Das gibt es in nur einer einzigen bayerischen Stadt am selben Ort, nämlich in Würzburg: Eine Hochschule für Musik und ein staatliches Gymnasium mit musischem Zweig und Internat. Beste Voraussetzungen für ein neues Projekt, das am 28. März mit Festakt und Ministerbesuch ins Leben gerufen wird: das Zentrum für musikalische Exzellenzförderung Würzburg.
Das Ziel laut Kooperationsvereinbarung zwischen Musikhochschule und Matthias-Grünewald-Gymnasium: die optimale Förderung musikalisch herausragend begabter Kinder und Jugendlicher. Sowohl Hochschule als auch Gymnasium fördern bereits seit Jahren – teilweise auch schon gemeinsam – junge Begabungen, das Gymnasium in einem "Studienzweig", der nun im "ExzellenzZweig" mit etwa 40 Plätzen aufgehen wird, die Hochschule im "PreCollege", einem Frühstudium für Kinder und Jugendliche ab zwölf, bei besonderer Begabung auch schon ab zehn.
Das neue Zentrum verzahnt zwei Schienen zu einem Angebot
Das neue Zentrum verzahnt nun beide Schienen zu einem Angebot, das auch Talente von außerhalb der Region nach Würzburg locken soll. "Das ist ein Quantensprung", sagt Christoph Wünsch, Präsident der Musikhochschule. In anderen Ländern werde der Nachwuchs weit früher und oft auch effektiver gefördert als in Deutschland. Hier gibt es zwar in einigen Bundesländern bereits Fördereinrichtungen für besondere Begabungen, etwa in Weimar, Berlin, Stuttgart oder Montabaur, in Bayern noch nicht. Wünsch: "Es geht darum, dass wir aus unseren Schulen heraus den Nachwuchs für unsere Orchester bereitstellen, das ist auch ein kulturelles Engagement."
Was auch bedeutet, international als Ausbildungsstätte attraktiv zu bleiben. 25 Prozent der Studierenden an der Hochschule kommen aus dem Ausland, mit Schwerpunkt Fernost. Und schon jetzt besuchen zehn Schülerinnen und Schüler aus China das Grünewald-Gymnasium. "Wir arbeiten da mit einer Agentur zusammen. Eltern der gehobenen Mittelschicht wissen ihre Kinder gerne in Deutschland aufgehoben", sagt Schulleiter Martin Sachse-Weinert.
Das Ministerium bewilligt zusätzliche Gelder und genehmigt Sonderregelungen
Möglich wird das Zentrum für Exzellenzförderung erst mit Unterstützung (und Genehmigung) zweier Ministerien. Im Falle des Grünewald-Gymnasiums ist es das Staatsministerium für Unterricht und Kultur, das zusätzliche Mittel für Lehrkräfte, Stunden und Instrumente bereitstellt. So konnte die Schule zuletzt zwei neue Klaviere, einen Flügel und ein Euphonium anschaffen. Was vielleicht noch schwerer wiegt: "Wir können den Schülerinnen und Schülern im ExzellenzZweig im Rahmen des Möglichen besondere Freiheiten einräumen", sagt Sachse-Weinert.
Denn, so ein alter Musikerspruch: Üben hilft, leider. 10 000 Übestunden sind im Schnitt nötig, bis ein Geiger Hochschulniveau erreicht, 8000 bei einem Pianisten und 6000 bei Bläsern. Hinzu kommt, dass mit Blick auf ein mögliches späteres Musikstudium auch Nebenfächer wie Musiktheorie oder Klavier (für Nichtpianisten) angeboten und belegt werden müssen.
Ein Schüler ist derzeit zugunsten der Musik ganz vom Unterricht befreit
Zeit ist ein zentraler Faktor, dem der ExzellenzZweig, geleitet von Ulrich Stinzendörfer und Barbara Groß, besonders Rechnung trägt. Die jungen Musiker, betreut von sechs hauptamtlichen Schulmusikern und weiteren 30 Instrumentallehrern, dürfen deshalb in Freistunden, wenn die anderen sich unter Aufsicht still beschäftigen, üben gehen. Oder Unterricht zugunsten von Kursen, Konzerten oder Wettbewerben versäumen. Oder Fächer, in denen sie ohnehin vorne mit dabei sind, ganz ausfallen lassen.
"Wir haben derzeit einen Schüler in der zehnten Jahrgangsstufe ganz vom Unterricht befreit, damit er sich ganz der Musik widmen kann", sagt Sachse-Weinert. Ein anderer hatte vergangenes Schuljahr immer freitags frei – um nach London zu fahren, wo er samstags am King's College Unterricht hatte. All das geht nur mit ministerieller Erlaubnis. "Da gibt es eine stillschweigende Toleranz, die wir auch nicht ausnutzen", sagt Sachse-Weinert. Die Klausuren müssen freilich trotzdem alle bestanden werden. Das Ziel ist schließlich das Abitur. Dafür wiederum bietet die Schule, wo nötig, speziellen Nachführ-Unterricht an.
Im PreCollege sind alle Instrumente, Gesang und Komposition vertreten
Die Instrumentalisten, Sänger oder Komponisten, die es ins PreCollege schaffen, bleiben als Schüler am Gymnasium, erhalten aber an der Musikhochschule in ihrem Hauptfach Unterricht von einer Professorin oder einem Professor und nehmen an den Kursen der musiktheoretischen Fächer teil. Hinzu kommen Konzert- und Opernbesuche, Workshops, Kammermusikkurse, Auftrittsmöglichkeiten oder Improvisations- oder Performance-Projekte.
Gründungsvater des PreCollege ist Conrad von der Goltz (90), Geigenprofessor in Würzburg von 1963 bis 1993. Er entwickelte die Frühförderung für Violine, eine Vorläuferin des PreCollege. Letzteres ist heute längst nicht mehr auf die Geige beschränkt, auch wenn diese immer noch am stärksten vertreten ist. Es gibt alle Instrumentengruppen, Sänger, Komponisten und Jazzer. "Zur letzten Eignungsprüfung 2018 hatten wir zwölf Bewerber mit zwölf verschiedenen Instrumenten", erzählt Hochschulpräsident Christoph Wünsch.
Die Mitglieder des ExzellenzZweigs oder vielmehr des Studienzweigs, wie es bislang hieß, gelten bei den anderen übrigens nicht als elitäre Wundertiere, versichert Schulleiter Sachse-Weinert: "In Chor und Orchester sind alle zusammen und tauschen sich aus. Und wenn die einen sagen, ,Ich geh jetzt üben', dann akzeptieren das die anderen."