
Michael Marco Fitzthum, Künstlername Wanda, hat mal gesagt: "Ich habe das Gefühl, alle meine Texte sind immer eine Art Traumatherapie. Für mich, für alle." Der Musiker, dessen Band seinen von der Zuhälterin Wanda Kuchwalek inspirierten Künstler-Nachnamen trägt, wird in den vergangenen fünfeinhalb Monaten des öfteren darüber sinniert haben: Am 26. September 2022 ist Keyboarder Christian Hummer nach langer, schwerer Krankheit gestorben. Mit 32 Jahren. Die verbliebenen vier Stamm-Wiener haben sich entschieden, die Tour zu spielen. Für Hummer. Und sich. So war in der ausverkauften Würzburger Posthalle am Freitagabend eigentlich alles wie immer. Eigentlich.
Hummer, der sein erstes Klavierquartett als achtjähriger Knirps geschrieben hatte, hat die Musik Wandas maßgeblich geprägt. Eine Musik, die Wanda mit seinen Texten so herrlich gschlampert und melancholisch ausstaffiert. Mit Liebe, Suff und Tod als wiederkehrenden Themen. Mit dem Tod umgehen kann der Österreicher, der Wiener eh. Dass der Tod "etwas Tröstendes" habe, hat Fitzthum auch gesagt, beim Versuch, Deutschen die Faszination des Morbiden zu erklären.
Und doch ist Wandas Indie-Pop-Rock alles andere als Bestattungs-Beat. Die ins Gebein krabbelnden Würmer sind im Grab des 2011 gestorbenen Liedermachers Ludwig Hirsch geblieben. Ganz so plakativ stirbt das Quintett, das live zum Sechser wächst, nicht. Suhlt sich seit elf Jahren lieber in den Schräglagen des Lebens. Auch wenn die 3000 Fans in der Posthalle nicht jedes Wort wirklich verstehen, sie schmettern mit, wenn's um Drogen ("Bussi Baby"), merkwürdige Spielarten der Liebe ("Bologna") und unerfüllte Sehnsüchte ("1, 2, 3, 4") geht. Oder vielleicht ganz versteckt hinter trauter Zweisamkeit doch den Tod ("Columbo").
Die Fans können den bittersüßen Geschmack der Nacht spüren
Sänger und Gitarrist Fitzthum ist es wichtig, dass "die stehengelassenen Weinflaschen" im realen Leben inzwischen öfter voll als leer herumkullern. "Ich würde mich schämen, wenn ich als verkatertes Wrack auf die Bühne kriechen würde" - so ungefähr hat er das mal in einem Interview gesagt. Trotzdem sorgen Wanda-Auftritte immer noch dafür, dass man die Morgen-Depressionen fühlt, den bittersüßen Geschmack der Nacht. Das Laster. Und die Lust.
Weil der Typ da vorn in seinem abgeranzten 80er-Leder-Frackerl so furchtbar authentisch rüberkommt. Wie auch das kleine Gedenken an den verstorbenen Hummer nach "Va Bene (es muss weitergehen)". Fitzthums Worte "wir waren vier, fünf Mal mit ihm hier" reichen für minutenlangen Applaus - und für einen angenehm langen Moment ist eben nicht alles wie es immer ist. "Ihr seid ein geiler Scheißhaufen" - klar, was soll da anderes von der Bühne kommen.
Wanda - das sind zwei Stunden leidenschaftliche Party am Rande gedanklicher Illegalität. Das braucht's eben in einem durchgetakteten, aufs Funktionieren angelegten Alltag. Einmal ein krankes Hirn haben und sich damit so unglaublich gesund fühlen.