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Schweinfurt
Museum Georg Schäfer: Stiftung einigt sich mit Nachkommen Max Liebermanns
Das Thema Raubkunst begleitet das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt seit Jahren. Nun gelang  in einem Fall eine Einigung. Eine gute Nachricht - auch für Museumsbesucher.
Kann dauerhaft in der Sammlung Georg Schäfer bleiben: Max Liebermanns Porträt seiner Frau Martha aus dem Jahr 1930 (Ausschnitt). 
Foto: Museum Georg Schäfer | Kann dauerhaft in der Sammlung Georg Schäfer bleiben: Max Liebermanns Porträt seiner Frau Martha aus dem Jahr 1930 (Ausschnitt). 
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 14.02.2024 09:50 Uhr

Beim Thema Raubkunst steht das Schweinfurter Museum Georg Schäfer immer wieder in der Kritik. Die Bilder gehören der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung, und diese lehnt  Rückgaben grundsätzlich ab: Geltendes Recht und die Satzung ließen es nicht zu, das Vermögen der Stiftung zu schmälern, also Werke herauszugeben. Ein Verstoß würde den Tatbestand der Untreue erfüllen, so die Position der Stiftung. Seit Jahren ist die Rede von rund 20 belasteten Bildern, unter anderem aus der Sammlung des in Auschwitz ermordeten Max Silberberg.

Auch ein Gemälde Max Liebermanns, eines des bedeutendsten Vertreters des deutschen Impressionismus (1847-1935), gehört als prominentestes Werk dazu: das Porträt seiner Frau Martha im Lehnstuhl.  Es ist etwa in der Datenbank für verlorene Kunst ("Lost Art") der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste aufgeführt. 

Nun ist Bewegung in die Sache gekommen: In einer gemeinsamen Presseerklärung, die am Montag per Post verschickt wurde, teilen die Stiftung und die beiden Urenkelinnen von Max und Martha Liebermann – in der Erklärung "Nachlass Max und Martha Liebermann" genannt – über ihre Anwälte eine gütliche Einigung mit. Eine gute Nachricht für Kunstfreunde: Das Porträt und zwei weitere Bilder können demnach dauerhaft im Bestand der Stiftung bleiben.

Was versteht man unter Raubkunst?

Als Raubkunst gelten "verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter", also Kunstwerke, die in der NS-Zeit ihren rechtmäßigen, meist jüdischen Besitzern durch Zwangsverkauf, Zwangsauktionen oder Beschlagnahmung genommen wurden. Man schätzt, dass die Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 in ganz Europa 600 000 Kunstwerke zusammengerafft haben. 

Max Liebermann auf einer Fotografie um 1915, gezeigt in einer Wechselausstellung des im Museums Georg Schäfer im Jahr 2006.
Foto: Laszlo Ruppert | Max Liebermann auf einer Fotografie um 1915, gezeigt in einer Wechselausstellung des im Museums Georg Schäfer im Jahr 2006.

Warum ist das Thema immer noch aktuell?

76 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ist weitgehend unstrittig, dass die Entschädigungen der ersten Jahrzehnte nach Kriegsende nicht ausreichend waren. Dass Rückgabefristen zu kurz angesetzt waren, dass viele überlebende NS-Opfer oder ihre Erben nicht informiert waren. Auch der Verbleib vieler Werke war unbekannt, weswegen heute der Provenienzforschung immer größere Bedeutung zukommt. Und: Erst mit der Wiedervereinigung 1990 konnten Geschädigte Ansprüche im Bereich der ehemaligen DDR geltend machen. Der Jurist Professor Hans-Jürgen Hellwig hat hochgerechnet, dass sich in den 6800 Museen in Deutschland heute 21 Millionen mutmaßliche NS-Raubkulturgüter befinden.

Worum ging es in diesem Fall?

Es ging um drei Werke, die einst Teil der Sammlung Liebermann waren und nun zum Bestand der Stiftung gehören: Max Liebermanns Porträt seiner Frau Martha, seine Zeichnung "Badende Knaben" von 1909 und Adolph Menzels Zeichnung "Der zwölfjährige Jesus im Thempel" von 1852. Juristisch hätten die Nachkommen nach derzeit geltendem deutschen Recht keine durchsetzbaren Rechtsansprüche auf die Werke, so die aktuelle Erklärung von Stiftung und Urenkelinnen. Ein Restitutionsgesetz gebe es bislang nicht, es bestehe aber ein "Dilemma zwischen geltendem Recht einerseits und moralischem Anspruch und Gerechtigkeit andererseits".  Weiter heißt es: "Vor diesem Hintergrund haben sich der Nachlass und die Stiftung auf eine gütliche Lösung geeinigt."

Selbstporträt Max Liebermanns aus dem Jahr 1927 im Museum Georg Schäfer.
Foto: Peter Leutsch | Selbstporträt Max Liebermanns aus dem Jahr 1927 im Museum Georg Schäfer.

Warum gelten die Werke aus der Sammlung Liebermann als Raubkunst?

