Es ist noch früh im Beethoven-Jahr, noch stehen unzählige Aufführungen der Neunten Sinfonie, des "Fidelio" und vieler anderer Hits des Meisters bevor, dessen Geburt sich im Jahre 2020 zum 250. Male jährt. Die drei bayerischen Musikhochschulen hatten für ihr zweites Gemeinschaftskonzert, diesmal im großen Saal der Würzburger Hochschule, den Titel "Beethoven in progress" gewählt und machten damit klar, dass sie nicht gedenken, das Jubiläumsjahr zur Bestandsaufnahme oder gar zu musealer Pflege zu nutzen.
Etliche WoO, Werke ohne Opuszahl, die es sonst nicht in Konzertprogramme schaffen, Bearbeitungen, zeitgenössische Paraphrasen, Aneignungen, Verfremdungen von Elektronik bis Jazz, aber auch instrumentale Einblicke zeigten, welch vielschichtige und im besten Sinne uneinheitliche Ergebnisse die Auseinandersetzung mit Beethoven zeitigen kann.
Beethovens Neunte im Taschenformat
Die Neunte fehlte deshalb trotzdem nicht. Zum Einstieg improvisierte Christoph Preiß (Würzburg), der angesichts des anfänglich nicht angeschlossenen Spieltischs eiserne Nerven bewies, an der Clais-Orgel unter anderem über Themen dieser Sinfonie – eine höchst virtuose Collage. Ein neunköpfiges Ensemble aus allen drei Hochschulen präsentierte deren Finale "im Taschenformat" – eine witzige, anspruchsvolle Komprimierung, der vielleicht ein Dirigent ganz gut getan hätte, die aber dennoch ihre Wirkung nicht verfehlte.
Dazwischen gab es viele Facetten ohne Anspruch auf ein Gesamtbild. Der Kopfsatz des selten gespielten Septetts etwa, das gerne zum Klang-Wettkampf zwischen Streichern und Bläsern verkommt, hier aber, in Händen Würzburger Studierender, zum filigranen Fest wurde. Die Münchner Richard Röbel und Vincent Neeb zeigten, wie sich dieselben drei Bagatellen auf Hammerklavier beziehungsweise Flügel anhören: im direkten Vergleich und in einem so großen Saal mit klarem Vorteil für den Flügel.
Der Vokalkomponist Beethoven könnte ruhig öfter gespielt werden
Eine Bagatelle anderer Art hat Youngjae Cho geschaffen, das Werk für Klavier (Xing Liao), Keyboard (Tingyi Zuo, beide Nürnberg) und Live-Elektronik spielt im Grenzbereich zwischen Ton und Geräusch. Bezüge zum Jubilar erschließen sich vermutlich bei mehrmaligem Hören, einstweilen fällt immerhin ein gewisses Insistieren auf, das auch bei Beethoven ziemlich häufig auftritt. Spielerisch jazzig dagegen eine weitere Bagatelle: "Was bisher geschah – Was seitdem geschah" von Maksim Liakh mit dem Komponisten am Klavier und Melanie Larsson Paez am Alt-Saxofon (beide München).
Dass der Vokalkomponist Beethoven ruhig öfter gespielt werden könnte, zeigten Zoé Brocard (Mezzosopran, München) und Benjamin Vidal Marin (Klavier, Würzburg) mit dem "Lied aus der Ferne" und ein sechsköpfiger Chor aus Würzburg mit dem unvollendeten und später vervollständigten "Erlkönig", nach dessen Ende ("In seinen Armen das Kind war tot") einem Zuhörer ein leises "Boah!" entfuhr. Dass das Vierton-Motiv der Eingangsfuge des Streichquartetts op. 131 für Ausflüge weit über pentatonische Skalen hinaus taugt, zeigte zum Schluss ein Jazzensemble unter der Leitung von Professor Marko Lackner. Fazit: So machen Gedenkjahre Spaß.