Am Tag nach der Entscheidung des Würzburger Stadtrats wirkt Markus Trabusch erleichtert. Die Nacht sei kurz gewesen, sagt der 58-Jährige. Es gab etliche Glückwunsch-Anrufe, als bekannt wurde, wie die Ratssitzung ausgegangen war. Nun warten – neben den Vertragverhandlungen – drei große Aufgaben auf den Intendanten: die Corona-Krise, der Umbau des Hauses und der Wandel des Mainfranken Theaters zum Staatstheater.
Markus Trabusch: Das war es ganz sicher nicht. Für eine Intendanz sind fünf Jahre ein sehr kurzer Zeitraum. Wenn man sich überlegt, dass man zwei bis drei Jahre braucht, bis man das System in die Richtung gelenkt hat, die man anstrebt. Das ist wie ein großer Tanker. Da ist es wenig sinnvoll, das gleich wieder bleiben zu lassen. Hinzu kommt die Energie, die so ein Neustart erfordert. Viele solcher Neustarts schafft man schlichtweg als Intendant gar nicht. Man kann nicht alle fünf Jahre ein neues Haus leiten. Das schaffen Sie zwei, drei Mal im Leben als Künstler. Höchstens.
Trabusch: Erstmal gibt es ganz viele nette Würzburger. Ich kenne auch einige davon. Und Würzburg hat ein wirklich wunderbares Publikum. Außerdem ist es eine tolle Stadt. Ich liebe sowohl die Architektur als auch dieses italienische Flair – ich kenne kaum Städte so weit nördlich, in der man an so vielen Stellen einen guten Espresso bekommt. Was Würzburg außerdem prägt: die sehr hohe Bevölkerungsdichte in der Innenstadt. Das macht das Leben so städtisch und durch die Universität auch sehr jung. Und wir haben gezeigt, dass man diese jungen Menschen ins Theater bekommt. Zehn Prozent Studierenden-Anteil im Abendspielplan – das ist richtig gut.
Trabusch: Wenn ein Haus regelrecht aufgefordert wird zu kucken, ob man jemand loswerden will oder nicht, entstehen natürlich Gräben. Aber die hatten zum großen Teil mit der Frage der Vertragsverlägerung zu tun. Verspricht man sich was davon? Hat man einen persönlichen Vorteil davon? Ich denke, nachdem dieses Thema jetzt abgeschlossen ist, wird sehr schnell Ruhe einkehren. Es wird sicher noch mit Befindlichkeiten umzugehen sein, aber da bin ich sehr guter Dinge. Das Theater ist durch den Staatstheater-Prozess jetzt auch von außen aufgefordert, sich zu wandeln. Diesen Wandel kann man ganz wunderbar moderieren und dabei Verwerfungen, falls es noch welche geben sollte, gleich mit thematisieren.
Trabusch: Wir müssen – und dürfen – uns an allen Ecken fragen: Was können wir personell verändern? Wo müssen wir aufstocken, um die Ansprüche zu erfüllen, die man an ein Staatstheater hat? Sicher wird das Orchester vergrößert. Aber, wie kann man in allen Bereichen eine Infrastruktur aufbauen – inklusive der Ensembles, die auch wachsen müssen –, um dieses tolle neue Gebäude mit seinen Anforderungen zu bespielen?
Trabusch: Unabhängig von der Tatsache, ob wir immer einer Meinung waren – der Aufwind des Musiktheaters in den letzten Jahren ist ja vielleicht genau daraus entstanden. Unterschiedliche Meinungen oder gar Konflikte sind ja nicht schlecht. Man muss und will einen Konsens erzielen, und dabei wird man besser. Solange es um das Ringen um die bestmögliche Lösung geht, ist das für mich in Ordnung. Tatsächlich ist die Diskussion so alt wie das Musiktheater. Und die Entwicklung hat gezeigt: Wenn es nicht auch eine klare, starke Regie gibt, verkommt Oper schnell zur dekorativen und rein affirmativen Kunst. Und das wäre dann nicht mehr von gesellschaftlichem Interesse.
