nicht überzeugt.
Foto: Georg Hochmuth, dpa | Placido Domingo, hier im Januar bei der der Eröffnung des Balls der Wiener Philharmoniker, hat in Bayreuth nicht überzeugt.

Es wirkt zwar wie die böswillig herbeigeredete Bestätigung eines gemeinen Vorurteils, aber im ersten Aufzug klingt diese „Walküre“, deren Ausklinkung aus dem „Ring“-Zyklus höchst ungewöhnlich für Bayreuth ist, immer wieder ein bisschen wie Verdi. Ausladend, süffig, schön. Aber eben nicht richtig.

Das hier ist „Walküre“. Hier geht es immer gleich um alles. Hier manifestieren sich die Folgen alter Verfehlungen und werden die Grundlagen für neue gelegt. Das Geschwisterpaar Siegmund und Sieglinde, das mit seiner unmöglichen Liebe die Machtbasis der Götter ins Wanken bringt. Der Ehekrach zwischen Wotan und Fricka und schließlich der furchtbare Konflikt zwischen Wotan und seiner Lieblingstochter Brünnhilde, der damit endet, dass Brünnhilde in einen Feuerring eingeschlossen wird, aus dem sie nur von einem Helden ohne Furcht befreit werden kann (den sie dann heiraten muss). Dass dieser Held einst ihr Neffe Siegfried sein wird, macht die Sache nicht leichter.

Wagners Musik ist immer Mehrdimensional

Ein Dirigent muss also ein Gespür für die Mehrdimensionalität dieser Musik entwickeln und diese dem Orchester vermitteln. Viel Probenzeit gibt es dafür nicht, aber Kollegen wie Semyon Bychkov („Parsifal“), Philippe Jordan („Meistersinger“) und vor allem Christian Thielemann („Lohengrin“, „Tristan“) haben diese Saison bewiesen, dass das möglich ist.

Womit aber alles Negative gesagt wäre. Denn Frank Castorfs anfangs umstrittene Inszenierung entpuppt sich – wie so viele vor ihr – als durchaus haltbares Konzept. Aleksandar Denics Bühnenbild einer Ölbohrstation im Kaukasus zu Wagners Zeit ist mit ihren Treppen, Toren und Podesten weiterhin ideale Spielwiese für sängerische Ausnahmeleistungen. Catherine Fosters atemberaubende Brünnhilde wirkt sängerisch wie schauspielerisch noch bewegender als im vergangenen Jahr, und John Lundgren als Wotan meistert sogar die schleppenden Tempi im dritten Aufzug noch mit Bravour. Der junge Tobias Kehrer ist ein nicht ganz so böser, dafür sehr präziser Hunding.

Die nuancenreich singende Anja Kampe ist weiterhin eine mitreißende Sieglinde, ihr zur Seite steht nun Stephen Gould als Siegmund, der in diesem Jahr auch den Tristan singt. Beide Helden stattet er mit den jeweils erforderlichen stimmlichen Heldenkräften aus – dunkel die des Tristan, strahlend die des Siegmund. Eine gewaltige Leistung.

In einer früheren Version dieses Artikels ist Marek Janowskis Alter mit 88 Jahren angegeben. Das ist nicht korrekt. Janowski ist erst 79 Jahre alt. Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen.

 
 
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