Schon für die Studierenden an den Universitäten bedeutet Corona eine gewaltige Einschränkung: kaum Sozialkontakte, Prüfungen unter Hochsicherheitsbedingungen. Wie aber kommt die Hochschule für Musik zurecht? Musik lebt schließlich vom gemeinsamen Musizieren.
"Im Sommersemester war der Frust riesig", sagt Christoph Wünsch, Präsident der Hochschule für Musik Würzburg. Der Anteil der Studierenden aus dem Ausland ist mit 30 Prozent deutlich höher als an der Uni. Besonders ihnen, die hier weder Familie noch Freundeskreis haben, sondern sich vor allem unter Kommilitonen bewegen, hätten die Beschränkungen zugesetzt. "Wenigstens hatten sie weiter Kontakt zu ihren Lehrern im künstlerischen Hauptfach." Im Herbst habe sich die Lage entspannt, mittlerweile gebe es dank Impfung so etwas wie eine Perspektive.
Für Wünsch sind Videokonferenzen seit Monaten Alltag. Besprechungen mit dem Hygieneteam, dem Krisenstab, der Studierendenvertretung. Wie können möglichst viel Musik und Lehre unter größtmöglicher Sicherheit ermöglicht werden? Wie sind Vorgaben aus dem Ministerium umzusetzen, die auf die Unis zugeschnitten sind, aber nicht so recht auf eine künstlerische Hochschule passen wollen? Etwa der Passus, dass "Laborarbeiten möglich" seien.
Wichtig für etwaige Kontaknachverfolgung: Die Überäume werden per PC verwaltet
An der Hochschule geht es eher ums Üben. Pandemiegerechte Übemöglichkeiten für möglichst viele der 650 Studierenden zu schaffen, war eine große Aufgabe. Per PC und einem ausgeklügelten System wird eingeteilt, wer wann wo üben kann. 30 Räume müssen allein im Gebäude Bibrastraße verwaltet werden – inklusive Speicherung aller Daten für etwaige Kontaktnachverfolgungen. Zur Kontrolle stellte die Hochschule eigens einen Sicherheitsdienst ein. Wünsch: "Das könnten wir mit unserem Personal nicht leisten."
Schwierig waren die Weihnachtsferien: Da war die Hochschule für drei Wochen komplett zu. Eine herbe Einschränkung für viele, die wegen der Pandemie nicht in ihre Heimat reisen konnten. Aber es gab auch andere Stimmen. "Manche Familien sind sogar froh, dass ihre Kinder in relativer Sicherheit hier in Deutschland bleiben – vor allem, wenn daheim gerade Risikogebiet ist", sagt Johannes Engels, der an der Hochschule Literaturkunde für Orchesterinstrumente und Gesang unterrichtet.
Je nach Viruslage fand und findet der künstlerische Einzelunterricht in verschiedenen Formen statt. Während des ersten Lockdowns etwa verteilt auf zwei Räume, mit Übertragung per Monitor und Lautsprecher. "Über das Internet können Sie nicht zusammen musizieren, weil es immer eine Verzögerung gibt", sagt Wünsch. Ansonsten kommen Plexiglastrennscheiben zum Einsatz. Und natürlich Masken.
Orchester und Chor wurden in Ensembles mit einstelliger Teilnehmerzahl zerlegt
Der Theorieunterricht findet seit Januar komplett online statt – außer die Prüfungen in Gehörbildung. Denn auch hier stößt die Technik an ihre Grenzen. Orchester und Chor wurden in kleinere Ensembles mit einstelliger Teilnehmerzahl zerlegt, so dass etwa Dirigierprüfungen abgelegt werden konnten. "Sinfoniekonzert ohne Publikum – das ist schon sonderbar", sagt Christoph Wünsch.
Nach zwei Semestern Pandemie weiß die Hochschule, dass ihr Hygieneplan funktioniert, die nachgewiesenen Ansteckungen bewegen sich immer noch im einstelligen Bereich, sagt Präsident Wünsch. "Wir haben allerdings auch sehr disziplinierte Studierende." Eine Umfrage der Studierendenvertretung habe Zustimmung für die Maßnahmen und Lob für die Lösungsansätze ergeben.
So schrieb eine Sängerin aus Russland: "Allgemein finde ich, dass der Online-Unterricht ganz gut funktioniert, aber mir persönlich fehlen das gemeinsame Musizieren und die Kommunikation mit den Kommilitonen und als Fazit die Stimmung beim aktiven Musizieren."
Wohin die Fördergelder der Musikalischen Akademie gehen sollten, war 2020 keine Frage
Johannes Engels ist auch Vorsitzender der Vereins Musikalische Akademie, der die Würzburger Meisterkonzerte veranstaltet, deren Erlös Projekte und Studierende der Musikhochschule unterstützt. Im Pandemiejahr 2020 war klar, wer diesmal Unterstützung brauchte: Studierende, die wenig Hilfe von ihren fernen Familien bekommen (Engels: "Manche nehmen sogar Kredite auf") und mangels Auftrittsmöglichkeiten keine Chancen hatten, Geld zu verdienen.
Die Akademie startete einen Spendenaufruf. Außerdem stellte die Ernst von Siemens Musikstiftung zwei Mal einen Millionenbetrag für die Musikhochschulen in Österreich, der Schweiz und Deutschland zur Verfügung. Nach Würzburg gingen 33 600 Euro, der Fonds der Akademie kam auf 18 800 Euro. Man habe das Geld auf "55 AntragstellerInnen aus vieler Herren Länder verteilt – jeweils nach gründlicher Durchsicht der Anträge und Einschätzung der jeweiligen Sachlage", meldet Engels. Gewährt wurden einmalige Fördersummen zwischen 500 und 1000 Euro, zweimal von 1500 Euro.
Laut einer Umfrage des Landesmusikrats Berlin sehen 29 Prozent aller freischaffenden Musiker keine Zukunft mehr in ihrem Beruf, wollen die Branche wechseln oder haben es bereits getan. Ob sich die Virus-Krise zu einer Nachwuchs-Krise ausweiten wird, dazu wagt Präsident Wünsch keine Prognose. "Manche, vor allem im Bereich Oper, überlegen sich möglicherweise, wie es weitergehen soll. Aber ich kenne auch viele, die mutig bei der Stange bleiben." Johannes Engels hat beobachtet: "Die machen sich da im Moment noch nicht so viele Gedanken. Aber wenn man sie direkt darauf anspricht, bekommen sie schlechte Laune. Hochmotiviert sind sie jedenfalls alle. Ihre Lehrer können sich nicht beklagen."