Die jüdische Familie Liebermann wurde ab 1933 immer stärker von den Nationalsozialisten bedroht. 1938, drei Jahre nach Max Liebermanns Tod, gelang seiner Tochter Käthe Riezler mit ihrem Mann und der Enkeltochter die Emigration in die USA. Die Ausreise von Liebermanns Frau Martha aber wurde mehrfach vereitelt. 1943 wählte Martha Liebermann den Freitod – kurz vor ihrer Deportation ins Konzentrationslager Theresienstadt. Das Porträt, das sie im Lehnstuhl zeigt, wurde von der Gestapo beschlagnahmt. 1955 tauchte es der Erklärung zufolge wieder auf und wurde "von Unbekannt" beim Stuttgarter Kunstkabinett Ketterer zur Auktion eingeliefert. Es blieb unversteigert und wurde dann von der Münchner Kunsthandlung Neumeister & Gräf erworben, die es wiederum an den Schweinfurter Unternehmer und Kunstsammler Georg Schäfer (1896-1975) verkaufte.

Wie sieht die Einigung aus?

Die Stiftung übernimmt "privat und freiwillig Verantwortung für nationalsozialistisches Unrecht und dessen Folgen und Fortwirken", heißt es in der Erklärung. Gegen eine Zahlung an den Nachlass, "die freiwillig von einer Privatperson außerhalb der Stiftung erfolgt und über deren Höhe Stillschweigen vereinbart wurde", bleiben die Bilder bei der Stiftung. Das Bildnis Martha Liebermann wird dauerhaft im Museum ausgestellt. Neben dem Bild in der Ausstellung und bei Veröffentlichungen zu allen drei Werken wird über deren Herkunft, das Schicksal Martha Liebermanns und über die Einigung informiert.

Das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt.
Foto: Silvia Gralla | Das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt.

Warum geben manche Museen Bilder zurück und andere nicht?

In der "Washingtoner Erklärung" von 1998 haben sich 44 Staaten verpflichtet, Werke der Raubkunst zu identifizieren, Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine "gerechte und faire Lösung" zu finden. Die Erklärung fordert zuerst Forschung und dann Ausgleich, womit nicht unbedingt Rückgabe gemeint sein muss. Sie richtet sich aber – ohne rechtlich bindend zu sein – ausschließlich an öffentliche Einrichtungen. Private Sammlungen und Museen sind ausdrücklich nicht an das Abkommen gebunden. 

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte im November 2018 Sanktionen für Privatmuseen angekündigt, die sich der Washingtoner Erklärung verweigern. Die historische und moralische Verantwortung für die Aufarbeitung des NS-Kunstraubes, so Grütters, liege nicht allein beim Staat.

Das Museum und die Sammlung

Der Bestand des Museums Georg Schäfer in Schweinfurt umfasst rund 1000 Gemälde und 5000 Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen, vor allem deutsche Werke des 19. Jahrhunderts. Sie sind Eigentum der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung und eine Dauerleihgabe an das im Jahr 2000 eröffnete Museum. Bauherr und Eigentümer des Hauses ist der Freistaat, Betreiber die Stadt.
Georg Schäfer (1896-1975) hatte einen Großteil seiner Sammlung in der Nachkriegszeit über den Münchner Kunsthandel erworben. In einer Zeit also, als dort etwa der Auktionator Adolf Weinmüller tätig war. Er hatte in der NS-Zeit maßgeblichen Anteil daran gehabt, jüdische Kunsthändler vom Markt zu drängen. Aus der Kunstsammlung von Heinrich Hoffmann, ehemals Leibfotograf Adolf Hitlers, erwarb Schäfer beispielsweise das Spitzweg-Bild "Disputierende Mönche". Bekannt ist, dass sich in Schweinfurt auch Gemälde befinden, die dem in Auschwitz ermordeten Kunstsammler Max Silberberg gehört hatten.
Quelle: maw
 
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Kommentare
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Was ist daran "gut" und ein "kleiner Anfang"?

    Das ist eine Schande! Sich angesichts der Auswirkungen des schlimmsten Verbrechens der Menschheitsgeschichte hinter einer Satzung zu verstecken ist verstörend. Noch dazu wenn an der Satzung sicherlich Personen mitgewirkt haben deren Familie in hohem Maß von der Kriegswirtschaft profitiert hat.

    Zitat Artikel: . Ein Restitutionsgesetz gebe es bislang nicht ... Vor diesem Hintergrund haben sich der Nachlass und die Stiftung auf eine gütliche Lösung geeinigt."

    Vor dem Hintergrund kann man kann sich gut vorstellen wie diese gütliche Lösung aussah - vermutlich ähnlich wie in den 40er Jahren als jüdischer Besitz auch günstig aber rechtmäßig den Besitzer wechselte.

    Ein Grund diese Sammlung nicht zu besuchen!

    Auch von der Mainpost hätte ich eine kritischere Berichterstattung gewünscht (v.a. vor dem Hintergrund der Berichterstattung über Willy Sachs und dessen Ehrenbürgerwürde bzw. der Stadtionumbenennung).
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  • fuchsastefan@web.de
    Ein kleiner Anfang👍
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  • t.horling
    Gut!
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