Trabusch: Der Kurswechsel besteht ja nicht nur aus großen Dingen. Sondern auch aus unzähligen Kleinigkeiten, die eine Kunst ermöglichen sollen, von der man glaubt, dass sie unserer Zeit angemessen ist – gerne mutig und herausfordernd. Eingespielte Ensembles sind dabei das Wichtigste. Hat man von den Künstlern her die Grundlagen gelegt, kann man darauf aufbauen. Wir haben im Moment ein sehr kleines Schauspiel, das aber auf Wachsen angelegt ist – und ich weiß schon genau, in welche Richtung das gehen müsste. Die Tanzsparte muss und wird sich festigen. Und das Musiktheater-Ensemble ist nicht nur ein sangeskräftiges, sondern auch ein spielfreudiges. Ein darstellungswütiges im besten Sinne.
Trabusch: Ja! Wir hatten eine sensationelle Publikumsresonanz und dadurch auch sehr, sehr gute Einnahmen. Wir haben bis Ende Februar fast 500 000 Euro mehr eingespielt als im Vergleichszeitraum der letzten sechs Jahre. Und wir hatten 10 000 Zuschauer mehr in diesem Vergleichszeitraum. Das sind viele.
Trabusch: Jedes Haus versucht seinen eigenen Weg zu finden. Unser Weg besteht eben nicht darin, große Stücke einfach zu verkleinern, Passagen und Szenen wegzulassen. Nein, wir gehen bewusst zu den per se kleineren Formaten. Etwa mit Händel, einer Musiktheater-Richtung, die wir bisher noch nicht gemacht haben und die in kleineren Besetzungen und anderen Formen der Interaktion denkbar ist. Schließlich dürfen sich die Sänger auf der Bühne nicht nahe kommen.
Trabusch: Ja, ich habe den Eindruck, dass die Sicherheitsregeln bei uns zu langsam angepasst werden. Grundsätzlich fand ich es gut, dass man das sehr behutsam gemacht hat, gerade nach den vielen Todesfällen in Chören. Es freute mich sehr, dass der Freistaat zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk jetzt viel Geld in die Hand nimmt, um nochmals Aerosol-Studien zu machen. Davon versprechen wir uns weiteren Aufschluss über das, was wir uns trauen können und was nicht.
Trabusch: Ich kann mir ein Leben nur mit Kurzformaten nicht wirklich vorstellen. Eine Drei-Stunden-Oper etwa nötigt uns ja allein schon durch ihren Zeithorizont, länger ruhig zu sitzen und zu erleben, dass Sachen wirklich geklärt werden und nicht nur angerissen. Im Moment sehe ich eher die Readers-Digest-Versionen. Das hat seinen Charme, wir werden damit auch ein Jahr lang zurecht kommen. Meine Sehnsucht gilt aber den großen, epischen Formen. Und mit am wichtigsten im Theater ist ja der Austausch des Publikums über das Erlebte, etwa in der Pause – auch das fällt weg. Deswegen: Nein, das wird nicht bleiben können!
Trabusch: Ich hoffe, es wird sich nicht allzu direkt in neuen Werken niederschlagen. Zumindest nicht mit dem Fokus auf Corona. Sondern mit dem Fokus auf die Frage der Vergänglichkeit oder die Bedeutung von Freiheit. Ich glaube, dass uns die Bedeutung solcher Fragen bewusster wird, und das wird auch unser Leben prägen. In den Kunstwerken selbst habe ich die Hoffnung, dass man zum Beispiel den Moment einer Berührung neu erleben wird - aber nicht, dass wir die ganze Zeit mit Corona-Themen arbeiten müssen.
Saisonpremiere: "Die Physiker", Drama von Friedrich Dürrenmatt. Regie: Tim Egloff. 70 Minuten, keine Pause. Freitag, 2. Oktober, um 18 und 20 Uhr. Theaterfabrik Blaue Halle, Dürrbachau. Bis Ende Oktober auf dem Spielplan, jeweils zwei Vorstellungen pro Tag. Es gibt ausreichend Parkplätze vor Ort.
Anfahrt: Kostenloser Bus-Shuttle-Service vom Bussteig A des Würzburger Busbahnhofs 60 und 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn. Im Anschluss an die Vorstellung Rückfahrt zum Busbahnhof.
Karten: Im Webshop bis eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn unter mainfrankentheater.de. Und an der Theaterkasse im Falkenhaus Würzburg am Oberen Markt, Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de