Natürlich kommt die Gegenüberstellung zweier Festivals mit derart unterschiedlicher Ausrichtung in so unterschiedlichen Städten dem Vergleich zwischen Apfel und Birne gleich. Dennoch: Mozartfest und Kissinger Sommer sind die mit Abstand größten Klassikveranstaltungen von überregionaler Anziehungskraft in Unterfranken. Beide spielen mit herausragenden Künstlerinnen und Künstlern vorne auf der internationalen Bühne mit, und beiden stellt sich gleichermaßen die Frage nach der Zukunft, die sie mit neuen Formaten, unkonventionellen Programmen und viel konzeptioneller Arbeit beantworten. Ein vergleichender Blick lohnt also – zumal nun beide Abschlussbilanzen für die Saison 2022 vorliegen.
Der Termin
Beide Festivals dauern etwas über vier Wochen, den Anfang macht immer das Mozartfest mit dem Start Ende Mai. Diesmal fand es von 20. Mai bis 19. Juni statt. Der Kissinger Sommer beginnt später, diesmal lief er von 17. Juni bis 17. Juli. Die Überschneidung betrug heuer also nur drei Tage – was Klassikfans zu schätzen wussten. Im kommenden Jahr wird sie wieder größer sein: Das Mozartfest 2023 findet von 2. Juni bis 2. Juli, der Kissinger Sommer von 16. Juni bis 16. Juli statt.
Die Spielstätten
Das Mozartfest hat mit dem Kaisersaal der Würzburger Residenz, errichtet von 1720-1744, zu Mozarts Lebzeiten (1756-1791) also praktisch ein Neubau, eine spektakulär schöne Hauptspielstätte, die allerdings ihre Tücken hat: Die Bühne ist eher klein, der Raumklang recht hallig. Auch die begrenzte Platzzahl mit rund 400 im Kaisersaal und zusätzlichen 200 im angrenzenden Weißen Saal (bei beeinträchtigtem Klang und kaum Sicht) stellt eine Einschränkung dar. Deshalb bespielt das Festival weitere Stätten, etwa das Shalom Europa, die Blaue Halle, die Leerguthalle der Würzburger Hofbräu oder das Bürgerbräugelände. Wichtiger Programmpunkt sind auch die Nachtmusiken im Hofgarten.
Der Kissinger Sommer verfügt mit dem Max-Littmann-Saal im 1913 eröffneten Regentenbau über einen der international schönsten und besten Konzertsäle überhaupt. Hier finden bis zu 1000 Personen Platz. Die perfekte Akustik verdankt sich der mit Intarsien und Ebenholz verzierten Wandvertäfelung aus Kirschbaumholz. Hinzu kommen unter anderem der Rossini-Saal, der sich vor allem für Kammermusik eignet, das kuschelige Kurtheater und die berühmte Konzertmuschel im Kurgarten. Open-Air-Termine finden seit 2018 im Innenhof des sanierten Luitpoldbads statt.
Die Zahlen
Knapp 34.000 Gäste besuchten die 84 Veranstaltungen des Mozartfests 2022 an 30 Spielorten. 12.000 dieser Gäste besuchten Angebote, die gratis zugänglich waren. Zum Mozarttag in der Würzburger Innenstadt kamen über 6000 Menschen, ebenso viele insgesamt zu den beiden Nachtmusiken. An 29 Konzerttagen waren 125 Solistinnen und Solisten und 20 Orchester zu erleben. Die Auslastung, so eine Pressemitteilung, lag bei 88,3 Prozent.
Der Kissinger Sommer meldet 17.000 verkaufte Karten für 55 Konzerte an 31 Festivaltagen. 4000 Gäste nahmen kostenlose Angebote in Anspruch. Neben einigen Radio-Übertragungen bot das Festival erstmals zehn Konzerte als Video-Livestream an. Bis Festivalende wurden die Streams 15.000 mal über verschiedene Plattformen aufgerufen. Zur Auslastung macht das Festival in seiner Bilanz-Pressemitteilung keine Angabe.
Das Fazit der Saison 2022
Das Mozartfest versteht sich als Diskursplattform, auf der einerseits die Mozartpflege immer wieder neu beleuchtet wird, andererseits aber auch gesellschaftliche Themen verhandelt werden. Diesmal kam mit der Komponistin Isabel Mundry als Artiste étoile der Neuen Musik besonderes Gewicht zu. Laut Intendantin Evelyn Meining ging das Konzept auf: "Mein größter Dank und Respekt gilt unserem Publikum, das sich mit staunenswerter Offenheit und Neugierde eingelassen hat auf die vielen neuen Hörerlebnisse."
Der Kissinger Sommer besinnt sich unter seinem neuen Intendanten Alexander Steinbeis auf die glanzvolle Vergangenheit der Kurstadt: "Wien, Budapest, Prag, Bad Kissingen", lautete das Motto der Saison. Es schlug sich in vielen programmatischen Querverbindungen zwischen Böhmen, Österreich, Ungarn und Bad Kissingen nieder, etwa mit Werken von Beethoven, Brahms, Bartók, Strauß, Liszt, Dvořák oder Mahler. Mit dem Ergebnis ist Steinbeis zufrieden: "Es erfüllt mich mit Stolz und Freude, dass der Kissinger Sommer 2022, für dessen Programm ich erstmals verantwortlich zeichnen durfte, zu einem großen Erfolg geworden ist."